Heidelberg, 13. Mai 2016. (red/pm) Der Verwaltungsgerichtshof hat am 10. Mai im Anschluss an die Verhandlung mit dem verkündeten Urteil den Planfeststellungsbeschluss für die Straßenbahn Im Neuenheimer Feld aufgehoben.
Information des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg:
„Anfang Dezember 2010 beantragte die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH als Trägerin des Vorhabens bei dem beklagten Regierungspräsidium Karlsruhe die Planfeststellung für den Neubau der Straßenbahn Im Neuenheimer Feld in Heidelberg. Beabsichtigt ist der Bau der 2,5 km langen, zweigleisigen „Universitätslinie“ mit fünf neuen Haltestellen.
Nach Auslegung der Unterlagen und Durchführung eines Erörterungstermins erließ der Beklagte am 10. Juni 2014 den Planfeststellungsbeschluss hierfür. Die Kläger Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. München haben gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Karlsruhe Klage zum Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Nachteilige Wirkung auf Forschungsinstitute
Die Kläger wenden sich insbesondere gegen nachteilige Wirkungen des Straßenbahnbetriebs auf ihre entlang der Straßenbahntrasse gelegenen Forschungsinstitute, vor allem im Hinblick auf Erschütterungen und elektromagnetische Felder. Ferner rügen sie den Verlauf der mitten durch das Universitätsgebiet führenden Trasse.
Auf Anträge der Kläger – und der Stiftung Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, einer GmbH und zweier Wohnungseigentümergemeinschaften als Erbbauberechtigte an zwei Grundstücken, die in zwei weiteren Verfahren ebenfalls gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen – hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 18. Dezember 2014 die aufschiebende Wirkung der Klagen (vorläufiger Baustopp) angeordnet.
Im Anschluss daran hat der Beklagte auf Antrag der beigeladenen Vorhabenträgerin am 27. Januar 2016 einen Änderungsplanfeststellungsbeschluss erlassen, der die Verlegung eines Teils der Trasse nach Süden, den stromlosen Betrieb der Straßenbahnen und die Lagerung der Schienen in einem besonderen Verfahren vorsieht. Der Änderungsplanfeststellungsbeschluss ist in die Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einbezogen worden.
Beide Klagen zulässig
Zur Begründung hat der Vorsitzende des 5. Senats bei der mündlichen Urteilsverkündung im Wesentlichen ausgeführt, beide Klagen seien zulässig. Insbesondere seien die Kläger klagebefugt. Während die Universität geltend machen könne, in ihrem Recht auf gerechte Abwägung ihrer grundrechtlich geschützten Forschungsfreiheit verletzt zu sein, könne sich die Max-Planck-Gesellschaft auf eine Verletzung in ihrem grundrechtlich geschützten Erbbaurecht berufen.
Die Klagen seien auch begründet. Der Planfeststellungsbeschluss in der Gestalt des Änderungsplanfeststellungsbeschlusses sei aufzuheben, da er an erheblichen Mängeln leidet, die weder durch Planergänzung noch in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten. Die Belange der Kläger, insbesondere der Belang der Universität, von für ihre Forschungseinrichtungen nachteiligen Wirkungen des Straßenbahnvorhabens möglichst verschont zu bleiben, seien bei der Abwägung unzureichend berücksichtigt worden.
Das Regierungspräsidium habe die Belange der Universität bereits bei der Prüfung der in Betracht kommenden Planungsalternativen nicht ausreichend in den Blick genommen. Denn es habe unterlassen, die für eine sachgerechte planerische Abwägung erforderlichen Tatsachen festzustellen. Insbesondere habe sich das Regierungspräsidium über das tatsächliche Ausmaß der vom Vorhaben auf die vorhandenen Forschungseinrichtungen und in Betracht kommenden Erweiterungsflächen der Universität ausgehende nachteiligen Wirkungen selbst keine Gewissheit verschafft.
Bebauungsplan „Neues Universitätsgebiet“
Vielmehr habe es sich entgegen seinem gesetzlichen Auftrag, selbst eine eigenständige Planungsentscheidung zu treffen, auf eine reine Evidenz- und Plausibili-
tätskontrolle der ihr von der beigeladenen Vorhabenträgerin vorgelegten Planung beschränkt. Dabei habe sie auch übersehen, dass der nach wie vor wirksame Bebauungsplan „Neues Universitätsgebiet“ der Stadt Heidelberg vom 28. Juli 1960 dem Vorhaben entgegenstehe, da dieser im Interesse der Universität gerade keine öffentlichen Verkehrsflächen in diesem Sondergebiet vorsehe. An diesen Mängeln habe der Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Januar nichts geändert. Davon, dass insbesondere die Belange der Universität mit seinem Erlass nicht mehr abwägungserheblich betroffen seien, könne keine Rede sein.
Dem Beklagten und der Beigeladenen wurden die Verfahrenskosten je zur Hälfte auferlegt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden.“