Rhein-Neckar/Koblenz/Bundesgebiet, 13. September 2011. Die Kampagne „Die Vielfalt der Zeitung“ geht auch 2011 weiter – solange, bis ein Verlag sie ab- oder einkauft. Das Netz ist aufgerufen, die Zeitung zu retten. Absurd? Keineswegs. Die Zeitung ist eine Wundertüte. Denn auch in Tüten können Wunder schlummern…
Aktualisiert: Dieser Artikel wurde seit Erscheinen am 03. März 2011 fortlaufend aktualisiert und wird heute mit aktuellem Datum neu veröffentlicht. Schließlich geht es um Zeitungen! In den vergangenen Monaten streikten Redakteure überall im Land und erzählten was von Qualitätsjournalismus. Doch darum geht es gar nicht. Es geht um Service. Um Nutzwert. Mittlerweile hat unsere Kampagne 47. Argumente für die Zeitung. Allen, die mitmachen, wird eine Erfolgsbeteiligung garantiert, falls ein Zeitungsverlag die Kampagne endlich kauft. Denn es geht um die Zukunft der Zeitung – nein, sogar mehr. Es geht um die Zukunft der Zivilisation, oder so ähnlich!
Von Hardy Prothmann
Die Zeitungen habens arg schwer – die Abos und Leserzahlen gehen zurück und noch viel schlimmer: Die Werbeumsätze. Laut Experte Marian Semm verlieren Zeitungen pro 100.000 Auflage seit 2001 rund vier Prozent Umsatzerlöse, was rund einer Million Euro entspricht.
Der MM beispielsweise hat im zweiten Quartal 2010 gut 1.500 Abos verloren und eine Besserung ist nicht in Sicht.
Da ich mit der Zeitung aufgewachsen bin, bestürzt mich diese Situation zutiefst. Ähnlich wie bei den Robben-Babys, dem Deutschen Wald und ganz allgemein der Umwelt und unserer Zukunft, muss eine Kampagne her, die dieses langsame Dahinsiechen aufhält und die Zukunft der Zeitung sichert.
Vergessen Sie das Leistungsschutzrecht, verehrte Verlage. Selbst die Wirtschaft hält das für eine Art von Raubrittertum. Überzeugen Sie mit Leistung, dass ist der beste Schutz und das beste Recht.
Ich habe deshalb im Oktober 2010 eine Kampagne gestartet, mit der die bedrohten Zeitungsverlage die Vielfalt der Zeitung darstellen und bewerben können.
Im vergangenen Jahr kamen sage und schreibe 36 Vorschläge zusammen. Nummer 37 und der erste für dieses Jahr kommt von der Rhein-Zeitung (Koblenz) – die schlägt vor, dass man Narrenkappen aus der Zeitung basteln kann. Sehr kreativ, wie ich finde.
Machen Sie auch mit: Reichen Sie Vorschläge ein. Save the wundertüte!
Denn die Zeitung ist eine wahre Wundertüte – es steckt viel mehr in ihr, als man zunächst vermutet.
Das lässt sich in Wort, Bild, Ton und Video in eine wunderbare Imagekampagne umsetzen. Darum dürfen die Verlag ab sofort gerne pitchen – natürlich könnten die auch Ideen klauen (was man durchaus gewohnt ist), aber ich setze hoffnungsvoll auf einen Rest von Ehrlichkeit.
Ein Zeitungskollege schreibt als Vorschlag: „Man kann daraus Papierkugeln basteln und Prothmann damit bewerfen. Besser jedenfalls als mit Wattebäuschchen“. Diesen Vorschlag lasse ich nicht unerwähnt, füge ihn aber nicht als ernst gemeint ein.
Ihre Zeitung – Ihre Vielfalt:
- Man kann einen Fisch drin einwickeln (jahrhundertealte Tradition).
- Man kann Mücken damit totschlagen (sowie die Zeit).
- Man kann sich draufsetzen (gerade bei vollgekoteten Parkbänken sinnvoll).
- Man kann Geschirr darin einschlagen (wer schon mal umgezogen ist, weiß das).
- Man kann damit Fenster putzen (auch wenn manche auf HaRa schwören).
- Man kann damit Meerschweinchenställe auslegen (auch für Kaninchen und Goldhamster geeignet).
- Man kann damit Räume zum Renovieren auslegen (das weiß doch jeder).
- Man kann daraus „Malerhüte“ bauen (ist echt einfach).
- Man kann darin Blumen einwickeln, vorzugsweise auf dem Wochenmarkt (auf dem Markt Ihrer Wahl).
- Man kann damit basteln (Kindergarten und Schule und privat).
- Man kann damit Kunst machen (siehe Beuys).
- Man kann damit eine Unterlage für Gipsarme machen (einfach mal ausprobieren).
- Man kann sie gegen Fettablagerung auf Küchenschränke legen (das weiß jede gute Hausfrau).
- Man kann daraus Möbel basteln (Kreativkurs).
- Man kann daraus zusammengerollt eine Selbstverteidigungswaffe machen (siehe Jackie Chan).
- Man kann investigativ durch die Zeitungslochtechnik recherchieren (James Bond).
- Man kann andere im Zug davon abhalten, ein Gespräch anzufangen (in allen Bahnen dieser Welt).
- Man kann damit wichtig aussehen, vor allem, wen man möglichst viele Bordexemplare auf einmal in allen Sprachen mit zum Platz nimmt.
- Man kann damit nasse Schuhe trocknen (Wanderer-Trick 1).
- Man kann damit auch im Wald – Sie wissen schon (Wanderer-Trick 2).
- Man kann damit den Kamin anzünden. (read it – then burn it- Prinzip)
- Man kann sich damit daten (die und die Zeitung unterm Arm).
- Man kann sie sammeln.
- Man kann Artikel aus ihr Ausschneiden (sehr beliebt bei Bürgermeistern und Gemeinderäten der Grünen).
- Man kann sich dahinter verstecken (auch den klügsten Kopf).
- Man kann unter Zugabe von Leim jeden Trabbi damit reparieren (fragen Sie Ossis).
- Man kann damit seinen Frust abbauen: Stichwort Wutkrumpeln (macht viel mehr Spaß als Wutbälle).
- Man kann die Wutkrumpel seinen Katzen zum Spielen geben (die haben auch Spaß damit).
- Man kann die Zeitung im Zug vergessen und hoffen, dass sich jemand anderes drüber freut (Danke an Phil, siehe Kommentare).
- Man kann sich aus der Zeitung ein Kleid basteln (Danke an Christian Lindner, Chefredakteur Rhein-Zeitung http://ht.ly/31TTj).
- Man kann damit seinen Hund erziehen (politisch vielleicht nicht ganz korrekt – danke an Paul J. Hahn).
- Man kann damit seinen Briefträger trainieren (erweiterter Vorschlag auf Arg. 31, Danke an Thomas).
- Man kann den Hund die Zeitung zerfetzen lassen und damit andere Schäden vermeiden (Danke an Thomas).
- Man kann daraus Buchstaben für Bekenner- und Erpresserschreiben ausschneiden (Danke an Michael Klems).
- Man kann sie kündigen und bei Abo-Neuabschluss ne Kaffeemaschine als Prämie bekommen.
- Man kann sie wunderbar als Unterlage beim Gemüseschälen verwenden (Danke an Karen Belghaus).
- Man dann sich daraus eine Narrenkappe basteln (besten Dank an Christian Lindner von der Rhein-Zeitung.)
- Man kann aus Zeitungen auch Brücken bauen (Japan). (Danke an Christoph von Gallera)
- Man kann Zeitungen als Türsturzfüllung verwenden (im eigenen Haus gefunden als Füllmaterial aus den 50-er Jahren). (Danke an Christoph von Gallera)
- Man kann mit einer Zeitung unterm Arm so tun, als wäre man gebildet. (Danke an Michi.)
- Man kann mit einer Zeitung politisch korrekt Geschenke einpacken. (Dank an Michi.)
- Man kann mit einer Zeitung Boxen ausstopfen. (Danke an Michi.)
- Zur Not kann man sie auch als Klopapier verwenden. (Danke an Michi.)
- Man kann mit einer Zeitung und Kleister hübsche Lampfenschirme basteln. (Danke an Michi.)
- Man kann mit der Zeitung auch „Langeweile“ überwinden und zunächst ein Zimmer damit tapezieren und dann erst alle „A“-Buchstaben, dann alle „B“ usw, einkringeln – vielleicht ein neuer Therapie-Ansatz? (Danke an Marietta)
- Man kann die Zeitung als Unterlage verwenden, damit man die Tischdecke nicht verkleckert. (Dank an Giesela S.)
- Man kann mit einer Zeitung (politisch korrekt) Geschenke einpacken. (Dank an Torsten S.)
Das sind jede Menge gute Gründe, die zeigen, wie vielfältig Zeitung ist oder sein kann – auch wenn viele sie für einfältig halten. Ob man sie auch noch lesen kann oder will, ist doch nun wirklich nur ein Grund unter vielen.
Und versuchen Sie mal einen der oben genannten Gründe mit Ihrem Notebook, Ihrem Handy- oder dem IPad… (naja, bis auf Grund 22, 40).
Sie sehen – die Qualität der guten alten Tante Zeitung ist einfach atemberaubend vielfältig.
Unglaublich ist auch ihr Beitrag zur Völkerverständigung – den überall auf der Welt, in allen Sprachen, mit allen politischen Hintergründen gelten alle Pro-Argumente überall gleich.
Und jetzt kommen Sie und zeigen mir auch nur ein einziges Produkt, ein einziges Kulturgut, das ähnlich vielfältig wie die Zeitung ist.
Sie werden keins finden – die Zeitung ist das Symbol für Vielfalt, für jedweden Nutzen. Oder?
Jetzt muss sich nur noch eine Zeitung finden, die mutig, humorvoll und selbstironisch genug ist, all diese positiven Eigenschaften zu bewerben.
Mal schauen, wer sich so alles um diese einzigartige Kampagne bewerben wird.
Sollte es so sein wie seit vielen Jahren, kopiert irgendjemand aus dem Internet die Idee sehr erfolgreich und die Zeitungen haben wieder das frustvolle Nachsehen.
Lehnen Sie sich auf, verehrte Zeitungsverleger. Geben Sie Gas. Seien Sie mutig.
Es lohnt sich.
Wenn Sie jetzt denken, dass Sie dafür nichts zahlen müssen, sind Sie schief gewickelt.
Gute Ideen haben immer ihren Preis – schlechte Zeitungen nicht.