Mannheim/Rhein-Neckar, 13. Oktober 2011 (red) Die aktuelle Ausstellung „Schädelkult“ im Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim beschäftigt sich mit einem obskuren Thema: Schädelkult. Tillmann Bross hat sich ein Bild und persönlich „einen Kopf“ um die Ausstellung gemacht.
Von Tillmann Bross
Etwas schaurig ist das schon. Was erwartet den gespannten Besucher in der Ausstellung? Wird das nicht mit Sicherheit befremdlich und eintönig sein, sich die Schädel vieler Menschen verschiedener Kulturen anzusehen?
Nein. Ist es nicht. Schließlich sind es ja Köpfe mit eigener Geschichte und, wenn man das so sagen kann, verschiedener Zubereitung. Genagelt, zerschlagen, geschrumpft, modelliert, in Reliquienschreinen aufbewahrt, mit Muscheln, Spiegeln, Haaren und Gravuren verziert. Und auch der Aufbau der Ausstellung gibt keinen Anlass zur Langeweile, ist doch der geordnete Gang durch die Kulturen ein sehr aufregender.
Sitz der Stärke und der Lebenskraft
Es beginnt mit einer Einführung zur Anatomie des menschlichen Schädels anhand von lebensgroßen Modellen zur Veranschaulichung. Dann steigt man direkt in die frühe Steinzeit ein und lernt, dass schon von Anbeginn der Zeit der Schädel eine übermenschliche Bedeutung hatte. Man sah in ihm den Sitz der Stärke und der Lebenskraft und er wurde als Siegestrophäe über einen besiegten Feind oder als Gesichtsmaske verwendet.
Die sogenannten „Ahnenschädel“, mit natürlichen Materialien nachgebildete Schädel, die die Gesichtszüge eines Ahnen darstellen sollten, waren als heilige Artefakte weit verbreitet.
Weiter geht-´s in die Bronzezeit. Hier waren Menschenopfer an Naturgottheiten häufig zu finden, ihre Schädel wurden als geweihtes Opfer auf Pfähle gesteckt. Oft wurden Teile des Schädels eines getöteten Feindes als Amulett zum Schutz gegen böse Mächte um den Hals getragen.
Fortschrittliche Eisenzeit, humane Ägypter und Feste bei Römern und Griechen
Die Eisenzeit war schon viel fortschrittlicher. Es wurden nun allein für die Ahnen Heiligtümer errichtet, worin sich die Ahnenschädel in Säulennischen befanden.
Recht human verhielten sich die Ägypter, die der Meinung waren, dass die Seele nur ins Jenseits gelangen könne, wenn Körper und Kopf eine Einheit waren.
Römer und Griechen sahen schon immer in Gebeinen eine Mahnung, dass auch sie sterblich waren, bei Gastmahlen wurden kleine Skelettmodelle herumgereicht, um die Gäste zu ermutigen, das Fest zu genießen.
Diese bereits sehr umfangreiche „Einführung“ in die Ausstellung dient dem Besucher zum Verständnis der folgenden Ausstellungsstücke. Schließlich ist nicht jeder mit der oftmals sehr skurril anmutenden Denkweise der ausgestellten Naturvölker vertraut.
Der sogenannte „Gang durch die Kulturen“ führt durch Afrika, berühmt für modellierte und mit Muscheln und Perlen reich verzierte Schädel, die als Überbleibsel von Kopfjagden aufbewahrt wurden. Und weiter durch Asien, wo die Hintergründe des Schädelkultes dieselben waren, nur dass sich die Verfahrensweisen, mit denen die Schädel behandelt werden, unterscheiden.
Fazit: Das Projekt ist ein sehr gut gelungen inszenierter Gang durch die Zeit, stellt verschiedene Religionen vor und birgt Fakten, die dem Besucher die Augen groß werden lassen.
Allein schon der Anblick der Schädel und die Frage, warum es trotz des vermeintlichen Tabus, sich mit aus heutiger Sicht unvorstellbar grausamen Ritualen auseinander zu setzen, so faszinierend und fesselnd ist, ist Grund genug, die Ausstellung „Schädelkult“ zu besuchen.
Man sollte nur nicht den Kopf verlieren… 😉
Anmerkung:
Tillmann Bross (17), ist Gymnasiast (12. Klasse) aus Bad Dürkheim und absolviert zur Zeit ein Kurzpraktikum beim Heddesheimblog.de.