Mannheim, 13. Juni 2015. (red/pro) Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (SPD) gilt als Favorit der aktuellen Oberbürgermeisterwahl. Doch gewonnen hat der Sozialdemokrat noch nicht. Die Stadt ist keine SPD-Hochburg mehr, die zerstrittene CDU allerdings auch keine Alternative. Die Mannheimer Liste hat mit Christopher Probst einen starken Kandidaten am Start und für Frust- und Protestwähler bietet sich Satire-Kandidat Christian Sommer an. Wird es für Dr. Kurz reichen oder geht der Wahlkampf in die Verlängerung?
Von Hardy Prothmann
Der Intellektuelle
Der amtierende Oberbürgermeister kämpft um seine Wiederwahl. Dutzende Veranstaltungen mit hochrangigen Gästen und Experten hat Dr. Peter Kurz hinter sich, noch mehr Vor-Ort-Termine, Diskussionen mit den zwei Mitbewerbern Peter Rosenberger (CDU) und Christopher Probst (Mannheimer Liste/Freie Wähler). Als die FDP einlädt, darf auch der Kandidat Christian Sommer (Die Partei) mitreden, der eigentlich eher als Spaßvogel firmiert. Wahlkämpfer Dr. Peter Kurz nimmt sie alle ernst. Aus gutem Grund: Keiner der drei Kandidaten kann mit ziemlicher Sicherheit allein gegen ihn gewinnen, aber alle zusammen könnten ihn den Sieg im ersten Wahlgang am 14. Juni kosten.
Dr. Peter Kurz ist kein Kumpeltyp, eher ein ernster Mann und will die zweite Amtszeit unbedingt. Der 52-Jährige hat seine Heimat bei der SPD und in Mannheim. Der Vater von zwei Kindern war schon Schülersprecher, später Stadtrat, dann promovierter Verwaltungsrichter in Karlsruhe, Kulturbürgermeister und seit 2007 ist er Oberbürgermeister. Damals gewann er im ersten Durchgang knapp mit 50,53 Prozent gegen den Karlsruher Bundestagsabgeordneten Ingo Wellenreuther (CDU), der mit 32,07 Prozent klar verloren hatte. Aber Dr. Peter Kurz hatte eben nur knapp gewonnen.
Der nette Schwiegersohn
Peter Rosenberger ist derzeit Oberbürgermeister der Kleinstadt Horb am Neckar. Zuvor war er Bürgerdienstleiter im Mannheimer Süden, wurde 2008 in Horb Erster Bürgermeister – mit nur einer Stimme Mehrheit im Gemeinderat. Als sein Amtsvorgänger Michael Theurer 2009 ins Europäische Parlament gewählt worden war, wurde Rosenberger ohne Gegenkandidat Verwaltungschef. Der 43-jährige hat drei kleine Kinder, gibt sich bodenständig, hat nach eigener Aussage „ganz klein angefangen“ und setzt auf Sicherheit und Ordnung. Und er leidet aktuell unter einer Mannheimer CDU, die einen parteiinternen Streit um ihre Schulden ausficht. Merkwürdig mutet auch an, dass er in Mannheim verkündet, er wolle gewinnen, seiner Heimatzeitung in Horb aber gesteht, bereits ein zweiter Wahlgang wäre ein schöner Erfolg.
Der Unternehmer
Christopher Probst (52) ist Stadtrat der Freien Wähler (Mannheimer Liste) und Unternehmer. Der Bankkaufmann ist Teilhaber eines mittelständigen Betriebs, der sich auf Rohrsanierungen spezialisiert hat. Er will sein „Herzblut für Mannheim“ geben, ohne „ideologische Scheuklappen“ agieren und er kommt bei den Leuten gut an, weil er authentisch wirkt. Sein Einsatz soll vor allem die Freien Wähler bekannter machen.
Der Spaßvogel
Auf Christian Sommer (50) müsste man nicht weiter eingehen – politisch ohne Erfahrung, ohne eine wesentliche Unterstützergruppe vor Ort, sieht man von seinem Spaßverein „Die Partei“ ab. Doch wenn der IT-Projektmanager die Chance für einen Auftritt bekommt, könnte man ihn für einen Kandidaten von Die Linke halten. Es deutet sich an, dass er hier Stimmen holen kann, weil er deren Themen besetzt. Auch bei Jugendlichen macht er Punkte.
Eigentlich hat sich Die Linke für Kurz ausgesprochen, aber ohne rechte Begeisterung. Auch die Grünen, die offiziell auf Kurz‘ Seite sind, taugen nicht als sichere Bank. Die Mehrheit des grünen Kreisverbands stimmte für ihn, aber nur knapp. Der linke Flügel hätte lieber einen grünen Kandidaten gehabt und übt oft und aus Überzeugung Kritik am Amtsinhaber.
Die SPD steht hinter Kurz – Grüne und Linke sind keine sichere Bank
Der aber braucht ihre Stimmen und jene der Linken, plus, selbstredend, jene der eigenen Leute. Würde man den Gemeinderat als „Abbild“ der Wählerverteilung sehen wollen, würde Dr. Peter Kurz exakt auf die Hälfte der Stimmen kommen – zu wenig, um von einem sicheren Sieg im ersten Wahlgang ausgehen zu können. Hinzu kommt die niedrige Wahlbeteiligung: 2007 lag sie bei 36,64 Prozent. Die Mobilisierung ihrer Klientel ist für alle Kandidaten eine Herausforderung.
Das Problem mit der Unterstützung hat auch CDU-Kandidat Rosenberger. Vor acht Jahren trommelten die Freien Wähler noch für den gemeinsamen Kandidaten Wellenreuther. Diese Stimmen fehlen Rosenberger jetzt und gehen an Christopher Probst. Die FDP hat sich nicht festgelegt, die AfD ebenfalls nicht. Und dann tobt in der CDU noch ein Streit um die Parteifinanzen, die gar nicht gut aussehen.
CDU im FinanZoff
2007 steckte die Mannheimer CDU 430.000 Euro in den Wellenreuther-Auftritt – es blieben Schulden von 150.000 Euro. Für Rosenberger setzt die Partei nur 95 000 Euro an, woraus zu schließen ist, dass der „Kronprinz“ des umstrittenen Mannheimer CDU-Chefs, Nikolas Löbel, weniger werthaltig zu sein scheint. Tatsächlich soll die CDU immer noch rund 100.000 Euro Schulden haben und finanziell aus dem letzten Loch pfeifen.
Trotzdem: Selbst wenn sich Rosenberger und Probst in den konservativen Lagern die Stimmen wegnehmen – das Ziel von Dr. Kurz, im ersten Wahlgang zu gewinnen, ist alles, nur nicht sicher. Das spiegelt auch die Sitzverteilung im Gemeinderat wider: SPD (13), CDU (12), Grüne (8), FW (4), AfD (4), FDP (2), Die Linke (2), MfM (1), NPD (1), parteiunabhängig (1). Das rot-grün-linke Lager kommt auf 23 (+1) von 48 Stimmen. Die beiden großen Parteien haben bei den Kommunalwahlen deutlich verloren. AfD-Wähler sind typischerweise keine CDU-Wähler mehr – wohin gehen diese Stimmen? Fühlen sich die FDP-Wähler eher zum Kandidaten Probst hingezogen?
Aber woraus Honig für einen Wahlkampf saugen? Vor Monaten gab es einen „Hygiene-Skandal“ am Universitätsklinikum Mannheim, dessen Aufsichtsratschef Dr. Peter Kurz ist. „Spiegel online“ und „Zeit online“ haben aktuell nochmals nachgelegt, mit angeblich neuen Missständen. Die Skandalisierung verpuffte, weil die CDU ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt, und das macht Angriffe ohne eigene Verluste schwierig.
Buga 23 – ist sie wirklich wahlentscheidend?
Und dann ist da noch die „Buga 23“, die Bundesgartenschau. Dr. Peter Kurz will über sie einen Grünzug Nordost in der Stadt auf dem Gelände der Spinelli-Barracks voranbringen. Kandidat Probst lehnt das entschieden ab, während Rosenberger eine Art Buga light verspricht und sich damit auch gegen die CDU-Fraktion positioniert. Tatsächlich können gut 500 Hektar Fläche, die nach dem Abzug der US-Truppen frei geworden sind, Mannheim zu einer der dynamischsten und interessantesten Städte in Deutschland machen – die Stadtentwicklung betreffend.
Doch die Kommune scheint gespalten. 2013 votierte eine hauchdünne Mehrheit in einem Bürgerentscheid für eine Buga. Seitdem befeuert vor allem die lokale Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ die Debatte, stramm dagegen, wenn man nur das Verhältnis der Leserbriefe betrachtet, wie wir in einer aufwendigen Recherche belegen konnten. Vor allem Wutrentner bringen sich in Stellung. Aber auch die Zeitungsleute selbst, deren Berichterstattung fast vollständig gegen die Buga und gegen Oberbürgermeister Dr. Kurz gerichtet ist. Da treffen sie sich mit der Linken und nicht wenigen Grünen.
Richtungswahl
Von politischen Mehrheiten sind die Mannheimer also weit entfernt, weder im rot-grünen noch im bürgerlichen Lager zeichnen sie sich ab. Aber genau diese Mehrheiten bräuchte die Stadt, weil die Projekte der kommenden Jahre gewaltig sind: Von der Konversion über die Buga, von den Planungen der Bahn für eine neue Trasse Frankfurt-Stuttgart bis zu notwendigen Sanierungen infrastruktureller Einrichtungen wie Schulen oder Nationaltheater mit Kosten in Höhe von hunderten Millionen Euro.
Der erste Wahlgang am 14. Juni wird zumindest ein Signal dafür sein, wohin die Reise geht.
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