Mannheim, 13. Juli 2016. (red/ms) Die Debatte um mögliche Standorte für Windkraftanlagen in Mannheim sorgt für Konflikte. Der Ausschuss für Umwelt und Technik zeigte sich in seiner vergangenen Sitzung wieder gespalten. Als mögliche Fläche kommt nach Prüfung der Behörden nur noch ein Randgebiet des Käfertaler Walds in Betracht – doch es gibt großen Widerstand gegen Windräder im Naherholungsgebiet. Durch Vorgaben der Landespolitik gerät die Stadt in ein Dilemma und eine absurde Situation entsteht.
Von Minh Schredle
Die Ausgangslage ist mehr als verzwickt: In Paris einigt sich die Weltpolitik auf Ziele zum Klimaschutz, in Deutschland schaffen Bund und Länder Rechtslagen, die den Umstieg auf regenerative und umweltfreundliche Energieerzeugung ermöglichen sollen.
Auch in Baden-Württemberg soll verstärkt auf Windkraft gesetzt werden und alle Regionen sollen ihren Teil zum grünen Energiemix beitragen. Was grundsätzlich gerecht klingt, führt in der Ausgestaltung vor Ort teils zu Resultaten, die der Bevölkerung kaum noch zu vermitteln sind.
Gemeinsame Standards
Der Nachbarschaftsverband Mannheim-Heidelberg, der neben den Städten noch 16 weitere Kommunen vertritt, soll sich darauf einigen, wo der Bau von Windkraftanlagen in der Region grundsätzlich zulässig sind.
Dabei gibt es gesetzliche Vorschriften seitens der Landespolitik und Festlegungen, auf die man sich gemeinsam in der Versammlung geeinigt hat – etwa dass der Mindestabstand einer Windkraftanlage zur nächsten Wohnbebauung 1.000 Meter betragen soll.
Diese gemeinsamen Festlegungen gelten für alle Kommunen im Nachbarschaftsverband verbindlich. Die Flächen, die eine Gemeinde oder Stadt für eine mögliche Bebauung ausweisen kann, sind also von vornherein beschränkt. Hinzukommen weitere Einschränkungen: Behörden können weitere Einschränkungen aussprechen – etwa wenn ein 200 Meter hohes Windrad den Luftverkehr beeinträchtigen könnten.
Potenzielle Flächen überschaubar
Nach all diesen Einschränkungen sind die Flächen, die Mannheim für eine Bebauung ausweisen könnte, mehr als überschaubar: Lediglich ein Randgebiet des Käfertaler Waldes verbleibt nach Angaben der Verwaltung, auf dem künftig die Bebauung von Windkraftanlagen grundsätzlich zulässig wäre. Es träfe also ausgerechnet ein Naherholungsgebiet im Mannheimer Norden, der ohnehin schon sehr dicht besiedelt und stark belastet ist.
Der Widerstand gegen Windräder im Käfertaler Wald ist aus naheliegenden Gründen groß. Auch in der Mannheimer Kommunalpolitik scheint sich kein Stadtrat ernsthaft zu wünschen, dass dort Windräder entstehen – trotzdem sind die Positionen, die die verschiedenen Fraktionen und Gruppierungen einnehmen, teils extrem gegenläufig.
Die CDU, die Mannheimer Liste, die Alfa-Gruppe und die FDP haben sich am vergangenen Dienstag wiederholt und vehement dagegen ausgesprochen, eine Bebauung im Randgebiet des Käfertaler Walds auch nur grundsätzlich zuzulassen – ob überhaupt tatsächlich gebaut werden würde, ist eine ganz andere Frage.
Niemand bleibt außen vor
Wenn sich Mannheim allerdings dazu entscheiden sollte, auf überhaupt keiner Fläche den Bau von Windkraftanlagen zuzulassen, würde das für Konflikte im Nachbarschaftsverband sorgen. Baubürgermeister Lothar Quast (SPD) sagt dazu klipp und klar:
Das würde man uns nicht einfach so durchgehen lassen, wie verschiedene Bürgermeisterkollegen sehr deutlich gemacht haben.
Denn an der Bergstraße und in Heidelberg gebe es sehr ähnliche Konfliktlagen: Niemand wolle Windkraftanlagen im Naherholungsgebiet. Das große Problem: Wenn der Nachbarschaftsverband sich nicht darauf einigen können sollte, überhaupt irgendwelche Flächen auszuweisen, wäre die Bebauung grundsätzlich überall möglich und die Städte und Kommunen hätten keine Steuerungsmöglichkeiten mehr.
Absprachen ohne Absprache
Insbesondere seitens der Grünen wurde außerdem betont, dass man sich im Nachbarschaftsverband darauf geeinigt habe, dass kein Akteur einfach außen vor bleiben dürfe. Sowohl in Mannheim und Heidelberg als auch in den 16 verbleibenden Gemeinden rund um die Bergstraße müssten Flächen ausgewiesen werden. Dies sei auch eine Frage der Solidarität und Verantwortung. Thomas Trüper (Die Linke) und Dirk Grunert (Grüne) betonten beide, man müsse sich so schnell wie möglich von Atom- und Kohlestrom abwenden.
Wie Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert (CDU) dazu anmerkte, sei diese Vereinbarung allerdings nur im Nachbarschaftsverband und ohne Zustimmung des Gemeinderats getroffen worden – und als Gemeinderat der Stadt Mannheim stehe man zu allererst in der Verantwortung, sich um die Interessen der Mannheimer Bevölkerung zu kümmern.
Unklare Positionierung der SPD
Für Kontroverse sorgte in der Sitzung auch die unklare Positionierung der SPD Mannheim: Erst am siebten Juli gab der Kreisverband eine Pressemitteilung heraus, die den Landtagsabgeordneten Dr. Stefan Fulst-Blei, zuständig für den Mannheimer Norden, folgendermaßen zitiert:
Es macht keinen Sinn hier (Anm. d. Red.: Im Käfertaler Wald) Windräder zu installieren. Zum einen muss die Wirtschaftlichkeit bezweifelt werden und zum anderen geht es um den Erhalt des Naherholungsgebietes. Immerhin besuchen an schönen Wochenenden über 20.000 Menschen den Karlstern und seine Umgebung.
Dazu führt der SPD-Kreisvorsitzende Wolfgang Katzmarek weiter aus, der Karlstern und der Käfertaler Wald würden von vielen Menschen insbesondere Familien und Kindern, zur Naherholung gebraucht und genutzt:
Windenergieanlagen an den bisher vorgesehenen Standorten würden diese Erholung nicht nur stören, sondern würden auch starke Eingriffe in die Natur nach sich ziehen.
Ralf Eisenhauer, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat, plädierte hingegen mit Nachdruck dafür, die Flächen im Käfertaler Wald auszuweisen. Man müsse sich hier die Frage der Gesamtverantwortung stellen.
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Solidarität – aber mit wem? Und wie viel?
Das sorgte für großen Unmut – denn nicht nur unterstellte Herr Eisenhauer zumindest indirekt allen, die gegen die Verwaltungsvorlage stimmen würden, Verantwortungslosigkeit. Auch die ambivalente Ausrichtung seiner Partei sorgte für Kritik. So hielt ihm FDP-Stadtrat Volker Beisel die Zitate seiner Parteikollegen vor und kommentierte:
Sie wissen ja offensichtlich in ihren eigenen Reihen nicht, was Sie wollen.
Auch andere Stadträte verteidigten sich gegen den Vorwurf der Verantwortungslosigkeit. Bei Fragen nach Verantwortung stelle sich immer auch die Frage: „Verantwortung gegenüber wem“, sagte Christopher Probst (Mannheimer Liste):
Mannheim tut bereits sehr viel für die Region, nicht nur was die Energieversorgung angeht. Windkraftanlagen im Käfertaler Wald sind völliger Unsinn. Es gibt in der Region andere Flächen, die viel besser geeignet wären. Aber wir sollen jetzt aus Solidarität Windräder in eines der wichtigsten Naherholungsgebiete bauen, damit andere weiter schön im Grünen wohnen können?
Herr Eisenhauer hatte in seiner Stellungnahme angeführt, dass es gar nicht sicher sei, ob wirklich Windräder gebaut werden würden, nur weil das rechtlich grundsätzlich zulässig wäre. Der Standort sei wenig effizient, außerdem handle es sich bei den Flächen nicht um private Grundstücke, sondern städtische. Man könnte also wahrscheinlich weitere Vorgaben treffen, um den Bau zu verhindern. Darauf nahm Rebekka Schmitt-Illert Bezug:
Es ist genauso eine Verhinderungsplanung, wenn wir als Region nur unwirtschaftliche Flächen ausweisen und gleichzeitig besser geeignete zurückhalten. Kann man da noch von Solidarität und Gesamtverantwortung sprechen?
Letztendlich kam es nicht zu einer Abstimmung – Stadtrat Eisenhauer beantragte die Hebung in den Gemeinderat, wo nun erneut diskutiert und beraten werden soll. Im Ausschuss für Umwelt und Technik zeichnete sich zuvor ab, dass bei Gegenstimmen von CDU, Mannheimer Liste, ALFA und FDP keine Mehrheit für den Vorschlag der Verwaltung zustande kommen würde und das Gremium somit ein negatives Votum ausgesprochen hätte.
Absurde Lage
Insgesamt ist das komplexe Thema Windkraft nur sehr schwierig zu vermitteln – die Rechtslage bringt (nicht nur) die Stadt Mannheim in ein Dilemma. Denn nach sorgfältiger Prüfung der Verwaltung ist der offenbar ziemlich eindeutige Befund, dass Windkraftanlagen eigentlich nirgendwo in Mannheim wirklich Sinn machen. Nun trifft es womöglich ein Naherholungsgebiet. Umweltschutz und Klimaschutz stehen sich diametral gegenüber – da soll noch einer verstehen.
Anderen Gemeinden und Kommunen geht es ähnlich. Dennoch sind sie dazu verpflichtet, Flächen auszuweisen oder eine völlig unkontrollierbare Bebauung in Kauf nehmen müssen. Stadtrat Volker Beisel kommentierte in der Sitzung, dass an der Energiewende kein Weg vorbeiführe und alle Akteure Verantwortung übernehmen müssten – deshalb solle man aber nicht ohne Sinn und Verstand überall Windkraftanlagen bauen und selbst dort, wo es sich nicht lohne.
Aus Sicht der Redaktion gleicht das Prozedere einer Farce: Entweder weist Mannheim gar keine Flächen aus und leistet somit keinen Beitrag zur Energiewende. Oder Mannheim weist notgedrungen Flächen aus, auf denen sich Windkraft nicht lohnt und setzt alles daran, dass diese Flächen nicht bebaut werden – und leistet somit ebenfalls keinen wirklichen Beitrag zur Energiewende. Der Stadt kann man aber kaum einen Vorwurf machen: Denn offenbar gibt es ganz einfach keine geeigneten Flächen in Mannheim.
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