Stuttgart/Rhein-Neckar, 13. Oktober 2016. (red/cr) Seit dem 05. September gilt in Baden-Württemberg die Wohnsitzauflage, die anerkannten Asylbewerbern eine Kommune zuweist. Eigentlich. Denn konkret umgesetzt wird sie in der Region noch nicht wirklich. Unter anderem weil unklar ist, wie man kontrollieren soll, ob jemand wirklich an der Adresse wohnt, die er angibt. Und offenbar gilt die Vereinbarung nicht mehr, dass Mannheim als LEA-Standort keine zusätzlichen Flüchtlinge aufnehmen muss.
Von Christin Rudolph
Das baden-württembergische Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration hatte am 05. September verkündet:
Die Umsetzung der bundesrechtlich eröffneten Möglichkeit, eine Wohnsitzauflage für schutzberechtigte Ausländer zu erlassen, erfolgt in Baden-Württemberg jetzt zeitnah. Seit heute werden die Ausländerbehörden über die Vorgaben des Innenministeriums informiert.
Der Titel der Mitteilung: “Wohnsitzauflage wird konsequent umgesetzt”. Konsequent umgesetzt wird davon jedoch aktuell eher wenig.
Ein Wohnort für drei Jahre
Das am 06. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz des Bundes enthält eine “Regelung zur Steuerung der Wohnsitznahme von Schutzberechtigten”.
Demnach muss ein “Schutzberechtigter”, also in diesem Falle ein anerkannter Asylbewerber, sich einen Wohnsitz innerhalb des Bundeslandes nehmen, in dem er vor seiner Anerkennung untergebracht war.
Das Integrationsgesetz stellt den Bundesländern frei, ob sie zusätzlich einen bestimmten Stadt- oder Landkreis innerhalb des Bundeslandes zuweisen, eine sogenannte Wohnsitzauflage.
Ghettos vermeiden
Durch diese Zuweisung eines konkreten Wohnortes für die folgenden drei Jahre sollen einerseits Ghettos vermieden werden, in denen sich Angehörige einer bestimmten Ethnie von der restlichen Bevölkerung isolieren.
Andererseits befürchtet man, dass sich die Menschen ohne Regulierung vor allem in den Ballungsgebieten ansiedeln. Das würde dazu führen, dass Infrastrukturen wie Wohnungen aber zum Beispiel Sprachkurse in Städten knapp werden während sie in ländlicheren Gebieten ungenutzt bleiben.
Daher sollen die Regierungspräsidien, im Falle der Rhein-Neckar-Region das Regierungspräsidium Karlsruhe, die Anzahl der anerkannten Asylbewerber auf die Stadt- und Landkreise verteilen.
Prozentuale Verteilung
Wie viele Personen individuell zugewiesen werden, errechnet sich nach der Einwohnerzahl:
Je größer der Anteil an der Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs, desto mehr Personen werden zugewiesen. In der Regel werden die anerkannten Asylbewerber der Kommune zugewiesen, in der sie bereits vor ihrer Anerkennung gelebt haben.
Auf Nachfrage bestätigte eine Sprecherin des Innenministeriums, dass bei der Verteilung Personen aus der vorläufigen Unterbringung nicht berücksichtigt werden.
Auch Mannheim nicht ausgeschlossen
Die Verteilung erfolgt also unabhängig davon, ob eine Kommune bereits Asylbewerber vorläufig untergebracht hat wie zum Beispiel Mannheim oder Heidelberg.
Das gelte ab sofort – also seit dem 05. September. Was passiert, wenn sich jemand nicht an die Wohnsitzauflage hält?
Innenminister Thomas Strobl (CDU) wird dazu in der Mitteilung des Innenministeriums zitiert:
Wer einer Wohnsitzauflage nicht Folge leistet, muss wissen, dass er nur an dem Ort, der ihm zugewiesen wurde, Sozialleistungen bekommen kann. Das heißt im Umkehrschluss: An jedem anderen Ort als dem zugewiesenen gibt es keine Sozialleistungen mehr! Die Erfahrung zeigt, dass damit ein wirksames Instrument geschaffen wird.
“Dafür sind wir nicht zuständig.”
Soweit die Theorie des Innenministeriums. Aber wie genau soll kontrolliert werden, ob eine Person auch tatsächlich dort wohnt, wo sie ihren Wohnsitz angibt?
Das konnte die Sprecherin des Innenministeriums nicht erklären – denn das ist nicht die Aufgabe des Innenministeriums.
Sondern die der Unteren Ausländerbehörden, wo der Antrag auf Sozialleistungen gestellt werden muss. Die Nachfrage beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis ergibt jedoch: Die wissen es selbst nicht genau.
Umsetzung läuft noch an
Denn konkret umgesetzt wird die Wohnsitzauflage zumindest in der Region noch nicht.
Eine Sprecherin des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis erklärte, das Landratsamt habe zwar als Untere Flüchtlingsaufnahmebehörde vom Land Informationen über den Beschluss bekommen.
Wann der Beschluss jedoch vollständig umgesetzt wird, ist noch unklar. Das Landratsamt hat nach eigenen Angaben seit dem 05. September “sehr wenige” anerkannte Asylbewerber einzelnen Kommunen innerhalb des Kreises zugeteilt.
Wie kontrolliert man das?
Ob sich die Zugeteilten auch an die Auflage halten, wurde noch nicht kontrolliert. Wie solche Kontrollen konkret aussehen ist den Mitarbeitern des Landratsamtes nicht klar. Praktische Erfahrungen gibt es keine.
Der Stadt Mannheim wurden vom Regierungspräsidium noch keine Personen zugeteilt – zumindest nicht direkt.
Lediglich 20 Personen, nämlich zwölf Erwachsene und acht Kinder, bekamen nach städtischen Angaben eine vorläufige Wohnsitzauflage für BEA-Einrichtungen auf Franklin und Spinelli.
Fragen über Fragen
Es werde derzeit geprüft, ob hier Sozialleistungen durch die Stadt gezahlt werden müssen. Eigentlich gab es zwischen dem Land und der Stadt Mannheim eine Vereinbarung:
Wegen der LEA-Außenstelle in Mannheim und der Belegung von Benjamin Franklin sowie der großen Zahl Südosteuropäer war die Stadt Mannheim bislang von Zuweisungen des Landes befreit.
Ob diese Regelung weiterhin besteht, ist unklar. Das wird sich vermutlich spätestens zeigen, wenn den Worten von “ab sofort” und “zeitnah” eine konkrete Umsetzung folgt.