Heidelberg/Stuttgart/Rhein-Neckar, 12. September 2015. (red/pro) Mindestens drei Personen mit rechtsradikalem Hintergrund waren kurzfristig im Wachdienst auf Patrick Henry Village Heidelberg tätig. Wie konnte das passieren? Wir haben dem Regierungspräsidium Karlsruhe dazu einen umfassenden Fragenkatalog vorgelegt – zwar dauerte die Antwort einige Tage, dafür wurde aber umfassend geantwortet. Hintergrund: Uns liegen detaillierte Informationen über Vorfälle in der Flüchtlingsunterkunft vor, die teils unhaltbare Zustände aufzeigen. Die Antwort der Behörde bewerten wir als positiv, den Sachverhalt für die Öffentlichkeit nachvollziehbar darzustellen, da Hintergründe angesprochen werden, die wir nicht explizit angesprochen haben, zu denen uns aber ebenfalls Informationen vorliegen.
Vorbemerkung: Dieser Artikel dokumentiert, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe vollumgänglich über Probleme und Verfehlungen durch Wachdienstpersonal informiert ist. Aber ebenso, dass der enorme Andrang von Flüchtlingen fast zwangsläufig immer wieder zu Problemen führt, die nach unserem Eindruck mit hoher Energie gelöst werden sollen. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass es weiterhin zu teils massiven Problemen kommen wird, weil eine “planmäßige” Erfüllung von Aufgaben aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. Beispiel Wachpersonal und Sozialarbeiter – hier ist der Arbeitsmarkt offenbar “leer gefegt”, so dass es immer schwieriger wird, qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Der stärkste Druck ergibt sich durch fehlenden Wohnraum für die weitere stark wachsende Zahl der ins Land kommenden Flüchtlinge. Weitere Herausforderungen ergeben sich in der Folge natürlich für Polizei, Gesundheitsfürsorge und auch die Umsetzung der Schulpflicht für die Flüchtlingskinder. Möglicherweise ist aber auch die Aufgabenverteilung innerhalb der Landesregierung problematisch: Zuständig für den Betrieb der Landeserstaufnahmeeinrichtungen sind die Regierungspräsidien, die dem Innenministerium unterstehen. Hier hat das oft gescholtene Integrationsministerium keinen Einfluss. – Die Redaktion –
Kostenloser Journalismus?
Sie können unsere Artikel kostenfrei lesen – unsere Arbeit ist aber nicht kostenlos. Ganz im Gegenteil. Wir unterhalten ein Büro, Infrastruktur und bezahlen unsere Mitarbeiter, die mit hohem Aufwand bestmöglich Informationen recherchieren und diese für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, aufbereiten und einordnen. Einen Teil unserer Einnahmen erzielen wir über Werbung. Wenn Sie diese Arbeit schätzen, freuen wir uns über Ihre persönliche finanzielle Unterstützung nach Ihren Möglichkeiten. Wir freuen uns auch, wenn Sie andere darauf aufmerksam machen. Hier geht es zum Förderkreis.
Seit wann ist dem Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) bekannt, dass die in PHV eingesetzten Sicherheitsdienstmitarbeiter durch das Tragen mutmaßlich rechtsradikaler Symbole auffällig wurden?
RP: In der BEA Heidelberg findet ein wöchentlicher Jour-Fix des Betreiberunternehmens, des Sicherheitsdienstes, der Polizei und des Regierungspräsidiums statt. Zudem befindet sich eine Sonderwache des Polizeireviers Heidelberg-Süd vor Ort. Soweit konkrete und nachweisbare Hinweise gegen einen auch namentlich genannten Sicherheitsmitarbeiter vorlagen, wurde die Geschäftsleitung des beauftragten Sicherheitsdienstes unverzüglich aufgefordert den Betroffenen aus der Einrichtung zu entfernen. Soweit die Polizei entsprechend Kenntnisse erlangt hat, kann eine Rücksprache auch unmittelbar zwischen Polizei und Sicherheitsdienst erfolgt sein.
Unterbesetzter Sicherheitsdienst
Welche Informationen liegen dem RP vor, dass es zu Pöbeleien und Handgreiflichkeiten durch Sicherheitspersonal gegenüber Flüchtlingen gekommen ist?
RP: European Homecare (EHC) hat entsprechende Vorwürfe wiederholt im Sicherheits-Jour-Fix vorgetragen. Auf Nachfrage konnten die Vorwürfe seitens EHC mehrheitlich jedoch keinen konkreten Sicherheitsmitarbeitern zugeordnet werden. Soweit ein Vorwurf einem konkreten Sicherheitsmitarbeiter zugeordnet werden konnte, wurde diesem seitens der Polizei nachgegangen. Nachdem festgestellt wurde, dass hauptsächlich bei dem in der Nachtschicht eingesetzten Subunternehmen Probleme auftraten, wurde auf Forderung des Regierungspräsidiums ab dem 13.04.2015 ein Schichtleiter des Hauptunternehmens eingesetzt.
_____________________
Lesetipp: Das Flüchtlingslager in Sinsheim wird am Montag aufgelöst
“Regierungspräsidium planlos – wohin mit 1.500 Menschen?”
_____________________
Welche Informationen hat das RP inwieweit der Security-Dienstleister die erforderliche Mitarbeiterzahl vor Ort bereitstellt?
RP: Dem Regierungspräsidium ist bekannt, dass die vorgegebene Anzahl von Sicherheitsmitarbeitern teilweise aufgrund von Krankheit, Urlaub, etc. unterschritten wurde. Diese Problematik wurde bei einem Gespräch zwischen Geschäftsleitung des Sicherheitsdienstes und Regierungspräsidium thematisiert. Dem Sicherheitsdienst wurde aufgetragen täglich namensscharfe Schichtpläne vorzulegen und unverzüglich zu melden, falls die erforderliche Personalstärke unterschritten wird.
Welche Informationen liegen dem RP vor, was Auffälligkeiten in Zusammenhang mit der Security angeht, inbesondere Vermüllung, Sachbeschädigung, Essensausgabe?
RP: Es gab einen einmaligen Hinweis auf die Vermüllung eines Raumes durch Sicherheitsmitarbeiter der Nachtschicht, die jedoch keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden konnte. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist diesem Hinweis nachgegangen und hat die Verantwortlichen des Sicherheitsdienstes diesbezüglich belehrt. Ferner wurde für die Nachtschicht ein Schichtleiter des Hauptunternehmens eingesetzt und der Verantwortliche des Subunternehmens abgelöst.
Es ist in der Tat zu einer Beschädigung einer Trockenbauwand durch zwei Sicherheitsmitarbeiter der Nachtschicht gekommen, die jedoch im Wege von Umbauarbeiten ohnehin entfernt werden musste, so dass auf eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verzichtet wurde. Auch im Hinblick auf diesen Vorfall wurde der Schichtleiter des Hauptunternehmens eingesetzt.
Nachdem das Regierungspräsidium einen Hinweis erhalten hat, dass das Personal der vor Ort tätigen Dienstleister teilweise ebenfalls an der Flüchtlingsverpflegung teilnimmt, wurden sämtliche Dienstleister im Jour-Fix zunächst mündlich belehrt und im Nachgang eine schriftliche Anweisung an alle Dienstleister versandt.
Sexuelle Belästigung, fehlende Kontrollen
Welche Informationen hat das RP, was die Überwachung und Einhaltung von Brandschutzmaßnahmen angeht?
RP: Der organisatorische Brandschutz obliegt der Betreibergesellschaft EHC im Rahmen der Hausbetreuung und dem Sicherheitsdienst (z.B. Kontrollgänge im Hinblick auf Brandschutz, Erstmaßnahmen bei Brandalarmen, etc.). Laut Betreiber werden laufend Räumungsübungen durchgeführt. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes haben unlängst eine zusätzliche Brandschutzhelferausbildung erhalten.
Welche Informationen liegen dem RP vor, dass Mitglieder des Wachpersonals Lagerbewohnerinnen zu Sex gegen Geld aufgefordert haben?
RP: Der Vorfall wurde seitens des Sicherheitsunternehmens selbst angezeigt und der Betroffene wurde aus der Einrichtung verwiesen.
Welche Informationen hat das RP, was den Aufenthalt von nicht-berechtigten Personen in PHV angeht?
RP: Für die Einrichtung besteht ein generelles Besuchsverbot. Es gab Hinweise darauf, dass die Einlasskontrollen teilweise nicht auftragsgemäß durchgeführt worden sind. Das Sicherheitsunternehmen wurde dazu aufgefordert, die Einlasskontrollen konsequenter durchzuführen.
Welche Informationen hat das RP, was die Kontrolle der Zimmer und die Begleitung von Personal von EHC durch den Wachdienst angeht?
RP: Bei einem der letzten Jour Fix wurde angesprochen, dass die Security die EHC-Mitarbeiter nicht begleitet. Ebenso gab es in der Vergangenheit aber auch Vorwürfe seitens der Security, dass EHC-Mitarbeiter bewusst ohne Begleitung durch den Sicherheitsdienst die Unterkünfte betreten. Belehrung der Dienstleister im Jour Fix ist mündlich erfolgt.
Ethnische Spannungen
In welcher Form und in welchen Intervallen überprüft das RP die Mitarbeiter des Wachpersonals?
RP: Nach der Bewachungsverordnung sind die Sicherheitsmitarbeiter vor deren Einsatz zunächst durch das Sicherheitsunternehmen der zuständigen Behörde unter Übersendung des Nachweises der Eignungsvoraussetzungen und der erforderlichen Unterlagen zu melden. Diese prüft sodann, ob die gemeldeten Personen durch das Sicherheitsunternehmen mit Bewachungsaufgaben betraut werden darf. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit holt die Behörde ebenfalls eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister ein. Insoweit ist allerdings festzuhalten, dass diese Überprüfung nicht durch das Regierungspräsidium erfolgt, sondern vielmehr durch die zuständigen Gewerbebehörden am Sitz des Unternehmens.
Anlässlich der Übergriffe auf Flüchtlingsheime in Nordrhein-Westfalen im vergangen Jahr hat das Regierungspräsidium Karlsruhe alle beauftragten Sicherheitsunternehmen angeschrieben und um Bestätigung gebeten, dass die vertraglich vereinbarten Standards eingehalten werden. Ferner wurde in diesem Schreiben die Übersendung eines täglichen Sicherheitsberichtes angefordert und darauf hingewiesen, dass bei Vorkommnissen mit Gewaltanwendung zusätzlich die örtliche Polizeidienststelle informiert werden muss. Außerdem wurden Namenslisten des in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Regierungsbezirks Karlsruhe tätigen Sicherheitspersonals angefordert. Zudem wurde um Bestätigung gebeten, dass die beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittels Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses durch die Sicherheitsunternehmen überprüft worden sind. Diese Anforderungen wurden von allen beauftragten Unternehmen erfüllt.
Anknüpfend an das erste Schreiben wurde im April dieses Jahres ein weiteres Schreiben an die Sicherheitsunternehmen versandt, in dem die beauftragten Sicherheitsfirmen dazu aufgerufen wurden durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich in den Reihen der privaten Sicherheitskräfte keine Personen mit ausländerfeindlichem oder rechtsextremem Hintergrund befinden.
Alle Unternehmen wurden dazu aufgefordert im Falle der Kenntniserlangung von Umständen, die darauf schließen lassen, dass einzelne MitarbeiterInnen ihre Aufgaben nicht im Interesse der untergebrachten Flüchtlinge wahrnehmen, umgehend die Landeserstaufnahmeeinrichtung zu informieren und hierauf rechtzeitig mit angemessenen Mitteln, z.B. durch einen entsprechenden Personaltausch, zu reagieren. Zudem wurde gefordert, dass bereits bei der Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein besonderes Augenmerk auf die Geeignetheit der Bewerberinnen und Bewerber und deren soziale Kompetenzen für den Einsatz speziell in der Flüchtlingsunterbringung gelegt werden soll.
Im Übrigen steht die Erstaufnahmeeinrichtung in engem Kontakt zu den Polizeibehörden. Soweit im Einzelfall Verdachtsmomente gegen einzelne Personen bekannt werden, werden umgehend die gebotenen Maßnahmen eingeleitet.
Welchen Zusammenhang sieht das RP zwischen den häufigen Krawallen und den mutmaßlichen Verfehlungen des Wachdienstes?
RP: Soweit davon ausgegangen wird, dass die Auseinandersetzungen in der BEA Heidelberg mit einem Fehlverhalten des Sicherheitsdienstes begründet werden können, geht diese Annahme fehl. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die BEA Heidelberg aufgrund nochmals massiv gestiegener Zugangszahlen weit über die Kapazitätsgrenzen hinaus überbelegt werden musste, um eine Obdachlosigkeit der neuankommenden Flüchtlinge zu vermeiden. Beim Zusammentreffen von Menschen unterschiedlichster Religionen und Ethnien auf begrenztem Raum und einem ständigen Austausch der Bewohner bleiben Spannungen nicht aus. Der Sicherheitsdienst hat die Aufgabe diese zweifelsohne schwierige Situation zu kontrollieren.
Welche Maßnahmen plant das RP in Sachen Wachdienst auf dem PHV?
RP: Das beauftragte Sicherheitsunternehmen wurde zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Derzeit wird geprüft, welche Maßnahmen getroffen werden können.
Sind die Probleme nur auf das PHV beschränkt oder auch an anderen Standorten bekannt?
RP: In Anbetracht der aktuellen Überbelegung aller Einrichtungen kommt es auch in anderen Einrichtungen zu Spannungen.
Bis wann sollen die Maßnahmen umgesetzt sein?
RP: Schnellstmöglich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.