Mannheim/Rhein-Neckar, 12. Mai 2014. (red/hp) Der Mannheimer SPD-Spitzenkandidat Rolf Eisenhauer wirft der Alternative für Deutschland (AfD) „Nazi-Propaganda“ vor, schreibt der Mannheimer Morgen. Das stimmt sogar – ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich hat der SPD-Spitzenkandidat den Lokalchef Dirk Lübke angeschrieben, um Kritik an der Berichterstattung zu üben: „Ich bin betroffen von dieser unkommentierten Wiedergabe in Ihrer Tageszeitung.“ Das schreibt die Zeitung natürlich nicht. Rheinneckarblog-Chefredakteur Hardy Prothmann meint: „Wenn Politiker und Medien nur noch populistisch agieren, muss sich niemand wundern, wenn als Ergebnis ein Ruck nach rechts rauskommt.“
Von Hardy Prothmann
Der Mannheimer Morgen berichtet am Samstag unter der Überschrift: „SPD: AfD macht Nazi-Propaganda, KOMMUNALWAHL: Wortwahl fordert scharfe Kritik heraus“ über ein Schreiben des SPD-Spitzenkandidaten Rolf Eisenhauer an die Zeitung (Anm. D. Red.: Am Ende des Artikels im Original dokumentiert):
Die Sozialdemokraten kritisierten das von der AfD genutzte Wort „Altparteien“ sowie die Begriffe „Eingeborene schützen“ und „Selektion bei der Zuwanderung“. In einem Schreiben an unsere Zeitung nannte die SPD das „nationalsozialistische Propaganda“,
schreibt der Leiter der Lokalredaktion, Dirk Lübke. Was der Journalist nicht schreibt und den MM-Lesern vorenthält: Tatsächlich kritisiert Rolf Eisenhauer die unkommentierte Wiedergabe von Zitaten von AfD-Politikern in der Zeitung und fordert die den verantwortlichen Chefredakteur Lübke auf:
Ich bitte Sie bei Ihrer ku?nftigen Berichterstattung um Beachtung meiner Hinweise zum Schutz unserer gemeinsamen demokratischen Grundwerte.
Außerdem bittet er um eine Stellungnahme durch Herrn Lübke, die bis heute nicht bei der SPD eingetroffen ist. Dafür hat sich der neue Lokalchef Dirk Lübke die Hände gerieben und die Beschwerde über die eigene Berichterstattung reichlich dreist und ausschließlich in eine „scharfe Kritik“ der SPD an der AfD umgeschrieben.
Aufgepumpte Provokation als journalistische Methode
Bei Dirk Lübke hat die journalistisch aufgepumpte Provokation Methode. Als stellvertretender Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen scheute sich Lübke auch nicht, Wahlpropaganda der NPD zu veröffentlichen. Auf die Kritik antwortete er gegenüber dem stern:
Wir haben diesen Positionen – wie auch denen von sechs anderen kleinen Parteien in Thüringen – einmal in der Zeitung Platz geben wollen. In 35 Zeilen pro Partei.
Der Bürger sei nach Auffassung Lübkes „mündig genug“, die NPD-Parolen einzuordnen. Das war vor einem Jahr. Bei der letzten Landtagswahl verschafften mündige Bürger der NPD 4,3 Prozent – der Einzug ins Parlament war nur knapp gescheitert.
Lübke gibt den Affen Zucker
Auch in Mannheim tritt die NPD an. Herr Lübke gibt der Partei hier bislang keinen Platz. Warum? Sind die Mannheimer etwa „unmündig“? Oder gibt Herr Lübke nur dem Affen Zucker, den er glaubt, vor sich zu haben. Die rechtsradikale NPD hat in Thüringen eine breite Basis, in Mannheim vermutlich aber keine Chance. Man kann Herrn Lübke auch einfach einen heuchelnden Opportunisten ohne Gewissen nennen, der das bedient, was er für „Leserinteresse“ hält.
Herr Lübke hätte sich auch mit einer Einordnung bemühen können – Recherche und Denken vorausgesetzt. Die Bezeichnung „Altparteien“ ist kein „Nazi-Sprech“, sondern kommt – von den Grünen. Ist Klaus Heidegger ein Nazi, weil er 1987 den Band 3 seiner Dissertation mit „Die grünalternativen Parteien aus der Sicht der Altparteien“ benannte? Arbeiten beim Spiegel Nazi-Journalisten, wenn diese titeln: „Die Piraten und die Altparteien?„. Ist der grüne Radikalo Hans-Christian Ströbele in Wirklichkeit ein Nazi, wenn er am 06.06.2013 eine Pressemitteilung mit dieser Überschrift veröffentlicht: „Wie die großen Altparteien Mietpolitik von den Grünen abschreiben„?
Die Süddeutsche schrieb zum Schweizer Volksentscheid in Sachen Zuwanderung: „Die Schweizer stimmen für die Initiative „gegen Masseneinwanderung“ der erzkonservativen SVP.“ Hätte die Süddeutsche nicht schreiben müssen: Über die Hälfte der Schweizer Bevölkerung sind Nazis, weil sie eine Selektion der Zuwanderung wollen“? Und „erzkonservativ“ hätte doch eigentlich „rechtsradikal“ heißen müssen?
Zum Thema „Eingeborene schützen“ hätte Herr Lübke Herrn Eisenhauer fragen können, ob er etwas mit diesem Zitat anfangen kann:
Aber wir wollen keine nationalen Minderheiten. Wer Türke oder Araber bleiben will und dies auch für seine Kinder möchte, der ist in seinem Herkunftsland besser aufgehoben. Und wer vor allem an den Segnungen des deutschen Sozialstaats interessiert ist, der ist bei uns schon gar nicht willkommen.
Wer hat es gesagt? Der sehr, sehr prominente SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der mit seinen Hetzschriften Millionär geworden ist und den die SPD sich nicht traut, rauszuwerfen. Denn er bedient eine Wählerschaft, die der SPD insgesamt „recht(s)“ ist und millionenfach seine Bücher kauft.
Krasse Missverhältnisse
Die AfD steht unter einer aktuell „phänomenalen“ Beobachtung – und die Berichterstattung der Medien steht in einem krassen Missverhältnis zur Bedeutung der AfD. Rund sechs Prozent werden der „Neupartei“ für die Europa-Wahlen prognostiziert. Auch in der lokalen und regionalen Berichterstattung sollte man es vielleicht eher mit Nachdenken denn Lospoltern versuchen. Doch die Angst vor dem rasanten Erfolg der AfD sitzt den „Altparteien“ inklusive der Grünen im Nacken.
Warum erhält die AfD so viel Aufmerksamkeit? Wieso engagiert sich Eberhard Will, ehemaliger Berater des früheren SPD-Oberbürgermeisters Gerhard Widder, als AfD-Spitzenkandidat? Wieso schafft es die AfD, auf der einen Seite die „Elite“ für sich zu begeistern, also Professoren und Wirtschaftsgrößen wie einen früher vor allem von der CDU und SPD umschwärmten Hans-Olaf Henkel? Und wieso gibt es so viele „Unzufriedene“, die AfD-Mitglieder und Wähler werden, statt NPD zu wählen? Wieso rekrutiert die AfD zu einem Viertel ihre Mitglieder aus Kreisen der „Altparteien“ und ebenfalls einen erheblichen Anteil aus dem linken Lager? Vor einem Jahr berichtete der Spiegel:
Die etablierten Parteien haben fast 2800 Mitglieder an die Alternative für Deutschland (AfD) verloren. Das zeigt die jüngste Mitgliederstatistik der Anti-Euro-Bewegung, die sich am 6. Februar gegründet hatte. Insgesamt zählte die Partei AfD am vergangenen Freitag 10?476 Mitglieder. Von ihnen gaben 2795 in ihrem Beitrittsantrag an, früher einer anderen Partei angehört zu haben. Den größten Zulauf erhält die AfD mit 1008 Abtrünnigen von der CDU. Von der FDP liefen 587 aktive oder ehemalige Mitglieder über, knapp dahinter liegt die SPD mit 558. Die CSU verlor 220 Anhänger an die Euro-Kritiker. „Es gibt einen spürbaren Aderlass bei den etablierten Parteien“, sagt Parteichef Bernd Lucke, der die Zuläufe von 142 Ex-Piraten und 106 Ex-Grünen hervorhebt. Nur die Geschlechterverteilung in der Partei macht Lucke Sorgen: 86 Prozent der Mitglieder sind Männer.
Ganz sicher, weil die AfD rechtspopulistische Aussagen trifft und die Lücken füllt, die die „political correctness“ gerissen hat. Wieso haben 25 Prozent der Deutschen durch alle Berufsgruppen und „Schichten“ hindurch ausländerfeindliche Einstellungen? Wie kann das sein – trotz politischer Aufklärung? Könnte es etwas damit zu tun haben, dass die „Altparteien“ seit Jahrzehnten tatsächlich versagen – vor allem bei Themen wie Migration? Könnte es sein, dass Parteien wie die AfD den Finger genau in die Wunde legen und „Altpartei“-Vertreter wie ein Rolf Eisenhauer vor Schmerz aufheulen? Und verantwortungslose Journalisten wie ein Dirk Lübke nichts zur Aufklärung beitragen, sondern durch faktenfreie Berichterstattung Ängste und Sorgen der Bürger gezielt schüren?
Wieso weiß ein Großteil der Deutschen nicht, dass Deutschland nicht mit, sondern ohne Migration in allergrößte Nöte kommt? Wieso gibt es in einer traditionellen Zuwandererstadt wie Mannheim so enorme Probleme mit der Integration?
Wie die Altparteien „Nazi“ salonfähig machen
Ich habe als Student in den Jahren 1991-1994 für den Lokalteil des Mannheimer Morgen geschrieben. Viele dutzende Artikel zum Thema Integration, Sprachförderung, Schulförderung von Migrantenkindern. Und 1995 für Die Zeit über den Bau der damals größten Moschee in Deutschland. Was ist seither passiert? Wieso wurde erst vor kurzem die „Willkommenskultur“ erfunden, die nun alle gerne vor sich hertragen? Wieso ist bis heute die Herkunft eine „Vorselektion“, was den Bildungs- und Berufsweg angeht?
Warum fragt die Zeitung Herrn Will nicht, was der Blödsinn von wegen „Eingeborene schützen“ bedeuten soll? Ich treffe den AfD-Spitzenkandidaten am Mittwoch und werde ihn das fragen.
Die AfD mischt mit teils unerträglichen Parolen gerade das „Altparteien-System“ auf – inklusive der Grünen, die längst auch eine „Altpartei“ sind. Und im Gegensatz zu den Piraten hat die AfD bei weitem bessere Chancen – weil sie „etablierte“ Wählergruppen anspricht und „honorige“ Kandidaten in den Wahlkampf schickt und mit Populismus für die Basis alles einsammeln, was unzufrieden ist. Unzufrieden mit der Migrationspolitik, unzufrieden mit der Europa-Politik, unzufrieden mit der Sozial- und Steuerpolitik, insgesamt unzufrieden mit der allermeisten Politik.
Wer statt politischer Debatte versucht, ein Phänomen mit der Nazi-Keule zu erschlagen, muss sich nicht wundern, wenn AfD-Sympathisanten irgendwann sagen: „Wenn die Forderung geregelter Zuwanderung, weniger Macht für ein bürokratisches und korruptes Europa und eine einfachere Steuerpolitik Nazi sein soll, bin ich halt ein Nazi und das ist gut so.“ Die Stigmatisierung von zusammengeklaubten „Vorfällen“ hier und dort als „eindeutige Wahrheit“ führt in einen Alarmismus, der nicht warnt, sondern schon Züge eines Wahns ohne Sinn und Verstand hat.
Tricksen, täuschen, hetzen
Wenn dazu Medien wie der Mannheimer Morgen kommen, die selbst Ausländerhetze betreiben, dafür vom Deutschen Presserat gerügt werden, dies der Öffentlichkeit aber verschweigen und keine wahrnehmbaren Konsequenzen ziehen – dann machen sie sich zu Komplizen: „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.“ Wenn die Zeitung dabei auch noch täuscht und trickst und Kritik an der eigenen Berichterstattung unterschlägt, wird es ganz wild.
Insbesondere die „Altmedien“ tragen mit diesem unehrlichen Haudrauf-Journalismus zur Unzufriedenheit der Menschen bei. Obwohl Deutschland ein sicheres Land ist, wachsen die Angst vor Verbrechen und vor Gefühl der Unsicherheit. Warum? Weil jeder Vorfall aus der hintersten Provinz hochgepeitscht wird, weil man unbedingt die Schlagzeile braucht, aber selten Verstand. Weil man auf Teufel komm raus denkt, nur über eine vollständig enthemmte Skandalisierung die Menschen noch erreichen zu können.
Nicht nur in Europa gibt es einen Rechtsruck, der bedenkliche Züge annimmt. Der Nazi-Ruf ist die billigste aller politischen „Arbeit“. Im Vergleich kann man hierzulande noch „froh“ sein, dass die AfD noch keine Front National oder SVP ist – man kann sie aber politisch und medial dahin treiben und in heilloser Unkenntnis von dem, was tatsächlich „Nazi“ ist, den Begriff dermaßen aufweichen, dass am Ende rechtsradikale Einstellungen wieder gesellschaftsfähig werden. Zuerst bei den Eliten und den Unzufriedenen und dann durch eine „Vergiftung“ auch in der Mitte der Gesellschaft.
Verantwortungslosigkeit der Alten Systeme
Daran sind ganz wesentlich Medien beteiligt, die nicht mit Sachverstand und Analyse arbeiten, sondern Klientelberichterstattung betreiben, wesentliche Inhalte aber verschweigen oder einfach erst gar nicht erarbeiten. Nicht ohne Grund ist es um die Glaubwürdigkeit von Journalismus so schlecht bestellt und nicht ohne Grund wenden sich Menschen von der Politik ab.
Die „Politikverdrossenheit“ wurde nicht durch die AfD erfunden, eingeführt, gehegt, gepflegt und vermehrt – sondern durch die „Altparteien“. Was stellt man sich umgekehrt heute unter „gesellschaftlichem Konsens“ vor? Warum sind überall in Europa die Menschen bis heute – 63 Jahre nach Gründung der Europäischen Union – so skeptisch gegenüber der europäischen Entwicklung? Was haben die Altparteien unterlassen, um das Verständnis als „Europäer“ nicht zur selbstverständlichsten Sache der Welt zu machen? Wieso hat die SPD zwischen 1990 und 2008 über 400.000 Mitglieder verloren? Was stimmt nicht an der SPD-Politik, an den SPD-Botschaften? Wen vertritt die Beamten-Partei eigentlich noch? Die Bürger? Die, denen sie Hartz IV gebracht hat?
Wo blieb der „Aufschrei“ von Herrn Eisenhauer, als der CDU-Kandidat Claudius Kranz vom Mannheimer Morgen zitiert wurde:
Die gewaltsamen Übergriffe auf junge Frauen ist ein großes Thema in der Stadt. Durch den Zuzug von verstärkt rumänischen und bulgarischen Zuwanderern in einige wenige Stadtteile wird diese Situation nochmals in der Wahrnehmung verschärft. Selbst der Oberbürgermeister gibt uns als CDU nun Recht und gesteht ein, dass es in Mannheim Gegenden gibt, in denen man sich nicht sicher fühlen kann.
Welche Erklärungen hat ein SPD-Lokalpolitiker für SPD-Rassisten und -Scharfmacher?
Erklärt Herr Eisenhauer den Wählerinnen, warum die Forderung nach „Selektion bei der Zuwanderung“ Nazi ist? Und umgekehrt, warum „der verstärkte Zuzug von rumänischen und bulgarischen Zuwanderern dazu führt, dass man sich nicht mehr sicher fühlen kann“ nicht Nazi sein soll? Wann präsentiert Herr Eisenhauer den Mannheimer dokumentarische Fotos von sich, die ihn als Demonstrant gegen den Auftritt des SPD-Rassisten Thilo Sarrazin in Mannheim zeigen? Wann die Erklärung, dass er nicht mehr Mitglied in einer Partei sein will, die einen erklärten Fremdenfeind, der damit Millionen scheffelt, nicht längst rausgeworfen hat? Und was hält Herr Eisenhauer vom SPD-„Grenzverletzer“ Heinz Buschkowsky, für den „Multikulti“ gescheitert ist und der vorm „Pass vom Abreißblock warnt“ – auch ein Nazi? Wie steht Herr Eisenhauer zum früheren SPD-Innenminister Otto Schily, der schon 1999 meinte, 97 Prozent der Asylbewerber seien Wirtschaftsflüchtlinge und nur drei Prozent“asylwürdig“ und für eine Verschärfung des Ausländerrechts eintritt? Wo bleibt die demokratische Empörung von Herrn Eisenhauer über die Landes-SPD, die nicht bereit ist, einen NSU-Untersuchungsausschuss einzurichten? Was genau hat die SPD eigentlich im vergangenen Jahr in Sachen „Erinnerungskultur“ und dem Arisierer und Ehrenbürger Heinrich Vetter so unternommen? Und wie oft hat Herr Eisenhauer in der vergangenen Zeit gegen Nazis demonstriert? (Anm. d. Red.: Wer sich immer vorbildlich engagiert, ist der Neckarauer SPD-Politiker Mathias Kohler.)
Skandalisierung als Prinzip
Die Alternative für Deutschland muss kritisch betrachtet werden. Und man muss sich mit den „Inhalten“ auseinandersetzen. Inhaltlich, argumentativ und glaubwürdig. Und vor allem verständig. Wer pauschal und auch noch mit schwachen Argumenten verurteilt, ist kein Stück besser als andere Krakeeler. Das gilt für alle Politiker und alle Medien, die statt inhaltlicher Auseinandersetzung nur billige Effekthascherei betreiben. Denn damit treibt man denen, vor denen man eigentlich warnen will, die unzufriedenen Leute letztlich nur noch zu. Umso mehr, je mehr getrickst, getäuscht und gemauschelt wird.
Der Appell von Herrn Eisenhauer an den MM, doch bitte verantwortlich zu berichten, ist übrigens an sich berechtigt, weil die Zeitung leider einen großen Teil ihrer früheren Seriosität eingebüßt hat, was sich auch deutlich durch massive Abo-Verluste bestätigt. Aber sie ist auch populistisch. Die SPD braucht die Zeitung nicht, sondern kann auf der eigenen Internetseite den Brief an die Redaktion zu veröffentlichen und klar zu stellen, dass der eigentliche Anlass eine Beschwerde über die Berichterstattung war, die nur auf verkürzte Skandalisierung aus ist und dabei gerne, ebenfalls zu recht kritisiert, selbst zum Hetzorgan wird – wenngleich oftmals heuchlerisch hinter Pseudo-Fragen versteckt. Der MM-Journalist Dirk Lübke zitiert den CDU-Kandidaten Carsten Südmersen:
Man wird sofort in die falsche Ecke gestellt, wenn man über Zuwanderung spricht. Aber bei einem Teil der Kriminalität spielt das eine Rolle, etwa bei den Einbrüchen, wo viele Täter aus armen Ländern kommen.
Und fragt dann ganz scheinheilig?
Ist das so? Darf ein Politiker das sagen? Muss ein Politiker das sagen? Woher stammen die Erkenntnisse? Was davon ist billiger Kommunalwahlkampf, was ernsthafte Sorge um die Sicherheit in unserer Stadt?
Natürlich dürfen Politiker das sagen – auch für die gilt die Meinungsfreiheit. Aber müssen Journalisten nicht Antworten suchen? Die liefert Herr Lübke nicht – denn er weiß genau, dass man beim über 90 Prozent der Einbrüche nicht weiß, woher die Täter kommen. Herr Lübke weiß auch, dass insbesondere die zugewanderten Rumänen und Bulgaren statistisch weniger kriminell sind als andere Ausländer und auch Deutsche. Wenn Herr Lübke Fragen stellen und Antworten suchen würde, würde er sein Ziel verfehlen: Aufmerksamkeit um jeden Preis. Journalistische Sorgfaltspflicht und verantwortliche Berichterstattung spielen dabei keine Rolle.
Wenn Politiker und Medien nur noch populistisch agieren, muss sich niemand wundern, wenn als Ergebnis ein Ruck nach rechts rauskommt.
Anm. d. Red.: Wir treffen übrigens am Dienstag zwei SPD-Kandidaten, am Mittwoch zwei von Bündnis90/Die Grünen sowie einen Vertreter der AfD. Am Mittwoch erscheint unser Interview mit Dietmar Bartsch von Die Linke. Claudius Kranz (CDU) will aufgrund unserer Berichterstattung nicht mit uns reden, ebensowenig wie die FDP-Kandidatin Dr. Birgit Reinemund, nachdem wir ein Interview mit ihr nicht „in ihrem Sinne“ umgeschrieben haben.
Dokumentation des Schreibens an den MM.
Demokratische Grundwerte schu?tzen
Sehr geehrter Herr Lu?bke,
in Ihrer Berichterstattung im Mannheimer Morgen vom 06.05.2014 unter dem Titel „Wie wohnen wir gut und sauber?“ haben Sie einen von der AFD verfassten Text abgedruckt. In der Antwort auf die Frage „Was wollen Sie tun, damit Familien in Mannheim wohnen bleiben?“ wird die Vokabel „Altparteien“ verwendet. Mit diesem Begriff werden pauschal die demokratischen Parteien als u?berholt und nicht mehr zeitgema?ß diffamiert. Eine solche Sprache verwenden Organisationen, die sich gegen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung wenden. Inhaltlich wird behauptet, dass Ausla?nder deutsche Familien in Mannheim verdra?ngen wu?rden. Eine solche unrichtige und fremdenfeindliche Behauptung fordert mich als Sozialdemokrat und als Mannheimer zu entschiedenem Widerspruch auf. Ich bin betroffen von dieser unkommentierten Wiedergabe in Ihrer Tageszeitung.
Sehr geehrter Herr Lu?bke, bereits bei der vom Mannheimer Morgen veranstalteten Gespra?chsrunde am 15. April habe ich dem Sprachgebrauch und der Wortwahl der AFD-Vertreter deutlich widersprochen. Damals wurden die Begriffe „Eingeborene schu?tzen“ und „Selektion bei der Zuwanderung“ verwendet. Dieses ist nationalsozialistische Propaganda und ich werde dieser Menschen verachtenden Ideologie auch weiterhin an jeder Stelle entschieden entgegentreten.
Ich bitte Sie bei Ihrer ku?nftigen Berichterstattung um Beachtung meiner Hinweise zum Schutz unserer gemeinsamen demokratischen Grundwerte. In unserer Stadt bekennen sich alle demokratischen Parteien zu unserer historischen Tradition von Offenheit und Toleranz und der Mannheimer Gemeinderat hat am 22. Dezember 2009 einstimmig die „Mannheimer Erkla?rung“ verabschiedet (https://www.mannheim.de/buerger-sein/mannheimer-erklaerung-zum-geist-offenheit-toleranz-und- verstaendigung: „Offenheit, respektvolle Toleranz und die Bereitschaft zur gegenseitigen Versta?ndigung bilden die Grundlage fu?r ein gelingendes Zusammenleben“).
Ich bitte Sie um eine Stellungnahme, die wir gerne gemeinsam mit unserem Brief vero?ffentlichen wu?rden.
Dokumentation der Antwort der AfD auf den Artikel im MM.
Unterstellt, dass er korrekt zitiert wurde, hat der Mannheimer SPD-Fraktionsvorsitzende Eisenhauer zur AfD nichts als wortverdrehende und infame Rhetorik geliefert. (MM vom 10.05.) Die AfD kommentiert wie folgt:
Ehrenhafte Menschen diskutieren über richtige und falsche politische Ansichten und Ziele. Herr Eisenhauer hält es für richtig, die Nazikeule herauszuholen und zwar völlig faktenfrei.
In der Tat fordern wir von der AfD ein selektiv wirkendes Einwanderungsrecht ähnlich dem Kanadas, das die Interessen der hier bereits lebenden Menschen in den Vordergrund stellt. Eine Assoziationskette zu bilden von „selektiv“ über „Selektion“ bis zur Todesrampe in Auschwitz, wo SS-Schergen über sofortigen oder späteren Tod entschieden, zeugt von einem völligen Verlust von Maßstäben und auch von beachtlicher Niedertracht.
Natürlich sind für eine neue Partei die bereits vorhandenen Parteien die „Altparteien“. Was denn sonst? Um die demokratischen Parteien der Weimarer Republik zu diffamieren, nannten die demokratiefeindlichen Nazis sie „Systemparteien“. Hier misslingt schon wieder die Diffamierung der AfD. Das demokratische System des Grundgesetzes ist nämlich für die AfD vollkommen alternativlos. Es sind die Euroretter und Sprachpolizisten wie Herr Eisenhauer, die es Schritt für Schritt aushöhlen.
Absichtlich falsch ist auch die Wiedergabe der AfD-Position zur Schul-Stadtflucht. Dass es in manchen Schulen Mannheims heute kaum möglich ist, richtiges Deutsch zu lernen oder einen Schulabschluss zu erwerben, den Handwerksbetriebe für voll nehmen, ist eine Tatsache. Dass Eltern – auch viele ausländischer Herkunft – aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder umziehen oder ganz aus Mannheim fortziehen, ist ebenfalls eine Tatsache. Es sind eben gerade nicht ihre ausländischen Nachbarn oder deren Kinder, die diese Menschen vertreiben, sondern die jahrzehntelange, vollkommen verantwortungslose Einwanderungspolitik der Altparteien. Nur davon möchte Herr Eisenhauer ablenken.
Es mag ja sein, dass er schlechte Ergebnisse aus Umfragen hat oder unter Druck seiner Parteifreunde steht. Nichts jedoch rechtfertigt eine solch wortverdrehende und infame Rhetorik.