Rhein-Neckar, 12. Januar 2017. (red/momo) Die Liste der “Unworte des Jahres” ist um ein im eher rechten Raum gebräuchlichen Begriff reicher. Nach “Sozialtourismus” (2013), “Lügenpresse” (2014) und “Gutmensch” (2015) ist nun 2016 “Volksverräter” als “Unwort” gekürt worden, Sonderlich überraschend ist das nicht. Aber was macht man jetzt damit?
Volksverräter ist ein Unwort im Sinne unserer Kriterien, weil es ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten ist. Als Vorwurf gegenüber PolitikerInnen ist das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, dass ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt. Der Wortbestandteil Volk, wie er auch in den im letzten Jahr in die öffentliche Diskussion gebrachten Wörtern völkisch oder Umvolkung gebraucht wird, steht dabei ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt. Damit ist der Ausdruck zudem antidemokratisch, weil er – um eine Einsendung zu zitieren – „die Gültigkeit der Grundrechte für alle Menschen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik“ verneint.
So begründet eine Initiative aus Sprachwissenschaftlern und Journalisten die Wahl für das “Unwort” des Jahres 2016. Ziel der Initiative ist, die Aufmerksamkeit bei der Verwendung von Sprache zu fördern – damit ist die Auswahl des Wortes “Volksverräter” plakativ. Es steht für eine zunehmende Verwendung von Wörtern und Begriffen, die ausgrenzen und diffamieren sollen, insbesondere in sozialen Netzwerken, aber auch durch Politiker mit extremen Haltungen.
Das Wort “Volk” hat viele Bedeutungen, ist nicht eindeutig abgrenzbar und kommt in vielen Begriffen vor, ob Volksmusik, Volksabstimmung oder auch Ausdrücken wie “im Namen des Volkes”. “Korrekt” verwendet, meint es eher das Staatsvolk, also alle Menschen, die zu einem Staat gehören, ob durch Geburt oder Einbürgerung.
Negativ verwendet, wird die “ethnische” Zugehörigkeit definiert. Danach ist nur Teil des (deutschen) Volks, wer zur “Rasse” der Deutschen gehört. Wer nach der Nazi-Diktatur noch ernsthaft mit dem Rassenbegriff arbeitet und ein- beziehungsweise ausgrenzen will, muss sich zu Recht fragen lassen, ob er Rassist ist.
Wer einen deutschen Pass hat, ist Teil des deutschen Volks. Punkt. In einer modernen Gesellschaft kann man mit Volk auch durchaus alle Menschen meinen, die dauerhaft in einem Land leben – in einer Volksgemeinschaft eines Rechtsstaats, dessen Gesetze für alle Menschen gleich gelten.
Der Begriff “Verräter” ist extrem negativ aufgeladen. Hier klingen Hinterlist und ein widerwärtiger Charakter durch. In der Kombination als “Volksverräter” werden also Menschen zum üblen “Abschaum” erklärt, die hinterlistig andere “ehrenhafte” Menschen betrügen und hintergehen. Doch wer entscheidet, ob jemand ein “Verräter” ist oder nicht? Derjenige, der den Begriff verwendet? Und was soll der “Verrat” sein? Eine andere Meinung zu haben, eine andere Überzeugung?
Der Gebrauch des Begriffs “Volksverräter” gehört in den Bereich der Meinungsäußerungen. Er ist nicht strafbar und kann verwendet werden. Doch die, die ihn verwenden, kann man nach deren Verantwortung fragen. Man kann sie fragen, welches Volk sie meinen und was der Verrat sein soll und welche Folgen sie befürchten. Man kann sie nach ihren Zielen fragen und damit ihre ideologische Position erfahren.
Mit Sicherheit handelt es sich nicht um demokratische Haltungen, die den Rechtsstaat achten. Insofern ist “Volksverräter” als “Unwort” eine sehr politische Auswahl, weil sie die Verwender als das enttarnt, was sie sind: “Undemokraten”, deren Ziel es ist, andere Menschen zu diffamieren, auszugrenzen und für sozialen Unfrieden zu sorgen. Häufig noch vermischt mit “Rassenideologie”, wie man sie insbesondere bei Rechtsextremen findet.
Die Auswahl dieses Wortes soll für die Verwendung von Sprache und Inhalt sensibilisieren – das ist mit dieser Auswahl mit Sicherheit erreicht.