Hemsbach, 12. Februar 2015. (red/ld) Historische Pistolen haben es dem Hemsbacher Martin Kloke besonders angetan: Die Genauigkeit in der Vorbereitung der Waffen und die Konzentration, die er braucht, um das Ziel zu treffen. Damit holt er seit dem Jahr 2006 abwechselnd die Welt- und Europameisterschaft im Vorderladerschießen nach Hemsbach. Sogar eine Straße ist nach ihm benannt.
Von Lydia Dartsch
Im Schützenhaus des Schießsportvereins (SSV) Hemsbach begegnet man dem Namen „Martin Kloke“ noch bevor man den Mann persönlich trifft: An der Hauswand hängt ein Straßenschild. „Martin-Kloke-Platz“ steht darauf. Im Flur hängen Urkunden von Wettkämpfen. Viele davon gehören dem 49-Jährigen. Im Hauptraum des Schützenhauses ziert eine große Ehrentafel mit Herrn Klokes Portrait die Wand. Die Fahnen, die um die Tafel herum gemalt sind zeugen von den Erfolgen, die er in den vergangenen Jahren für den Verein geholt hatte: Darunter vier Weltmeisterschaften und fünf Europameisterschaften.
Ich bin der erfolgreichste Schütze des SSV,
sagt er. Dabei gehört seine Disziplin zu den schwierigsten im Schießsport. Martin Kloke schießt Vorderlader Kurzwaffen. Pistolen. Wer sich mit dem Schießsport nicht auskennt, denkt jetzt vielleicht an Action-Filme oder den Wilden Westen. Aber mit Herumballern hat das ganz und gar nichts zu tun.
Voll Konzentration steht Martin Kloke am Schießstand: Die Füße stehen im Winkel von 45 Grad von der Bank weg. Die rechte Schulter nach vorne in Richtung Schießscheibe gedreht. Die rechte Hand liegt auf der Bank vor ihm und umfasst die Waffe. Es ist eine Steinschloss-Pistole, wie sie um das Jahr 1730 herum in Frankreich gebaut worden ist. Das Replikat einer historischen Waffe: Mit Schwarzpulver und Bleikugel. Unvorstellbar, wie man mit solchen Waffen in früheren Jahrhunderten Schlachten geschlagen hat.
„Präzision und Konzentration machen den Reiz aus“
Denn um die Pistole schussbereit zu machen, braucht es viel Vorbereitung und Genauigkeit: „70 Prozent des Erfolgs sind Training und 30 Prozent Vorbereitung“, sagt er. Vergleichsweise einfach läuft das Training bei seinen beiden Vereinskollegen ab, die am anderen Ende des Schießstands gerade mit automatischen Waffen trainieren: Sie zielen und ziehen den Abzug. Die Waffe lädt selbst nach und ist dann wieder schussbereit.
Bei Martin Kloke dauert dieser Vorgang mehrere Minuten: In seinem selbstgebauten Pistolenkasten hat er in kleinen Röhrchen verschiedene Ladungen Schießpulver auf das Zehntel Gramm genau abgewogen. Die Röhrchen stehen geordnet in einem Gestell. Je nach Menge hat ihre Verschlusskappe eine andere Farbe. In kleinen Kästchen daneben bewahrt er die selbstgegossenen Bleikugeln auf, mit denen er schießt. Auch sie müssen exakt auf ein Zehntel Millimeter gegossen sein. Eine Flasche mit Schmiermittel und ein Kästchen mit runden Stoffstücken gibt es auch in dem Kasten. Alles hat seinen Platz.
Beim Schießsport muss ich Abschalten können
Dazu verschiedene Werkzeuge, die er zum Vorbereiten der Waffe braucht: Zuerst füllt er das Schießpulver in den Lauf. Dann benetzt er eines der Stoffstücke mit dem Schmiermittel, legt eine Kugel darauf, klopft sie mit einem Hammer in die Mündung und schiebt Kugel und Stoff tief in den Lauf. Dorthin, wo das Schießpulver ist.
Der Schütze wirkt dabei sehr bedacht. Ruhig. Er arbeitet genau. „Beim Schießen kann ich vom Alltag abschalten“, sagt der Kaufmann, der Hall-Isolationen im Außendienst vertreibt. Eigentlich ein stressiger Beruf.
Am Schießstand muss er abschalten. Sonst verfehle er sein Ziel, sagt er. Diese Genauigkeit und die nötige Konzentration machen für ihn den Reiz an dem Sport aus, mit dem er im Alter von 14 Jahren beim SSV Hemsbach begonnen hatte. Der Nachbarsjunge habe ihn mit zum Verein genommen, sagt er. Zuerst schoss er mit einem Luftgewehr, was ab 12 Jahren erlaubt ist. Mit 17 erhielt er eine Ausnahmegenehmigung um einen Sprengstoffschein zu machen, damit er Vorderlader schießen darf.
Immer wieder knallen Schüsse durch den Schießstand. Wo andere zusammenschrecken, bleibt Martin Kloke ruhig, hebt die rechte Hand, den Arm ausgestreckt. Dann passiert einen langen Moment lang nichts. Er zielt. Dann zieht er den Abzug. Der Stein am Pistolenschloss schlägt Funken und entzündet das Schwarzpulver, dessen Explosion die Kugel aus dem Lauf schießt. Nicht zu schnell. Nicht zu langsam. Sonst bekommt die Kugel nicht die Drehbewegung – den Drall – die der Lauf vorgibt. Deshalb muss das Schwarzpulver genau abgewogen sein.
Eine Ungenauigkeit kann er sich in seinem Sport nicht leisten. Und das bezieht sich nicht nur auf die Vorbereitung oder den Transport und die Aufbewahrung der Waffen – oder Sportgeräte, wie er sie nennt. Denn für den Sprengstoffschein, der alle fünf Jahre erneuert wird, braucht man ein tadelloses Führungszeugnis: „Wenn ich zu schnell fahre oder bei einer Verkehrskontrolle alkoholisiert bin, kann ich meinen Sport vergessen“, sagt er.
Noch zwei Länder: Dann ist Schluss
Fünf bis sechs Mal in der Woche trainiert er, wenn er sich für Wettkämpfe vorbereitet. Seine Familie sei von diesem hohen Zeitaufwand zwar nicht immer begeistert. Aber wenn er in dieser Phase nicht trainiert, habe er ein schlechtes Gewissen, sagt er. Seine Tochter und sein Sohn wollen indes nichts vom Sport ihres Vaters wissen: „Das ist auch ganz gut so.“ Wenn die Saison vorbei ist, hat auch er die Nase voll von dem Sport.
Seit 2003 holt Martin Kloke bei den Welt- und Europameisterschaften immer wieder Bronze- oder Silbermedaillen. Im Jahr 2006 holte er die erste Weltmeisterschaft in Frankreich. Im Jahr 2007 die Europameisterschaft in Italien. Seitdem holte er jedes Jahr die Goldmedaillen für den SSV Hemsbach. Auf seiner Ehrentafel sind die Länder verzeichnet, in denen er schon Titel geholt hat. Zwei Flaggen sind noch weiß: „Wenn die auch voll sind, höre ich auf“, sagt er. Dann wird er in jeweils fünf Ländern der Welt eine Europa- und eine Weltmeisterschaft errungen haben.
Darauf ist er sichtlich stolz. Und auch auf den „Martin-Kloke-Platz“, der eigentlich nicht die offizielle Adresse des Vereins ist, an die mittlerweile aber einiges an Post ankommt. Schuld sind Martin Kloke und Google: Seine Vereinskollegen hatten ihm mit dem Schild eine Freude gemacht und es über den Vereinsgrillplatz gehängt und Herr Kloke hatte den Ort bei Google-Maps markiert. Die Suchmaschine machte daraus eine Adresse, die von der Google-Navigation gefunden wird: „Ich habe Google angeschrieben, dass es sich um ein Missverständnis handelt“, sagt er. Passiert sei aber noch nichts. Denn noch immer wird die Vereinspost an den Martin-Kloke-Platz geschickt.