Mannheim/Karlsruhe/Stuttgart, 12. April 2017. (red/pro) Angeblich seien Feuerwehrmitglieder verunsichert, weil sie nicht Teil der „Ortspolizei“ werden wollen. Werden sie auch nicht. Eine Allianz aus verschiedenen Stadträten und einer Lokalzeitung bauscht ein Thema auf und sorgt damit ohne Not vorsätzlich für Unruhe. Ob das einer Achtung vor dem Ehrenamt dienlich ist – darüber kann sich jeder nach der Lektüre unseres Artikels seine eigene Meinung bilden.
Es ist doch geradezu zielführend, wenn die zuständigen Abteilungen für Sicherheit und Ordnung bei allen nichtpolizeilichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr so eng wie möglich zusammenarbeiten,
sagt Dr. Frank Knödler uns am Telefon. Er ist Kommandant der Feuerwehr Stuttgart und Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg. Und weiter:
Nach wie vor gilt die Hierarchie der Gemeindeordnung. Jeder Bürgermeister und Oberbürgermeister kann seine Verwaltung so strukturieren, wie er das für richtig erachtet. Was in meinen Augen nicht geht, wäre, wenn Feuerwehr und Ordnungsamt einen gemeinsamen Leiter hätten.
Die angebliche „Zusammenlegung“ der Polizei und Feuerwehr ist eine inszenierte Debatte – denn in der Skizzierung der geplanten Verwaltungsreform des Oberbürgermeisters Dr. Peter Kurz steht unzweideutig:
Die Fachbereiche Sicherheit und Ordnung sowie Feuerwehr und Katastrophenschutz werden unter einer doppelten Führungsspitze zusammengeführt. Die Führungsstrukturen und Aufgabenbereiche der Feuerwehr bleiben nach dem Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg von dieser Maßnahme unangetastet. Ebenso wird die freiwillige Feuerwehr nicht von dieser Maßnahme betroffen sein.
Welche „Polizei“ ist gemeint?
Angeblich, so berichtet eine Lokalzeitung, plane die Stadt, Feuerwehr und Ortspolizei zusammenzulegen. Die Stadtverwaltung ist zwar auch Ortspolizeibehörde, aber nicht das, was man landläufig unter „die Polizei“ versteht. Sie ist zuständig für Maßnahmen, um die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum zu gewährleisten. Nicht mehr, nicht weniger. Als Ortspolizeibehörde kann sie beispielsweise Auflagen bei Versammlungen verfügen oder wie das die Öffentlichkeit seit einige Monaten erfahren hat, beispielsweise bei der Stallpflicht für Geflügel infolge der Vogelgrippe.
Die Landespolizei ist dem Innenministerium unterstellt und eine eigene Landesbehörde. Zwar kann auch der für acht Jahre demokratisch gewählte politische Beamte als Verwaltungsleiter, also Bürgermeister oder Oberbürgermeister, der Polizei in gewissen Fällen Weisungen erteilen, aber nur in Bezug zu Aufgaben der Ortspolizeibehörde. Tatsächlich ist uns kein Fall bekannt, in dem das in der Vergangenheit stattgefunden hat. Die Sicherheitsbehörden, also Ordnungsamt, Feuerwehr und die Landespolizei erledigen ihre Aufgaben getrennt und stimmen sich dabei ab.
Zusammenlegung faktisch schon vollzogen – in der Gemeindeordnung
Die angebliche Zusammenlegung von Feuerwehr und „Polizei“ unter einem Leiter ist faktisch schon heute durch die Gemeindeordnung vollzogen. Der Bürgermeister oder Oberbürgermeister ist als Verwaltungsleiter immer auch oberster Dienstherr der Feuerwehr und des Ordnungsamts, also der Ortspolizeibehörde – wenn er das sein will. Persönliche Weisungen könnten jederzeit erteilt werden, wenn er das wollte. Tatsächlich verlassen sich die Bürgermeister auf ihre Feuerwehrkommandanten, weil das die operativen und erfahrenen Spezialisten sind. In Mannheim ist der zuständige Dezernent der Erste Bürgermeister Christian Specht – und der bleibt auch zuständig.
Es kommt häufig vor, dass bei Großschadensereignissen die Bürgermeister, ob als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde oder als zuständiger Dezernent bei größeren Gemeinden, mit vor Ort sind. Sie geben aber nach unserer Erfahrung nie Weisung an die Wehren oder die Landespolizei, sondern machen sich selbst ein Bild der Lage, um zu erfahren, wie sie unterstützend tätig werden können. Das ist der „politische“ Bereich, also beispielsweise Fragen der Medien zu beantworten oder sich an die Bürgerschaft zu wenden.
Wer also behauptet, Feuerwehr und Ordnungsamt würden „zusammengelegt“, behauptet das, was längst Realität ist. Die Wehren unterstehen selbstverständlich der Verwaltung, ob ehrenamtlich organisiert oder als Berufsfeuerwehr und der Chef beider aktueller Fachbereiche ist der Erste Bürgermeister.
Geplant ist, wie oben beschrieben aus zwei Fachbereichen einen zu machen – unter dem Label „Sicherheit und Ordnung“ – mit je zwei Fachleitern für Feuerwehr und Ordnungsamt. Das spart keine Führungsebene, bietet aber Synergiemöglichkeiten in den Bereichen Verwaltung, Technik, EDV und Leitstelle. Die gesamte Verwaltungsreorganisation ist Teil eines großen Einsparpakets (SHM – Strategische Haushaltskonsolidierung in Mannheim), das am Ende 42 Millionen Euro jährlich einsparen soll. Aus der Reduzierung um zwölf Dienststellen wird ein Teilbetrag von rund vier Millionen Euro erwartet.
Auf Nachfrage, welche Änderungen sich für die Feuerwehren ergeben, teilt Erster Bürgermeister Christian Specht mit:
Die Führungs- und Organisationsstruktur sowie die Aufgabenbereiche der Freiwilligen Feuerwehren bleiben gemäß des baden-württembergischen Feuerwehrgesetzes von der geplanten Neustrukturierung unangetastet.
Frühes Sommerloch-Thema
Deutlicher als der Erste Bürgermeister kann man sich nicht äußern. Tatsächlich handelt es sich um ein verfrühtes Sommerloch-Thema. Mehr als ein Sturm im Wasserglas ist es nicht. Die FDP hatte am 06. April in einer Pressemitteilung die Skandalisierung versucht:
Ebenso stellt die FDP die Frage, welche Synergieeffekte die Verwaltung von der Zusammenlegung erwartet. „Wir sind gespannt, welche Arten von Synergieeffekten sich die Verwaltung erhofft, wo doch gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Polizei und Feuerwehr getrennt sein müssen.“
Tatsächlich beweist die FDP damit nur, dass sie offenbar die Gemeindeordnung und die tatsächlichen Hierarchien nicht kennt – oder bewusst nicht kennen will, um ein wenig Wind zu machen. Dazu strengt man sich auch phantasievoll an:
Die Menschen haben Vertrauen zur Feuerwehr, gerade weil sie keine Einrichtung der Polizei oder Ordnungsbehörden ist. In unserem Land ist es Tradition, dass jeder die Feuerwehr rufen kann, ohne Angst vor dem Staat haben zu müssen. Das muss auch in Zukunft so bleiben!,
meint FDP-Stadtrat Volker Beisel, der auch Mitglied im Sicherheitsausschuss des Gemeinderates ist. Tatsache ist: Wenn die Feuerwehr kommt, kommt die Feuerwehr und macht das, wofür sie zuständig ist. Häufig kommt auch „die Polizei“ – und zwar die Landespolizei, um beispielsweise Straßen abzusichern oder wenn der Verdacht auf Brandstiftung vorliegt, um den Brandort zu untersuchen.
Wieso jemand „Angst vor dem Staat“ haben sollte, verstehen wir nicht. Wir betrachten eher mit Sorge, wie wenig Ahnung manche gewählten Stadträte von der Organisation der Landespolizei haben. Und der Stadtverwaltung, deren oberstes Organ sie als Gemeinderat sind. Aber mangelndes Verständnis erkennt man auch immer, wenn Medien beispielsweise melden, „die Polizei“ habe eine Demonstration untersagt, wie kürzlich eine „pro-PKK“-Kundgebung. Die Untersagung erfolgt nicht durch „die Polizei“, also die Landespolizei, sondern die Ortspolizeibehörde, also die Stadtverwaltung.
Und insbesondere in Mannheim fällt es vielen schwer, zwischen den Aufgaben des Kommunalen Ordnungsdienstes als Teil der Ortspolizeibehörde und der Schutzpolizei als Landesbehörde zu unterscheiden. Wenn jemand die Feuerwehren in Unruhe versetzt hat, dann das Konglomerat gewisser Stadträte und einer Lokalzeitung.
Das Regierungspräsidium teilte uns auf Anfrage mit, dass grundsätzlich § 1 Abs. 1 Feuerwehrgesetz: „Die Feuerwehr ist eine gemeinnützige, der Nächstenhilfe dienende Einrichtung der Gemeinde ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Sie ist in ihrer Einrichtung von der Polizei unabhängig.“
Diese Vorschrift ist historisch begründet. Es soll ausgeschlossen werden, dass die Feuerwehren wieder, wie durch das Reichsfeuerlöschgesetz aus dem Jahr 1938, organisatorisch der Polizei angegliedert wird. Nachdem es mittlerweile landesweit nur noch die Landespolizei gibt und auch in Mannheim seit 1972 keine kommunale Polizei mehr existiert, an die die Feuerwehr organisatorisch angegliedert werden könnte, hat die Vorschrift an Bedeutung verloren.
Weiter für das Regierungspräsidium aus, dass Feuerwehr und Ordnungsamt in eine Organisationseinheit innerhalb der Stadtverwaltung eingegliedert sind, gängige Praxis sei. So sind beispielsweise in Baden-Baden Feuerwehr und Ordnungsamt in einem Fachbereich, in Stuttgart, Freiburg und Pforzheim in einem Dezernat. Auch in den Landratsämtern sind Kreispolizeibehörde und Kreisbrandmeister oft in einem Dezernat oder Amt eingegliedert.
Vielleicht findet Herr Beisel ja in Stuttgart, Freiburg, Pforzheim oder Baden-Baden Personen, die „Opfer des Staates“ durch diese Organisationsform geworden sind. Bislang konnten wir ebenfalls nicht feststellen, dass die freiwilligen Feuerwehren in diesen Städten zusammengebrochen seien, wie es in der Lokalzeitung behauptet wird.