Mannheim, 12. Dezember 2017. (red/pro) Der Einzelstadtrat Julien Ferrat (Familien-Partei) hat zur laufenden Haushaltsberatung der Stadt Mannheim allein 200 Anträge gestellt. In seiner Haushaltsrede bezeichnet er den Gemeinderat pauschal als “faul und ideenlos”. Der 26-Jährige stellt sich damit selbst ins Abseits, weil Masse noch nie Klasse war. Provokation ist ein zulässiges Mittel im politischen Geschäft – aber nicht aus Prinzip.
Von Hardy Prothmann
Julien Ferrat könnte einem leid tun. Antrag um Antrag hebt er fast immer alleine die Hand. Antrag um Antrag scheitert er.
Julien Ferrat muss einem nicht leid tun. Er hat das so gewollt.
Bei einzelnen Anträgen stimmen einige Grüne mit ihm. Bei Antrag 67 sagt der grüne Fraktionsvorsitzende Dirk Grunert:
Da stehen teils ernsthafte Anliegen dahinter, aber so geht das nicht.
Antrag 67 fordert eine Kampagne zur “Umbenennung der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee”. Zur Begründung schreibt er, dass eine “deutliche Sensibilisierung hinsichtlich der Bedeutung von Namensgebungen” stattgefunden habe. Sultan Selim I., genannt “Yavuz”, der Gestrenge/Grausame, habe als Sunnit Aleviten und Shiiten verfolgt und als erste Amtshandlung seine Brüder und Neffen hinrichten lassen – dies ließe drauf schließen “wes Geistes Kind” die Namensgeber, der Verband DITIB sei. Die SPD hofiere diesen, was tief blicken ließe und die Grünen hätten in der Etat-Rede gefordert, dass “Werte unseres Zusammenlebens” von Zugewanderten akzeptiert werden müssten. Daher sei eine Umbenennung als symbolisches Zeichen geboten.
Eberhard Will, Sprecher der “Bürgerfraktion” (LKR), sagte:
Der Name ist ein Zeichen auf die, die in der Bundesrepublik Deutschland nicht angekommen sind.
Letztlich stimmen nur Herr Ferrat und der NPD-Stadtrat Christian Hehl für den Antrag.
Dieser Antrag steht exemplarisch für die politische Einfältigkeit des Herrn Ferrat.
Sultan Selim herrschte von 1512-1520 über das osmanische Reich und trug entscheidend zu dessen Ausdehnung unter seinem Nachfolger Süleyman bei. Sultan Selim ist eine historische Figur von hoher Bedeutung für die Türken. Der “Brudermord” ist nicht dessen Erfindung, sondern war Gang und Gäbe in der damaligen Zeit. Es gab noch keine Grünen, auch keine SPD oder sonstige demokratische Parteien. Selim war Herrscher eines Großreichs zum Ende des Mittelalters.
Eine der ältesten Ansätze für Menschenrechte lassen sich bei den Griechen und den Persern finden – rund 2.000 Jahre vor Sultan Selim. Doch Menschenrechte, so wie wir diese heute als selbstverständlich erachten, gab es damals noch nicht. Es sollte noch Jahrhunderte von der Aufklärung bis 1948 dauern, als die Vereinten Nationen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedeten.
In Deutschland lebte zur Zeit Sultan Selims der Theologe Martin Luther, der als zentrale Persönlichkeit der Reformation gilt. Martin Luther war ein ausgewiesener Antisemit, dessen Schriften die Nationalsozialisten für ihre Judenverfolgung nutzten. Sind nun alle, die heute Mitglied einer evangelischen Glaubensgemeinschaft sind oder sich gar als “Lutheraner” bezeichnen “dieses Geistes Kind”? Alles Nazis?
Möglicherweise überfordern solche Fragen Herrn Ferrat, weil die Welt und ihre Geschichte weitaus komplexer sind als die überwiegend banalen Anträge des Herrn Ferrat.
Ich bringe meinen Mitarbeitern bei, genau aufzupassen, wenn jemand Vorwürfe äußert oder Behauptungen aufstellt und zu überlegen, was solche Äußerungen möglicherweise über die Person selbst aussagen. Bei Herrn Ferrat gibt es wie so oft einen Treffer: Er ist faul und ideenlos.
Er hat sich nämlich keinerlei Mühe gemacht, seine Anträge mit verhandelbaren Gedanken (Ideen) zu untermauern.
Wie Herr Grunert das richtig beschreibt – so geht das nicht. Es geht aber auch nicht, wenn Thomas Trüper, Sprecher der zwei-Personen-Gruppe “Die Linke”, sagt:
Diese Anträge sind antidemokratisch und neoliberal. Wir werden alle ablehnen, weil ernsthafte Themen in den Dreck gezogen werden.
Denn auch Herr Trüper macht sich keine Mühe und reagiert erkennbar böse und nicht souverän. Warum? Weil Julien Ferrat über die linke Liste in den Gemeinderat gewählt worden ist. Hört man Herrn Trüper zu und überlegt, was seine Aussage bedeutet, erkennt man, dass er Herrn Ferrat in den Dreck ziehen will. Auch das ist nicht eben die feine Art.
Beim Antrag 15, in dem Herr Ferrat eine “Steinkohle-Steuer” verlangt, wird er vom Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) aufgeklärt, dass seine Anträge zum Themenkreis Kommunalabgabengesetz (KAG) ganz überwiegend rechtswidrig sind. Als Herr Ferrat zur Begründung einen Sachvortrag fordert, bekommt er vom promovierten Juristen Kurz einen Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit einer hessischen Speiseeissteuer, weil der örtliche Wirkungskreis nicht erfüllt sei.
Der Leitsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts lautet:
Eine Speiseeissteuer ist keine Verbrauch- oder Verkehrsteuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis im Sinne von Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG, wenn ihr jede entgeltliche Abgabe von Speiseeis an Verbraucher im Gemeindegebiet und nicht nur die Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle unterfallen soll.
Dieser Beschluss wurde am 23. Juli 1963 veröffentlicht – Az.: 2 BvL 11/61.
Hinweis: Wir hatten im Vorfeld der Etat-Beratungen darauf hingewiesen, dass es Gerüchte gab, nach denen Herr Ferrat möglicherweise versuchen könnte, seine Etat-Rede nackt zu halten. Das wurde der Öffentlichkeit erspart. Herr Ferrat, Mitglied der bundesweit 600 Mitglieder umfassenden “Familien-Partei” hielt sie angezogen. Seine kurze Haushaltsrede thematisierte eine pauschale Verschwendung von Steuergeldern, ganz konkret am Beispiel Nationaltheater, das er als “Ort der Dekadenz” bezeichnete. Weiter kritisierte er die lokalen Medien als “Lügen- und Lückenpresse”, weil kaum über seine Antragsflut berichtet worden sei. Möglicherweise sollte der Einzelstadtrat Ferrat, sollte er sich entschließen, sich Kenntnisse zu verschaffen, zunächst das Wort Hybris nachschlagen.
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