Mannheim, 12. März 2014. (red) Der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) nutzt seit rund vier Jahren ein persönliches Facebook-Profil. Bis zu zwei Stunden in der Woche checkt er seine Pinnwand, beantwortet Freundschaftsanfragen und postet Neuigkeiten rund um Mannheim. Im Gegensatz zu Facebook-Auftritten anderer Politiker finden sich hier jedoch keine Lobhudeleien auf die eigene Person. Das Mannheimer Urgestein postet vor allem Artikel, bei denen es um „seine Stadt“ geht – sehen können das nur seine „Facebook-Freunde“. Wie Oberbürgermeister Kurz seine Seite handhabt und warum er seine aktuell 3.731 Freunde nicht alle persönlich kennt – darüber spricht er mit uns im Interview.
Das Gespräch führten Hardy Prothmann und Julia Schmitt
Herr Oberbürgermeister, danke schön, dass Sie meine Freundschaftsanfrage (Julia Schmitt) auf Facebook angenommen haben. Seit wann nutzen Sie denn soziale Medien?
Dr. Peter Kurz: Ich habe vor ungefähr vier Jahren damit begonnen.
Warum haben Sie sich bei Facebook angemeldet? Wollten Sie damals einfach auch dort mitmachen oder hat Sie jemand beraten?
Kurz: Ein guter Freund hat mir empfohlen das zu machen. Ich habe mich schnell überzeugen lassen, dass das ein neuer Kommunikationskanal ist. Bisher habe ich damit auch keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Viele Facebook-Nutzer checken gleich in der Früh als erstes ihren Facebook-Stream. Wie ist das bei Ihnen?
Kurz: Heute morgen war das zufälligerweise auch bei mir so. Das ist aber unterschiedlich. Wenn ich es am Abend nicht mehr gemacht habe, mache ich es gleich am Morgen. Meistens überprüfe ich Facebook zwischen zwei Terminen, während ich im Auto sitze.
Ist Facebook die einzige soziale Plattform, die Sie nutzen?
Kurz: Ja – vor allem aus Kapazitätsgründen. Schließlich ist das kein städtisch betreuter Auftritt, sondern mein privater und die Nutzung kostet Zeit. Die ist knapp bei mir.
„Was dort stattfindet, ist nicht privat“
Können Sie bei Ihrem Facebook-Profil denn die Privatperson von der Amtsperson Oberbürgermeister trennen?
Kurz: Nein, es ist eine Facebook-Seite von Peter Kurz – der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim ist. Aber natürlich ist das, was dort stattfindet, nicht privat.
Aber ist das nicht der Sinn der Plattform?
Kurz: Das stimmt und das geht eigentlich gegen die Empfehlungen, die ich bekommen habe. Es ist ja ein Medium, das sehr stark auf die Person abzielt. Ich habe aber nicht den Anspruch mein Privatleben dort zu zeigen und auszubreiten, wie mit etwa: „Heute Mittag toll gegrillt“, inklusive Bratwürstchen-Foto. Das mache ich nicht.
Wie nutzen Sie Facebook dann?
Kurz: Ich habe das immer als Plattform für meine persönliche politische Tätigkeit gesehen. Ich kommentiere nicht, was andernorts politisch geschieht. Im Fokus steht die Stadt Mannheim. Ich poste vor allem Artikel, bei denen ich denke, dass sie interessante Inhalte zu Mannheim bieten. Aber auch um zeigen, in welchen Medien eigentlich alles über die Stadt Mannheim berichtet wird. Ganz selten benutze ich die Kommentarfunktion.
Sie nutzen also Ihre eigene Seite um auf andere Inhalte hinzuweisen?
Kurz: Ab und zu verweise ich auch auf meine eigene Homepage. Dort sind dann meine eigenen Statements zu finden, wobei auch diese Seite leider aus Kapazitätsgründen nicht mehr so oft, wie ich mir das wünsche, mit neuen Artikeln bestückt wird.
Ihre Facebook-Seite liest sich eher als Stadtmarketing denn als Selbstvermarktung. Sie vermitteln den Eindruck, dass die Stadt Mannheim gleich dem Menschen Peter Kurz ist.
Kurz: Das fällt mir erst jetzt auf, wo Sie das so sagen. Das ist eigentlich nicht das Konzept, aber Sie haben Recht. Es ist meine Seite, ich bin Oberbürgermeister und selbstverständlich identifiziere ich mich mit der Stadt. Deshalb poste ich auch das, was Mannheim betrifft und nicht Dinge, die nur mittelbar mit mir zu tun haben. Der Hintergedanke dabei war aber nicht diese Gleichstellung hervorzurufen. Aber es stimmt, man kann es tatsächlich auch so verstehen. Ich werde darüber nachdenken.
Privatperson und öffentliche Person sind getrennt
Von uns aus nicht – wir finden das sympathisch. Schließlich sind auf anderen Politikerseiten nur Berichte zu finden, die explizit mit den Personen zu tun haben. Nochmal zum Privatleben. Warum trennen Sie das strikt? Viele öffentliche Personen nutzen das.
Kurz: Man muss immer damit rechnen, dass man öffentlich wahrgenommen wird. Meine Kinder wissen, dass der Papa potenziell in Mannheim und Umgebung erkannt wird. Aber ich habe mit meiner Familie eine klare Verabredung, dass sie nicht für politische Zwecke „eingesetzt“ werden. Bei meiner Frau ist es unvermeidlich, dass sie mich auf öffentliche Anlässe begleitet und sie ist auch sehr engagiert, beispielsweise in der Partnerschaftsarbeit. Aber es ist ganz klar: Privatperson und öffentliche Person sind getrennt. Und daran wird sich nichts ändern.
Ist dann Ihr Facebook-Profil kein Widerspruch?
Kurz: Mir begegnet diese Fragestellung oft – ob ich denn nicht zu distanziert sei. Aber ich bin da eher altmodisch – insofern ist es im Fall Facebook wohl eher so: Neues Medium und altmodischer Auftritt. Mein Verständnis als Amts- und Mandatsträger ist, dass ich dieses Amt möglichst gut machen will. Für mich ist es nicht wichtig, ob ich zum angesagtesten Friseur der Stadt gehe oder auf welcher Party ich gesehen werde. Darüber definiere ich nicht die Qualität meiner Arbeit. Das entspricht einfach nicht meinem Selbstverständnis.
„Ich schicke grundsätzlich keine Freundschaftseinladungen“
Bei Facebook haben Sie 3.731 Freunde. Kennen Sie die alle persönlich?
Kurz: Sicher nicht.
Und wie sind Sie dann zu diesen Freunden gekommen?
Kurz: Ich verschicke grundsätzlich keine Freundschaftsanfragen. Die Menschen schicken mir welche. Irgendwie ist es ein Stoßgeschäft. An manchen Tage gibt es keine Anfrage und manchmal ein Dutzend auf einmal. Wenn ich einen Bezug zu Mannheim sehe, nehme ich die Anfragen in der Regel an. Eigentlich habe ich bisher nur „exotische“ Anfragen aus dem internationalen Raum, wo es keinen Bezug zu Mannheim gab, abgelehnt.
Sie schauen sich also die Menschen an, die mit Ihnen befreundet sein wollen. Gab es schon einmal eine Person, bei der Sie sagten, mit dieser wäre ich doch lieber nicht befreundet – sei es wegen einer politischen Gruppierung?
Kurz: Da sind sicherlich Leute dabei, die sogar politische Gegner sind. Das gibt es auch. Für mich gibt es eine Grenze bei den Postings. Ich schicke dann eine persönliche Nachricht und teile mit, dass ich solche Postings nicht auf meiner Seite haben möchte. Es geht dabei aber nicht darum, dass man Themen anspricht, sondern wie man dies tut. Bislang ist aber noch niemand so weit gegangen, das wieder und wieder zu tun. So jemanden würde ich dann löschen. Ganz klar.
Ist das die problematische Seite bei sozialen Netzwerken?
Kurz: Möglich, ich bin da auch skeptisch. Mittlerweile werden Dinge selbstverständlich öffentlich gepostet, die früher so nicht möglich gewesen wären. Da erodiert an gewissen Stellen der Begriff Respekt. Was macht das aber mit der Gesellschaft, wie verändert das den Umgang, die Kommunikation?
Passiert das auch in der öffentlichen Debatte?
Kurz: Ja, beispielsweise beim Thema Zuwanderung: Es gibt mittlerweile bloß noch die Varianten Scharfmacher oder Abwiegler. Den pragmatischen Mittelweg, also nicht übertreiben, keine Stimmung machen, aber die Probleme benennen – das ist nicht sonderlich gefragt. Auch in den überregionalen Medien nicht mehr. Das betrachte ich mit Sorge.
Wer kann die Postings, die Sie auf Facebook mitteilen, sehen?
Kurz: Nur meine Facebook-Freunde.
„Ich bekomme mehr Mails auf anderen Wegen als auf Facebook“
Wird die Möglichkeit, persönlich bei Ihnen zu posten, oft genutzt?
Kurz: Das nutzen nur wenige. Wenn es etwas ganz Absurdes, wie „Wer will meine Katze?“ ist, lösche ich das. Manche versuchen ab und an eine Provokation, aber ich springe nicht über jedes Stöckchen. Da ich die Facebook-Seite nicht immer regelmäßig prüfen kann, stehen solche Dinge dann einmal zwei Tage dort. Aber dann ist das halt so.
Haben Sie schon positive Überraschungen erlebt?
Kurz: Ja, aber eher über Direktnachrichten. Da gibt es dann zum Beispiel positive Rückmeldungen zu Veranstaltungen. Das findet aber weniger öffentlich statt. Vielleicht, damit andere nicht denken, man wolle sich beim Oberbürgermeister „lieb Kind“ machen.
Bekommen Sie denn viele Direktnachrichten?
Kurz: Ich bekomme deutlich mehr Mails auf anderen Kanälen. Meistens sind die Facebook-Nachrichten so individuell, dass Menschen mir ein Problem mitteilen. Die gebe ich natürlich dann an die zuständigen Mitarbeiter weiter. Das ist ja genauso, wie wenn mich jemand auf der Straße anspricht. Diese Nachrichten nehme ich ja auch mit ins Büro.
Also wird Facebook von den Bürgern und Ihnen als öffentlicher Raum genutzt?
Kurz: Ja, es ist ein virtuell, aber eben doch öffentlicher Begegnungsraum.
Haben Sie sich die Facebook-Nutzung von einem Experten beibringen lassen oder über learning-by-doing?
Kurz: Ich bin es einfach nach meinen eigenen Kriterien angegangen. Mein Facebook-Profil sieht natürlich auch anders aus als das von anderen Politikern. Es ist weniger Ich-bezogen. Da spiegelt sich eben auch mein Grundverständnis wider: Ich nutze es als Informationsplattform.
So korrekt wie Sie verhalten sich aber nicht alle im Netz.
Kurz: Das habe ich manchmal bei anderen Postings beobachtet. Da habe ich die Äußerungen in einem sehr kritischen Bereich wahrgenommen und wenn man dann die Person anklickt und sieht, dass derjenige bei einem Weltunternehmen arbeitet, erschreckt mich das schon. Bestimmte Haltungen bei bestimmten Menschen, was geht und was eben nicht geht, gehen über diese Plattformen verloren.
Haben Sie eine vorgefertigte Netiquette, die Sie schicken können?
Kurz: Nein, darauf habe ich bisher sehr individuell reagiert.
„Die Frage ist, ob man etwas Strittiges postet oder provozieren will oder nur informieren“
Malu Dreyer, Christian Ströbele, Daniel Bahr – das sind nur einige prominente Opfer eines Shitstorms. Hatten Sie damit auch schon Erfahrung? Wie würden Sie reagieren?
Kurz: Damit habe ich bislang keine Erfahrung. Ich müsste erst einmal darüber nachdenken, wie ich reagieren würde. Eine Strategie habe ich nicht. Ich habe auch schon Links gepostet, bei denen ich mit schwierigen Kommentaren gerechnet habe, aber das ist nicht eingetroffen. Die entscheidende Frage ist, ob man etwas Strittiges postet oder provozieren will. Das macht einen Unterschied.
Es gibt ja als Gegensatz zum Shitstorm den Flauschstorm – wie steht es damit, erleben Sie das?
Kurz: Ich glaube nicht, dass es schon so viele Rückmeldungen gab, dass diese in die Kategorie des „Sturms“ fallen. Der Höhepunkt sind so etwa 200 Rückmeldungen.
Haben Sie viele politische Kollegen als Freunde auf Facebook?
Kurz: Ich glaube mittlerweile ja. Aber da ich sie nicht gezielt anspreche, bin ich nicht sicher. Es sind aber relativ wenige Kommunalpolitiker, sondern eher Landes- und Bundespolitiker.
Schauen Sie regelmäßig, was andere posten? Gibt es eine Zielperson, die Sie immer ansteuern?
Kurz: Zwar scrolle ich ab und zu durch die Neuigkeiten, weil ich das durchaus interessant finde, aber ich schaffe das zeitlich kaum. Ich selber bin eher ein Sender als ein Empfänger.
Im nächsten Jahr ist Wahlkampf. Wird sich Ihr Verhalten auf Facebook dann ändern?
Kurz: Wahrscheinlich stelle ich dann die Seite um und mache ich sie dann öffentlich zugänglich oder werbe für sie. Das habe ich aber im Detail noch nicht entschieden.