Rhein-Neckar, 12. Oktober 2015. (red) Im Nachgang zu unserer öffentlichen Redaktionskonferenz im Miramar hat uns Lars Hennemann, Chefredakteur Darmstädter Echo, seine Eindrücke aufgeschrieben. Besten Dank dafür – und er liegt richtig, es geht nicht um gute oder schlechte „Presse“, sondern ausschließlich um den bestmöglichen Journalismus.
Von Lars Hennemann
Was macht Journalismus aus? Darüber wird viel geredet und noch mehr geschrieben. Und kaum eine Branche hat so viel Routine darin, sich selbst schlecht zu reden wie die Presse. Manchmal hat sie es verdient. Aber dann reden wir über Presse – und nicht über Journalismus.
Journalismus wächst nicht auf Bäumen. Und auch nicht in Seminaren. Und erst recht nicht im Back Office. Und deshalb (ja, jetzt ist es gut mit den Und-Anschlüssen) entsteht der echte Erkenntnisgewinn, den ein Journalist sich erst einmal selbst erschließen und danach seinen Lesern vermitteln muss, immer dann, wenn die Filter wegfallen. Wenn es echt wird und sich Menschen aufeinander einlassen.
Wir betreten die Kristalltherme im Weinheimer Miramar. Nicht wirklich der klassische Ort für Gespräche, die Mehrwert bringen. Relevanz in der Wellness-Oase? Als Versuchsanordnung bringen das vermutlich außer Hardy Prothmann nur wenige fertig.
Er selbst lebt wie wenige die Suche nach gehaltvollem Journalismus. Vor allem in Rhein-Neckar kann der eine oder andere ein Lied davon singen, dass ein Weg mit Prothmann kein leichter ist.
Aber an diesem Abend hat er erst einmal nur eingeladen: sein Team, einige Gäste, den Hausherrn und – Dr. Konrad Hummel, den Konversionsbeauftragten der Stadt Mannheim. Der Mann wirkt abgekämpft. Er muss mitten im Vortrag abbrechen, weil eines seiner beiden Diensthandys klingelt. Aber als er zurückkommt, geschieht etwas, was selten ist: Man lernt sofort dazu. Wenn die richtigen Menschen zur richtigen Zeit beieinander sind, entsteht Relevanz genau so: Profis berichten, andere hören zu und ordnen es ein. Die Verpackung – Papier oder Display – ist nachrangig.
Herr Hummel erzählt: Der Anruf kam vom Oberbürgermeister. Schon wieder müssen auf den Liegenschaften, die er vermarktet, 300 Flüchtlinge untergebracht werden. 300 Menschen, von deren schierer Existenz er bis zum Zeitpunkt des Anrufs noch nicht einmal etwas wusste. Er wird das schaffen.
Aber bevor er sich auf den Weg macht, spricht er in der Kristalltherme, wo er eigentlich über Bürgerbeteiligung referieren sollte, zehn Minuten über das Thema Flüchtlinge. Zehn Minuten, die als Endlosschleife im Bundestag, in allen Landtagen, Kreistagen und Bürgermeisterstuben laufen sollten.
„Wir müssen bei diesem Thema in die Offensive kommen.“ Herr Hummel will kein Getriebener mehr sein. Nicht, weil ihm das persönlich gegen den Strich geht. Das vielleicht auch. Aber vor allem, weil das ewige Nacharbeiten einfach elend unprofessionell ist.
„Wir verteilen Wohnungen, Arbeitskraft, Ressourcen. Und das auf Jahre. Wir reden eigentlich über fundamentale Dinge.“ Darüber will er reden, das ist Offensive. Und er hat recht.
„Ich rede nicht von Gutmenschentum, ich rede von trockenem Management.“ Und managen müssen das alle, nicht nur einige wenige Verwaltungsschaltstellen, die im roten Bereich drehen. „Das Thema Flüchtlinge betrifft uns alle, nicht nur den Staat und einige ehrenamtliche Helfer, die keine Kapazitäten mehr haben.“
Herrn Hummel geht es um die Bürger. Die Bürger Mannheims – oder eigentlich jeder Stadt in Deutschland -, die begreifen müssen, dass sie alle gefragt sind oder gefragt sein werden. „Betroffenheit ist Teilhabe. Der Bürger als Shareholder. Die Probleme, die wir zu bewältigen haben, sind zu komplex für alte Methoden.“
Das klingt jetzt wolkig. Blumig. Trocken. Was damit gemeint ist, merkt der eine oder andere Mannheimer vielleicht erst, wenn es nass wird. Dann, wenn der Rhein mal wieder viel Wasser führt. Und das THW keine Dämme bauen kann. Weil es sich um Flüchtlinge kümmert. THW, Lehrer, Sozialarbeiter, Dolmetscher, Architekten, Stadtplaner – die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Herr Hummel muss das gar nicht mehr aussprechen.
Herr Hummel ist kein Apokalyptiker oder Menschenfeind. Er bringt es einfach auf den Punkt. Und es sind genug Journalisten im Raum, um die Worte aufzunehmen. Weil Hardy Prothmann sie dorthin eingeladen hat. So entsteht Relevanz. Journalismus. Live. Und hoffentlich der eine oder andere Impuls, der allen hilft.