Mannheim, 12. September 2016. (red/ms) Zwei kurdisch stämmige 23-Jährige müssen sich aktuell vor dem Amtsgericht Mannheim verantworten – sie stehen im Verdacht, drei Salafisten während Koranverteilungen in der Mannheimer Innenstadt angegriffen und schwer verletzt zu haben. Seitens der Behörden wird offenbar von einem erheblichen Konfliktpotenzial zwischen den Gruppen Kurden und Salafisten ausgegangen – die Sicherheitsvorkehrungen sind auffällig hoch.
Von Minh Schredle
Ein gutes dutzend Polizisten bewacht den Eingangsbereich, im Verhandlungssaal selbst sind sechs Sicherheitskräfte anwesend – für eine Verhandlung am Amtsgericht Mannheim sind Maßnahmen in diesem Umfang eher unüblich. Am Vormittag des ersten Verhandlungstags blieb es ruhig – doch offenbar gehen die Behörden von einem erheblichen Konfliktpotenzial aus.
Am 25. Juli 2015 wurden drei Salafisten in der Mannheimer Innenstadt attackiert, während sie im Rahmen der „Lies!“-Kampagne den Koran verteilten. Alle drei mussten, teils mit Frakturen, nach dem gewalttätigen Übergriff ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nach Recherchen des Rheinneckarblogs handelt es sich bei einem der Opfer um einen bekannten Islamprediger, der nach Einschätzung verschiedener Behörden Gewalt gegen Anders- und Ungläubige als grundsätzlich „legitim“ ansieht.
Kurden gegen Salafisten
Die beiden Tatverdächtigen sind jeweils 23 Jahre alt, kurdisch stämmig und laut Staatsanwaltschaft Sympathisanten der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die vom Verfassungsschutz als terroristische Vereinigung eingestuft wird und in Deutschland verboten ist. Sie müssen sich nun unter anderem wegen des dringenden Tatverdachts auf gefährliche Körperverletzung vor Gericht verantworten.
Außerdem sollen die beiden laut Anklage am 01. November 2015 an der Beschädigung zweier kws beteiligt gewesen sein: Erdogan-Anhänger feierten einen Wahlsieg der türkischen AKP mit einem Autokorso in der Mannheimer Innenstadt. In Marktplatznähe wurden Autos von einer Personengruppe gestoppt und schwer beschädigt. Dabei entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 6.000 Euro.
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Vor der Verhandlung am Amtsgericht werden die Besucher gefragt, welchem „Lager“ sie angehören – die Kurden sollen links sitzen, die Zugehörigen der salafistischen Szene rechts, um Spannungen zu vermeiden. Doch die Anteile sind sehr unterschiedlich: Während zur Verhandlung etwa 30 Kurden, überwiegend Männer gegen Ende 20, erscheinen, nimmt auf der Seite der Salafisten nur eine einzelne Person Platz. Die Geschädigten selbst sind nicht anwesend.
Schleppender Auftakt
Zum Prozessauftakt gab es keinerlei Auffälligkeiten: Unter den Zuschauern blieb es ruhig, die Sicherheitskräfte mussten zu keinem Zeitpunkt einschreiten. Die Verhandlung selbst ging allerdings nur schleppend voran: Insgesamt sollen im laufenden Prozess elf Zeugen vernommen werden – drei davon waren zwar geladen, erschienen aber nicht. Gegen sie wurde ein Ordnungsgeld von jeweils 300 Euro verhängt.
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Lesetipp: Verbot hätte „erhebliche rechtliche Hürden“
„Salafisten dürfen den Koran verteilen“
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Am Vormittag konnten somit nur zwei Zeugen angehört werden, von denen der eine so widersprüchliche Angaben zu dem Übergriff auf die drei Salafisten machte, dass seine Aussage für das Gericht kaum einen Erkenntnisgewinn bedeutet haben dürfte: So behauptete er, sich völlig sicher zu sein, dass er zwar die mutmaßlichen Täter vom Tatort habe fliehen sehen, aber den Übergriff selbst nicht beobachtet zu haben – das steht im direkten Widerspruch zu den Aussagen des Zeugen in seiner polizeilichen Vernehmung unmittelbar nach dem Vorfall, wo er behauptete, er habe gesehen, wie die drei Opfer angegriffen worden sind. Als ihm das Protokoll vorgehalten wird, sagt er, er könne sich eigentlich gar nicht mehr erinnern.
Für das Verfahren sind vorläufig nur zwei Verhandlungstage angesetzt, die Fortsetzung wird am Mittwoch um 09:00 Uhr erfolgen. Ob der Prozess so schnell zu einem Abschluss geführt werden kann, scheint aktuell allerdings fraglich, da die Vernehmungen bislang nur schleppend vorangingen und nur wenige eindeutige Erkenntnisse hervorbrachten. Die Angeklagten selbst machten, auf Empfehlung ihrer Anwälte, beide von ihrem Schweigerecht Gebrauch.
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