Heidelberg/Ladenburg, 12. April 2016. (red/cr) Der Körper wird in der heutigen Gesellschaft immer mehr eine Puppe, die nach Belieben modelliert werden kann. Für die Lyrikerin Carolin Callies ist er ein Ort, an dem Geschichten stattfinden – befremdliche und unheimliche Geschichten vom Verfall. Zusammen mit der Band Elda verband sie am Mittwochabend ihre Gedichte mit Musik, Geräuschen und Rhythmen. Eine anspruchsvolle Mischung, die gut ankam.
Von Christin Rudolph
Bei der Veranstaltungsreihe lied.lab des Heidelberger Frühlings kommen Musik und Literatur zusammen. Beim zweiten lied.lab am Montagabend im Karlstorbahnhof trafen die Gedichte von Carolin Callies nicht auf die Musik der Band Elda, sie verbanden sich zu einem Gesamten.
Carolin Callies wurde 1980 in Mannheim geboren, machte beim Suhrkamp Verlag eine Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin und studierte Germanistik und Medienwissenschaft in Mannheim. Ihre Gedichte wurden in verschiedenen Zeitschriften und Antologien veröffentlicht.
Im vergangenen Jahr erschien ihr Debüt „fünf sinne & nur ein besteckkasten“ und wurde mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnet. Für den Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt war sie nominiert. Die Lyrikerin lebt in Ladenburg.
Drei Stimmen, viele Worte und Klänge
Leila Antary und Alessa Stupka sind zusammen die Mannheimer Band Elda. Zu Bass und Gitarre singen sie englischsprachigen Pop. Dabei gehen ihre Gesangsstimmen eine Symbiose ein und bleiben doch flexibel.
Mal einstimmig, mal mehrstimmig wechselt die Melodieführung zwischen den beiden Musikerinnen hin und her. In der Laustärke und Artikulation genau aufeinander abgestimmt schleichen sich Gesangsstimmen gefühlvoll ein um wieder abzuebben oder die Melodie zu variieren.
Mal wechselt sich die Musik ab mit dem gesprochenen Wort, mal bildet sie einen Klangteppich als Grundlage, mal untermalen Laute und Geräusche den Text.
Mutiges Experimentieren
Einmal werden sogar ein Glas und Besteck zu Rhythmusinstrumenten, um den im Titel des Gedichtbands erwähnten Besteckkasten zum Klingen zu bringen. Was sonst noch klingt in den Texten von Carolin Callies: Körperlichkeiten.
Von Sex bis hin zur Lepra seziert sie den Körper.
Es gibt keinen Haushalt / nur Gesichter
Irritierend, dass Körper, und weniger Figuren, Objekte und Subjekte ihrer Lyrik sind. Wo Menschen ihren Körper doch zunehmend nach Belieben verändern.
Spannung bis zum Schluss
Unheimlich und befremdlich in einer Zeit, die dazu tendiert, den Körper bis in den Tod hinein kontrollieren zu wollen.
Wenn Sie sich etwas unwohl fühlen – das ist gewollt.
Inhaltlich unbehaglich war der Vortrag, aber auch sehr spannend – auch formal. Die Melodie der Stimme von Carolin Callies scheint einen ganz nah an den Gegenstand der Betrachtung zu tragen und den Kopf in jeden Winkel zu stecken nur um den Zuhörer abrupt fallen zu lassen.
Plötzlich ist der Text zu Ende und das Ohr in der Schwebe, in der Spannung, wie sich die Klänge und Assoziationen als nächstes verbinden – zu Musik, Geräuschen und Sprache.
Eine anspruchsvolle Mischung, die gut beim Publikum ankam. Band und Autorin durften eine Zugabe geben.
Beim nächsten lied.lab am Montag, dem 18. April, liest Julia Wolf zu Musik von Dominik Baer.