Stuttgart/Rhein-Neckar, 12. Mai 2016. (red/pro) Die politisch Korrekten stehen sich selbst im Weg, wenn sie politische Korrektheit ständig wie ein Transparent hochhalten, anstatt einfach nur politisch korrekt zu sein. Wer das scheinbar Besondere ständig betont, schafft keine Normalität.
Kommentar: Hardy Prothmann

Muhterem Aras ist neue Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg. Foto: Bündnis90/Die Grünen
Erstmal herzlichen Glückwunsch an Muhterem Aras zu Ihrer Wahl als neue Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg. Unsere Redaktion wünscht ihr eine gute Hand für dieses wichtige Amt.
Und auch, dass man sie an ihrer Amtsführung misst und nicht daran, dass sie die erste Frau auf diesem Posten ist und jetzt halten Sie sich fest: Die erste Muslima. (Sie können sich jetzt hier so viele Ausrufezeichen denken, wie diese Tatsache es ihnen wert ist.)
Vier von sechs Punkten
Ausnahmslos alle Medien, die aktuell dazu berichten, betonen das Geschlecht (Frau), die Herkunft (türkische Migrantin) und die Religionszugehörigkeit (Muslima) der Landtagspräsidentin sowie natürlich die Parteizugehörigkeit (Bündnis90/Die Grünen).
So gesehen ist Frau Aras eine Person der Superlative. Sie erreicht zwar nur vier von sechs möglichen Punkten – zwei Punkte kann sie nicht machen. Sie ist nicht homosexuell, sondern verheiratet und hat ein Kind. Außerdem ist sie nicht die „jüngste“ Abgeordnete in dieser Funktion, Erich Schneider war beispielsweise 1982 erst 49 Jahre alt, während Frau Aras 50 Jahre alt ist.
Alle anderen Landtagspräsidenten waren männlich, deutsch, christlicher Konfession und CDU, die allermeisten älter. Ob jemand homosexuell war, wissen wir nicht. Eine von zwei früheren CDU-Abgeordneten war tatsächlich der bislang jüngste, bekommt also einen Punkt.
Merken Sie was? Welche der „berichteten“ Eigenschaften der Frau Aras ist tatsächlich eine Information, die Nachrichtenwert hat im Jahe 2016?
Die Nachrichtenredaktionen der Öffentlich-rechtlichen Sender, der Zeitungen, der großen Online-Portale könnten sich an Wikipedia ein Beispiel nehmen. Das Online-Lexikon kommt fast ohne die oben benannten Eigenschaften aus und transportiert wesentliche Basisinformationen zu der neuen Landtagspräsidentin:
„Ihre politische Laufbahn begann 1992 mit dem Eintritt bei den Grünen. Ein erstes Mandat übernahm sie nach der Kommunalwahl 1999 im Gemeinderat von Stuttgart. Dort war sie von 2007 bis 2011 Fraktionsvorsitzende ihrer Partei.
Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 gewann sie das Erstmandat im Wahlkreis Stuttgart I mit 42,5 % der abgegebenen Stimmen[1] und wurde damit Stimmenkönigin der Grünen in Baden-Württemberg. Sie war Mitglied in den Ausschüssen für Finanzen und Wirtschaft und für Kultur, Jugend und Sport sowie finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.
Seit 2014 ist Aras Kreisvorsitzende des Stuttgarter Kreisverbands von Bündnis 90/Die Grünen.[2] 2016 kandidierte sie erneut im Landtagswahlkreis Stuttgart I und gewann das Mandat mit 42,4 Prozent, wiederum dem landesweit besten Ergebnis für ihre Partei.[3]
Am 11. Mai 2016 wurde Aras mit den Stimmen von 96 Abgeordneten zur neuen baden-württembergischen Landtagspräsidentin gewählt und war damit deutschlandweit das erste Mitglied der Grünen sowie in Baden-Württemberg die erste Frau in diesem Amt.“
Zeichen der Toleranz vs. Tatsächlichkeiten
Was fehlt, ist: 39 Abgeordnete stimmten mit Nein, vier Stimmzettel enthielten einen anderen Namen, einer war ungültig. Grüne und CDU haben zusammen 89 Stimmen. Angenommen, alle weiteren Stimmen seien von der SPD gekommen, bedeutete dies gleichzeitig, dass nicht nur die AfD und die FDP, sondern auch 12 SPD-Abgeordnete Frau Aras nicht gewählt haben.
Frau Aras (persönlicher Lebenslauf hier) bedankte sich für „ein Zeichen der Weltoffenheit und das Gelingen von Integration“. Sie erwähnte dabei nicht, dass diese Zeichen schon 2011 möglich gewesen wären. Damals unterlag sie aber ihrer grünen Partei“freundin“ Brigitte Lösch bei der Wahl zur Landtagsvizepräsidentin.
Ob die überwiegende Mehrheit der türkischen Mitbürger in Deutschland, die ganz überwiegend Erdogan-Anhänger und Sunniten sind, die Wahl von Frau Aras als ein „Zeichen der Toleranz“ verstehen werden, darf bezweifelt werden. Frau Aras ist Kurdin und Alevitin – und damit aus Sicht strenggläubiger Sunniten eine Ungläubige.
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Erstaunlich ist, dass alle die von der „Qualitätsmedien“ berichteten Eigenschaften genau keine Qualität der Frau Aras ausmachen – wie so oft, wenn es um politische Korrektheit geht und nicht um vernünftige Informationen. Auf die Idee, dass die Betonung der „Besonderheiten“ eben kein Zeichen von Toleranz ist, sondern die Zementierung des „Andersartigen“, kommt keiner der politisch-korrekten „Berichterstatter“.
Freuen wir uns auf den Tag, an dem dies alles nicht mehr betont werden und auch niemand mehr Zeichen einer besonderen Toleranz erkennen muss, sondern es so normal ist, dass bestimmte „Eigenschaften“ keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Das dürfte noch einige Zeit hin sein.
Für große Irritationen sorgte die AfD-Abgeordnete Christina Baum aus Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis). Laut SWR bezeichnete sie die Wahl von Frau Aras als „Zeichen der Islamisierung Deutschlands“.