Rhein-Neckar, 11. Mai 2018. (red/pro) Ganz ehrlich? Es reicht langsam mit den politischen Korrektheitheiten und Empörungen und Shitstorms und Entschuldigungen und insgesamt dieser komplett irren „Aufregungskultur“. Immer dann, wenn es um die Opferrolle der Muslime geht, aber auch immer dann, wenn es um den angeblichen Niedergang des „Abendlandes“ geht, was auch immer das sein soll.
Kommentar: Hardy Prothmann
Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der rechtsstaatlichen Länder dieser Welt. Wir haben ein sehr gutes Grundgesetz, das in herausragender Weise Rechte schützt und garantiert. Dazu haben wir weitere Gesetze, die in schier unglaublichem Umfang unser Zusammenleben regeln. Dazu haben wir Behörden, die ebenfalls mit enormen Aufwand darauf achten, dass Recht und Gesetzt für alle gleich gelten. Kein Staatswesen ist perfekt und wird das jemals sein. Es gibt auch bei uns Fehler und Ungerechtigkeiten, aber sie sind die Ausnahme und nicht System.
Wenn ein Lebensmittelhersteller Marketing macht, geht das in Ordnung. Wenn ein Produzent von was auch immer dabei auch emotional berühren will, geht das in Ordnung, solange nicht bewusst und vorsätzlich auf Kosten anderer, sei es die Konkurrenz oder sei es sonstwer, diskriminiert wird.
Man kann aber in der heutigen Welt, die überpolitisch korrekt sein will, praktisch nicht mehr „ohne Sünde“ sein. Auch wir wissen das – berichten wir so, werden wir von denen angefeindet. Berichten wir anders, von anderen.
Die Mannheimer Eichbauch-Brauerei hat alle Wappen aller an der kommenden Fußballweltmeisterschaft teilnehmenden Nationen auf Kronkorken gedruckt. Darunter Saudi-Arabien, dessen Wappen zufällig ein Glaubensbekenntnis enthält und dazu ein Schwert.
Wofür steht dieses Schwert, frage ich mich? In meinen Augen für die in hohem Umfang praktizierte Todesstrafe durch das Schwert in ebendiesem Land. Wer gegen Gesetze des Islam verstößt, bekommt in Saudi-Arabien den Kopf abgehakt. Mit einer archaischen Waffe aus dem Mittelalter. Einem Schwert. Einfach so. Zack. Kopf ab. Dieses Schwert ist ein Symbol der absoluten Menschenrechtsverachtung. Punkt. Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Was bitte, hat das auf einem Kronkorten zu suchen?
Wenn Eichbaum einen Shitstorm durch gläubige Muslime erlebt hat und nun einknickt, dann hat Eichbaum noch nicht meinen Shitstorm erlebt. Wie kommt eine Firma eigentlich darauf, das Wappen eines absolut menschenverachtenden, brutalen und rechtsstaatsfreien Landes im Zuge einer Marketingmaßnahme ohne jedes Nachdenken zu verwenden. Hallo, geht es noch? Zuviel Eichbaum getrunken in der Marketingabteilung? Nicht mehr alle Sinne beisammen?
Den Shitstorm erweitere ich auf die Bundesregierung. Jedes Geschäft mit Saudi-Arabien ist eine Schande für unser Deutschland, weil es Geschäfte mit brutalen, menschenverachtenden Despoten sind, die gegen alles stehen, was unser Deutschland ausmacht.
Den Shitstorm kann ich auch auf die Fifa erweitern. Ja, Sport verbindet. Geschäfte auch. Aber irgendwann ist Schluss mit lustig. Saudi-Arabien ist kein Staat, den man respektieren kann. Saudi-Arabien hat Öl und viele Billionen Petro-Dollars und da nähern wir uns dem Problem. Saudi-Arabien hat Öl und Geld. Gesellschaftlich gesehen ist dieses Land genau nichts, was jeder Mensch, der sich auch nur ansatzweise für Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Respekt vor Minderheiten interessiert. Saudi-Arabien ist ein Terrorstaat, der nachweislich auch Terror in Ländern mitfinanziert, die mit Saudi-Arabien Geschäfte machen.
Klar ist auch – Isolation ist nicht der beste Ratgeber, besser ist Kommunikation. Aber mit klaren Grenzen.
Was wäre gewesen, wenn Eichbauch alle Nationen auf den Kronkorken gebracht hätte, aber nicht Saudi-Arabien? Es hätte einen Shitstorm wegen Diskrimierung gegeben. Garantiert hätte sich irgendjemand gefunden, dem irgendetwas eingefallen wäre, um das so hinzudrehen.
Was dringend fehlt, ist mediale Haltung. Ein klare Einordnung durch Journalisten und der Mut, sich jedem Shitstorm in sozialen Medien zu stellen, anstatt jeden fucking Shitstorm als Chance zu begreifen, die inszenierte Aufregung zu verbreiten, um für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Ab sofort sollten alle Vertreter muslimischer Verbände unbedingt von jeglichen gesellschaftlichen Anlässen ausgeschlossen werden, wenn es dort Alkohol oder Schweinefleisch oder Speisen gibt, die nicht halal sind. Auch die Teilnahme von Menschen jüdischen Glaubens ist ein absoluter Ausschlussgrund. Auch wenn Ehebrecher oder Menschen in wilder Ehe und noch schlimmer, Schwule anwesend sein könnten, damit man bitte schön absolut vermeidet, jemanden, der muslimischen Glaubens ist, zu verstören oder sogar zu beleidigen.
In den Gemeinden sollten Schilder angebracht werden, die verhindern, dass Muslime gekränkt oder beleidigt werden könnten, weil sie an Gastronomien vorbeigehen könnten, in denen Alkohol oder Schweinefleisch verkauft werden.
Weiter sollte es getrennte Wegzonen geben, damit strenggläubige Muslime nicht auf Ungläubige treffen könnten.
Man könnte sich auch Gedanken machen, wie Verstöße gegen solche Regeln zu ahnden seien.
Klingt absurd – ist es und auch nicht.
Worauf ich hinaus will – die extremen Positionen rücken immer mehr in den Fokus und werden leider auch medial ausgeschlachtet, weil sich unverantwortliche Medien davon Aufmerksamkeit in Zeiten schwindender Auflagen versprechen. Das ist nicht nur ein Fehler, sondern auch unverantwortlich.
Wir leben in einer Mehrheitsgesellschaft und die ist anders als das manche im Süden Deutschlands meinen, nicht christlich geprägt, sondern durch das Grundgesetz, was meiner meiner nach der absolute Maßstab für „die deutsche Kultur“ ist.
In einer Mehrheitsgesellschaft bestimmt die Mehrheit das Recht – das bestimmt unser Wahlsystem und auch Entscheidungen bei Gericht, wenn Kammern Urteile fällen.
Die ganz großartige Leistung dieser Mehrheitsgesellschaft ist, dass sie Minderheiten achtet. Wenn aber Minderheiten, egal welcher Religion oder welcher politischen Überzeugung oder welchem sonstwas, dieses System verachten, indem sie als Minderheit die Mehrheit beherrschen wollen, läuft etwas grundsätzlich schief.
Wenn sich eine Minderheit von einem banalen Kronkorken verachtet und beleidigt fühlt, kann man dieser Minderheit mitteilen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist und grundsätzlich auch absolut dumme Meinungen schützt. Weiter muss man solchen Minderheiten keine Beachtung schenken, weil es Zeitverschwendung ist.
Es gibt – zu Recht – immer wieder den Anspruch von Minderheiten, welcher auch immer, für ihre Sache zu werben. Aber auch das braucht Maß und Mitte. Wenn angebliche Diskriminierungen zuhauf angeklagt werden und das Empörungslevel immer sogleich im roten Bereich ist, dann hält das niemand aus. Die Dauererregung wird in Zorn münden und Zorn ist immer schlecht.
Dauererregung und Zorn sind die Petrischale des Extremismus – überall auf der Welt, unabhängig von jedem Glauben und jeder politischen Einstellung. Hier wachsen böse Keime. Und oft erzeugen Dauererregung und Zorn das Gegenteil dessen, was gewünscht ist: Eine vernünftige Auseinandersetzung.
In Deutschland herrscht Religionsfreiheit. Aber auch Meinungsfreiheit. Und es gibt viele andere Gesetze, die jeweils im Einklang mit vielen anderen Gesetzen sein müssen. Demokratische Entscheidungen sind langwierige und eben keine kurzen Prozesse. Man hat jede Menge Rechtsmittel und eine große Öffentlichkeit, die Vorgänge begleitet und damit mächtig ist.
Wer sozialen Medien die Macht überlässt, überlässt sie den Doofen und den Hatern, denn die sind nachgewiesen absolut im Vorteil, weil sie mit höherer Energie Shitstorms befördern.
Ja, auch das ist für mich nach jahrelanger Erfahrung ein Glaubensbekenntnis: Angeblich soziale Medien sind die Pest. Sie sind asozial und widerlich. Insbesondere Facebook und auch das verkürzte Medium Twitter ist nur für die von Vorteil, die in kurzer Zeile den nächsten Aufreger zu produzieren wissen. So genannte soziale Medien sind der asozialste Spaltfaktor seit Menschengedenken für demokratische Gemeinschaften, weil sie jedem Hater und jedem Deppen Reichweite ermöglichen – für jeden erdenklichen Mist.
Und alle, die daran mitwirken, durch Liken und Teilen, sind mitverantwortlich. Es gibt dazu keine Studien, weil die exzessive Dimension der sozialen Medien niemand fassen kann.
Es gibt nur einen Appell von meiner Seite: Engagieren Sie sich persönlich, politisch, gesellschaftlich vor Ort konkret im Kontakt mit Menschen zu konkreten gesellschaftlichen Anliegen. Investieren Sie besser Ihre Zeit für den persönlichen Kontakt als in eine Facebook-Strategie.
Machen Sie sich kundig, indem sie differenzierte Informationen lesen oder persönlich an demokratischen Veranstaltungen teilnehmen, Ausschuss- und Gemeinderatssitzungen gehören dazu, ebenso Vereinssitzungen. Meist ist das sehr zäh, was Inhalte und Zeit angeht, aber hier und nicht auf Facebook werden die Entscheidungen getroffen.
Begegnen Sie Menschen mit Respekt und Höflichkeit, aber auch entschieden ablehnend, wenn diese sich nicht an die allgemein geltenden Regeln halten wollen. Wer nur „ich“ kennt, interessiert sich nicht für das „wir“.
Bilden Sie sich Ihre Meinung und beachten Sie dabei die Grundlagen unserer Gesellschaft – unsere Gesetze, gelebte Kulturen und die Gemeinschaft um sie herum.
Es war früher nicht anders als heute – wir sind alle miteinander füreinander verantwortlich.
Wie brutal sich das entwickeln kann, haben die Verbrechen des Nationalsozialismus gezeigt.
Die menschenverachtenden Zustände in Ländern wie Saudi-Arabien sind damit nicht vergleichbar, aber sie sind trotzdem falsch und inakzeptabel.
Es ist auch falsch und inakzeptabel, eine an sich harmlose Marketingaktion in einen Shitstorm zu verwandeln. Wenn Eichbaum „Eier“ hätte, würden sie bis zum Ende der WM nur noch das saudi-arabische Wappen auf die Kronkorken drucken. Als Form des zivilen Protestes gegen einen menschenverachtenden Staat.
Eichbaum will aber nur ein Produkt verkaufen und hat keine Haltung. Das Produkt ist Bier. Das enthält Alkohol und dagegen richtig sich der Protest von „gläubigen Muslimen“.
Wohin soll das führen?
Die Causa Eichbaum wird die Extreme befördern – auch von rechts. Die AfD nannte das schon „Unterwerfungsbier“ – wie immer provokant.
Was viele noch nicht verstanden haben, seit vielen Jahren – wer provozieren will, braucht dafür einen Anlass und muss einen Nährboden finden.
Beides ist gegeben, weil es zu wenig klare Ansagen gibt.
Seit sehr langer Zeit fehlt diesem Land die meinungsführende Mitte, unterstützt durch Intellektuelle, die mit kluger Analyse die Debatte bereichern.