Mannheim/Lüchow-Dannenberg, 12. März 2025. (red/pro/pm) Ende Februar geriet im beschaulichen Landkreis Lüchow-Dannenberg eine Schafherde in Not. Daraus machte der Agrar-Influencer Markus Wipperfürth mal wieder eine seiner Stories in seiner speziellen Weise – um einen gegebenen Informationskern wird eine phantastische „Helden“-Geschichte gestrickt. Viel Emotion, viel Inszenierung, wenig Fakten. Die wahre Geschichte finden Sie hier.
Von Hardy Prothmann
Den Auftakt für eine neue „Heldengeschichte“ macht Markus Wipperfürth mit einem Posting am 28. Februar, 09:34 Uhr auf seiner Facebook-Seite „Lohnunternehmen Markus Wipperfürth“. Wie meist, ist die Story ganz banal aufgebaut: Ein Problem, eine Bedrohung, eine Notlage, ein Missstand wird vom selbsternannten „Helferhelden“ Wipperfürth „öffentlich“ thematisiert, er wendet sich an seine Community (Link zum Post), die „Er“lösung folgt alsbald:

Aufruf bei Wipperfürth. Quelle: Lohnunternehmen Markus Wipperfürth
Schäfer lässt Schafe im Wolfsgebiet zurück und schenkt sie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg.
Hilfe dringend benötigt! Ca. 300 Tiere, die demnächst lammen.
Kontakt Veterinäramt 05841/xxx
Obwohl wenig Text, wimmelt es von falschen oder irreführenden Informationen. Im einzelnen:
- „im Wolfsgebiet“ ließt sich, als würden die Schafe unmittelbar durch Wölfe bedroht. Diese Information ist irreführend. Wie in vielen Teilen Deutschlands leben im Wendtland zwar Wölfe, aber es gibt keinen Zusammenhang zur „Notlage“ der Schafe.
- „schenkt sie dem Landkreis“, diese Information ist falsch. Die Schafe wurden nicht verschenkt und der Landkreis hätte das „Geschenk“ auch nicht angenommen.
- „Hilfe dringend benötigt“, diese Information ist falsch. Der Landkreis benötigte keine Hilfe.
- „die demnächst lammen“, diese Information ist irreführend und falsch. Es handelt sich inklusive Lämmer um rund 300 Tiere, nicht 300 demnächst lammende Mutterschafe.
- „Kontakt Veterinäramt“ – die angegebene Telefonnummer ist zutreffend (xxx – von der Red. gekürzt). Doch weder das Veterinäramt noch der Landkreis wurden gefragt, ob dieser „Aufruf“ im Sinne der Behörde ist.
Über 3.000 Likes, fast 3.000 mal geteilt und über 700 mal kommentiert wurde dieser für Wipperfürth typische „Aufruf“ auf seiner mit gut 500.000 Followern von der Zahl her reichweitenstarken Seite.
Bereits einen Tag später, am 01. März 2025, 19:31 Uhr kommt die nächste Meldung. Hurra! Der Aufruf, so scheint es, hatte unmittelbar Erfolg (Link zum Post):

„Thomas“ gibt „Entwarnung“. Quelle_ Lohnunternehmen Markus Wipperfürth
Hallo Markus die Schafe sind alle in Sicherheit. Ein Schäfer hat sie alle aufgenommen. Und sie werden definitiv nicht geschlachtet. Wir werden in den nächsten tagen eine Schwanzschur machen. Das die Lämmer vernünftig ans Euter kommen. Gruß Thomas
Fast 5.900 Likes, 250 Kommentare, 200 mal geteilt
- Wieder wird „getriggert“, dass die Schafe angeblich in Gefahr waren „sind alle in Sicherheit“.
- Niemand hat behauptet, dass sie geschlachtet werden. Wer ist „wir“, wenn doch „ein Schäfer“ sie aufgenommen hat?
- Eine Schwanzschur wird vor allem aus hygienischen Gründen gemacht, als Vorbeugung für Fliegenmadenbefall (Myiasis), eher nicht wegen der Euter, die haarlos sind.
- Es grüßt „Thomas“ – wer ist das? Wie beim ersten Aufruf bleibt unklar, von wem diese „Botschaft“ stammt. Unter den 250 Kommentaren findet sich weiter kein „Thomas“ – was verwundert: Ist Thomas so mit der Schwanzschur beschäftigt, dass er sich hier nicht noch einbringen kann? Oder gibt es „Thomas“ gar nicht?
Ein anonymer Admin der Wipperfürth-Seite kommentiert dann am 02. März 10:55 Uhr :
Wahnsinn was man mit so einer tollen und Reichweiten starken Seite alles erreichen kann.
Man teilt etwas und in kürzester Zeit werden Probleme gelöst.
Vielen Dank an die Follower dieser Seite.
Admin
Am 02. März, 11:02 Uhr postet der anonyme Admin einen neuen Beitrag (Link zum Post):
Ich möchte mal einen Dank an die Follower dieser Seite aussprechen.
Das was und wie vorgestern passiert ist, zeigt mir wie wichtig Ihr und diese Seite seid.
Vorgestern ein Post über Schafe in Not und gestern schon die Nachricht, alles in Ordnung, die Schafe haben erstmal ein neues Zuhause gefunden.
Ihr seid der Wahnsinn!
Admin
Über 5.300 Likes, knapp 100 Kommentare und rund 100 mal geteilt.
Die Community jauchzt glückselig und ergriffen. Über den tollen Markus und über alle tollen Leute in der Community. Wieder mal wurde die Welt gerettet. Wieder mal hat man der Welt gezeigt, wie das so geht, wenn ein „Landwirt“ und seine Community schlimme Probleme erkennen, völlig uneigennützig sofort lösen und vor allem den Behörden zeigen, wie unfähig die sind. Es regnet Herzen und andere Emojis. Alle „Wippianer“ oder „Wippis“, wie sie sich nennen, sind in Glückseligkeit vereint. Von den mehr als 500.000 Followern sind es wenige hundert, die täglich kommentieren – meist ein „Hallo in die Runde“ oder „Guten Morgen“.
Markus Wipperfürth kommentiert selbst völlig ergriffen am 02. März um 19:33 Uhr:
Danke an die tollen Admins, danke an die tollen Follower!
Ohne euch würde kein Aufruf, kein Hilfegesuch und kein Gofund.me funktionieren!!!!
Wir haben gemeinsam schon so viel erreicht!!!!
Ich weiß noch, als mich die Oma eines Kindes nach einem DKMS Typiesierungs Aufruf kontaktiert hat und mitteilte, dass danach ein Spender gefunden wurde!
Das hat mich nochmal in unserem gemeinsamen Tun bestärkt!
Wir haben schon so viel erreicht und vieles liegt noch vor uns!
Freue mich auf den weiteren, gemeinsamen Weg!
Euer Markus

Eigenlob vom anonymen Admin, Danksagung vom ergriffenen Markus Wipperfürth. Quelle: Lohnunternehmern Markus Wipperfürth
- Die Illusion ist vollkommen – kein Aufruf würde ohne die tollen Admins und Follower funktionieren.
- „Gemeinsam“ hat man wieder was erreicht. Nicht nur das, auch eine Knochenmark-Spende sei angeblich auf einen Aufruf von Wipperfürth erfolgreich gewesen.
- „Gemeinsames Tun“, „gemeinsamer Weg“ – unter „außergewöhnlich“ geht es nicht.
So läuft das System Wipperfürth – emotionale Eskalation, eine schwierige Herausforderung, Skandalisierung, Lösung, Happy-End. Seine Couch-Follower, gefühlt überwiegend Damen im gesetzteren Alter fiebern und seufzen mit, wenn „Du uns mitnimmst“ und können zufrieden schlafen, bis zum nächsten Tag, um sich gegenseitig mit einem „Guten Morgen“ in der virtuellen Familie zu begrüßen. Im Herzen sind sie alle Omas und Tanten von „Jojo“ und „Paula“, den Kindern von Herrn Wipperfürth und Fans von „Paul-Hermann“ und „Dupi“, dem Hund und einem Pensionspferd. Merke: Tiere und Kinder gehen im Marketing immer gut. In der Daily-Soap der Wipperfürthschen Welt sowieso. Ab und an werden noch ein paar Vögel, Rehe oder Hasen beigemischt.

Community im Glück mit vielen Herzen. Quelle: Lohnunternehmen Markus Wipperfürth
Doch die echten Fakten sind andere.
„Eine Schafherde mit mehr als 300 Tieren, darunter viele Lämmer, ist vom Landkreis Lüchow-Dannenberg vergangenen Freitag (28. Februar 2025) mit Hilfe von sachkundigen Unterstützern und Helfern in Obhut genommen worden“, schreibt der Landkreis Lüchow-Dannenberg. Also an dem Tag, an dem der „Aufruf“ von Wipperfürth erschien.
Und weiter: „Nachdem am Montag (24. Februar 2025) bekannt geworden war, dass der Halter seine Herde aufgegeben hat, prüfte das Veterinäramt der Kreisverwaltung in den folgenden Tagen mit Nachdruck die Möglichkeiten, die Tiere anderweitig unterzubringen. Eine weitere Versorgung vor Ort wurde schnell ausgeschlossen: aus Sicherheitsgründen wie auch aus Gründen fehlender Infrastruktur und unzureichender individueller Betreuungsmöglichkeiten von ablammenden, milchgebenden oder kranken und schwachen Schafen und Lämmern. Bereits nach wenigen Tagen war eine geeignete Aufnahmestelle gefunden.“
Der Landkreis war also bereits fünf Tage lang aktiv, um das Problem mit der Schafherde zu lösen. Am Tag des „Wipperfürthschen Aufrufs“ war das Problem gelöst.
Zwischen den Zeilen lässt sich sehr gut herausfinden, was der Landkreis vom „Aufruf“ hält:
„Am Wochenende kursierte in den sozialen Medien ein von privater Seite lancierter Aufruf: das Veterinäramt hätte eine Schafherde „geschenkt“ bekommen und bitte um Hilfe. Dr. Mennerich-Bunge stellt klar: „Es handelte sich hierbei um keinen Aufruf des Landkreises und der Landkreis ist keineswegs Eigentümer der Tiere.“ Seit Ende der Woche stehen im Veterinäramt der Kreisverwaltung allerdings die Telefone kaum mehr still. „Viele Menschen haben ihre Hilfe angeboten, dafür bedanken wir uns herzlich. Wir bitten jedoch vorerst von weiteren Hilfsangeboten abzusehen. Die Tiere sind in sicherer Obhut.“
Auf Nachfrage des Rheinneckarblog antwortet das Landratsamt:
Frage: Waren die Schafe im „Wolfsgebiet“ in Gefahr?
Antwort: „Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist seit mehr als zehn Jahren Wolfsterritorium. Im aktuellen Fall spielte die Anwesenheit des Wolfes im Landkreis jedoch keine Rolle.“
Frage: War der Aufruf hilfreich?
Antwort: „Nachdem neben der Elbe-Jeetzel-Zeitung auch der NDR über den Fall berichtet hatte, gingen im Veterinäramt sehr viele Anrufe und E-Mails ein. Welche davon auf die Medienberichterstattung zurückzuführen sind und welche auf die Aktivitäten von Herrn Wipperfürth, wurde nicht statistisch erfasst. Insgesamt gingen von Freitagmittag bis Montagfrüh rund 50 Anrufe ein, 18 Nachrichten landeten auf dem Anrufbeantworter. Dazu kamen rund 20 E-Mails.“ (…)
„Grundsätzlich sollten solche Aufrufe immer mit der Kreisverwaltung abgestimmt werden. Denn in der Regel sind hinter den Kulissen längst verschiedene Maßnahmen angelaufen oder sogar bereits umgesetzt. Von privater Seite lancierte Aufrufe laufen darum zu oft ins Leere oder es werden falsche Informationen verbreitet – ob beabsichtigt oder nicht sei einmal dahingestellt.“
Oha. „Aufrufe laufen ins Leere“, „falsche Informationen werden verbreitet“. Ob „Absicht“ ist unklar. Und weiter äußert sich die Landkreisverwaltung wie folgt:
„Bis jetzt wurde keines der Hilfsangebote in Anspruch genommen. Die Kontaktdaten wurden aber für alle Fälle aufgenommen.“
„In jedem Fall sorgen solche Aufrufe in den sozialen Kanälen der betreffenden Personen für reichlich „Klicks“. Ob sie der Sache bzw. in diesem Fall den Schafen dienlich sind, ist fraglich.“
Frage: Hat der Aufruf des Herrn Wipperfürth zu einer Lösung des Problems beigetragen?
Antwort: „Nein. Die bisherige Abwicklung lag allein bei der Behörde.“
Frage: Wie bewertet der Landkreis die Hilfsangebote?
Antwort: „Die vielen Hilfs- und Unterstützungsangeboten, die uns in den letzten Tagen erreicht haben, stehen für die große Solidarität und Hilfsbereitschaft, für die Lüchow-Dannenberg bekannt ist – egal ob es um Hilfe bei der Bewältigung eines Elbehochwassers oder um 300 herrenlose Schafe geht“, sagt Landrätin Dagmar Schulz. „Es ist toll zu sehen, wie viele Menschen sich engagieren und ihren Beitrag leisten wollen.“
Frage: Welche Kosten sind entstanden?
Antwort: „Welche Kosten dadurch auf den Landkreis zukommen, ist derzeit noch nicht abschätzbar. Neben den Kosten für den Transport und die Unterbringung kommen die Aufwendungen für die Pflege der vernachlässigten Tiere sowie die veterinärmedizinische Untersuchung und Behandlung hinzu.“
Hintergrund: Der Landkreis Lüchow-Dannenberg
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist der östlichste Landkreis Niedersachsens und mit gut 49.000 Einwohnern der nach Einwohnerzahl kleinste Deutschlands sowie der am dünnsten besiedelte Landkreis der alten Bundesländer. Der Landkreis ist Mitglied der Metropolregion Hamburg und des Lüneburgischen Landschaftsverbands. Kreisstadt und bevölkerungsreichster Ort des Landkreises ist das namensgebende Lüchow (Wendland), zweitgrößte und ebenfalls namensgebende Stadt ist Dannenberg (Elbe). (Wikipedia)
Bekannt ist der Landkreis unter anderem wegen „Gorleben“. Die strukturschwache Region ist stark landwirtschaftlich geprägt. Im Landkreis gibt es 14 Naturschutzgebiete.
Deutschlandweit werden rund 1,5 Millionen Schafe gehalten, rund 250.000 davon in Niedersachsen. Im Jahr 2000 zählte man noch rund 2,7 Millionen Schafe in Deutschland.
Hintergrund: Die DKMS und die Oma – ein weiteres Kapitel der Selbstinszenierung
Der Influencer Markus Wipperfürth sieht sich bis heute durch einen Aufruf zur Typisierung für die DKMS vor einigen Jahren als „Retter“. In einem weiteren Posting erklärte er seinerzeit, dass die „Oma eines Kindes“ ihn kontaktiert habe und mitteilte, dass durch seinen Aufruf ein passender Spender gefunden worden sei.
Ein herzerwärmendes Märchen, um die eigene Bedeutung zu unterstreichen.
Fakt ist, dass die DKMS-Typisierung nach strengen Richtlinien verläuft.
Das Verfahren von der Typisierung bis hin zur tatsächlichen Stammzellenspende ist langwierig, die Kommunikation zwischen Spender und Empfänger erfolgt – wenn überhaupt – erst Jahre später. Aber natürlich hat Herr Wipperfürth „diesen Fall“ als seinen persönlichen Erfolg dargestellt – überprüfbar ist da nichts, wie so oft bei seinen „Geschichten“.
16 Millionen Stammzellenspender stehen in europäischen Registern. Somit hat sich jeder zweite europäische sowie rund jeder vierte potenzielle Stammzellspender weltweit in Deutschland typisieren lassen – ganz ohne Markus Wipperfürth.
Die positive Bestätigung nach einer Typisierung und anschließenden Feintypisierung sowie notwendigen Gesundheitschecks beim Spender, dauern Wochen, mitunter Monate. Was sicher ist: der Empfänger der Stammzellenspende erfährt nicht, ob ein geeigneter Spender nun aus den Reihen der Menschen, die sich bei einem Typisierungsaufruf bereiterklärten, gefunden wurde oder aber eine Übereinstimmung mit einer Frau aus Beulah (Michigan), aus Wuppertal (NRW), aus Swakopmund (Namibia) den lebensrettenden Treffer ergab.
Wer sich für dieses wichtige Thema tatsächlich auf Faktengrundlage interessiert und sich als potentieller Spender registrieren lassen möchte, findet hier die notwendigen Informationen: https://www.dkms.de/.
Mit einer Typisierung können Sie Menschenleben retten!