Rhein-Neckar, 12. April 2015. (red/cb/ms/pro) Unsere Öffentliche Redaktionskonferenz im Casino des Capitols war gut besucht – rund 40 Teilnehmer waren gekommen, um sich über unsere Arbeit und unsere Themen zu informieren. Special-Guest war Edo Zanki, der „Godfather des deutschen Souls“. Die „Blattkritik“ machte Dr. Thomas Ott aus Weinheim. Sehr beeindruckt waren die Teilnehmer von Luigi Toscano und Sofia Samoylova und deren Projekt „Gegen das Vergessen“.
Protokoll: Minh Schredle, Fotos: Carolin Beez, Bearbeitung: Hardy Prothmann
Edo Zanki, der „Godfather des deutschen Souls“, ist erfolgreich: Als Produzent, als Komponist, als Sänger. Im Gespräch mit Chefredakteur Hardy Prothmann geht es um den Menschen hinter dem Künstler. Edo Zanki stammt aus dem kroatischen Zadar, ist als Flüchtlingskind nach Deutschland gekommen:
Es tut mir leid, dass Flüchtlinge immer noch unter solchen Bedingungen aufgenommen werden. Deutschland hat nichts dazu gelernt.
Edo Zanki sagt, er habe immer zwei Seiten zu spüren bekommen: Die Gastfreundschaft der einen und die Fremdenfeindlichkeit der anderen. Herr Zanki betont, für wie wichtig er es hält, dass Talente gefördert werden:
Talente jeder Art, ob im Sport, in der Kunst oder der Musik, sind die idealen Voraussetzungen, um in dieser Gesellschaft aufsteigen zu können.
In seiner Familie habe es zwar vor ihm keine Berufsmusiker gegeben, erzählt Herr Zanki. Aber:
Musik war in unserer Familie ein Grundnahrungsmittel.
Sie sei absolut unverzichtbar gewesen. Als Kind und Jugendlicher habe seine Familie nie einen Fernseher gehabt, erzählte er. Daher sei man oft zum Musizieren zusammen gekommen. Oder der Vater habe den Kindern „Weltliteratur“ vorgelesen. Das Gespräch mit Herrn Zanki ist sehr offen. Er berichtet von der Zusammenarbeit mit Tina Turner und Herbert Grönemeyer, dem er einen “unglaublichen Arbeitswillen” zuspricht – “aber am Anfang konnte er einfach keine Texte schreiben.” Nach zwei Alben habe Herr Zanki es dann nicht mehr mit Grönemeyer ausgehalten:
Niemand hätte mir so viel Geld zahlen können, dass ich mich zu noch einem Album mit dem durchringe. Ich wollte Osmose, er wollte sich an der Erde wetzen.
Wenn Herr Zanki mit anderen Musikern zusammen arbeitet, wolle er ihnen nicht seinen Stempel aufdrücken. “Meine eigene Musik mache ich ja selbst – da muss die nicht auch noch ein anderer singen.” Er sei ein “musikalischer Zehnkämpfer”, der seine Songs an die entsprechenden Künstler anpassen wolle.
“Das Große, Frenetische, Pompöse” habe ihn nie besonders gereizt, berichtet er. Er wolle mit seiner Musik gemeinsame Momente erleben. “Musik synchronisiert und bringt zusammen”.
Ich genieße es, der Koch in der Küche zu sein. Es geht mir vor allem um die Kunst. Ich bin dankbar, dass ich nie jemanden darstellen musste, der ich nicht bin.
Blattkritik
Ein Bestandteil der Öffentlichen Redaktionskonferenz ist die „Blattkritik“. Wir laden dazu Personen ein, die sich kritisch mit unserer Arbeit auseinandersetzen. Dr. Thomas Ott (CDU) aus Weinheim ist ein Leser der ersten Stunde, verfolgt unsere journalistische Arbeit mit hohem Interesse und spart nicht an kritischer Auseinandersetzung.
Der erste Kontakt mit dem Redaktionsleiter Hardy Prothmann sei “nahe an einem Streit gewesen”, berichtet er. Es gab Meinungsverschiedenheiten, die online in Kommentaren ausgetragen wurden. Hardy Prothmann postete damals:
Heute verspeiße ich einen CDU-Pressesprecher zum Frühstück.
Doch aus dieser angespannten Ausgangslage, entwickelte sich schnell ein gegenseitiges Anerkennen und es folgten immer wieder kritische, aber respektvolle Auseinandersetzungen.
Herr Dr. Ott sprach in seiner Blattkritik von einer “spannenden Phase für den Journalismus”, wenn man sich die aktuellen Entwicklungen (“Lügenpresse”, “gleichgeschaltete Systemmedien”) vor Augen führe:
Früher gab es 80 Millionen Bundestrainer. Heute gibt es 80 Millionen Leser, die sich für bessere Journalisten halten.
Herr Dr. Ott unterteilte seine Blattkritik in zwei Teile: Struktur und Inhalt. Das neue Layout sei ein “Volltreffer” und deutlich besser als das vorangegangene. “Hervorragend” sei die Konzentration der vorher auf die Gemeinden im Wahlkreis Weinheim aufgeteilten Blogs auf eine einzelne Seite, jetzt müsse man nicht mehr jede einzeln aufrufen.
Er regte an, dass man nach einer Möglichkeit suchen solle, die Facebook-Kommentare auf dem Blog zu integrieren. Häufig würden interessante Diskussionen an zwei verschiedenen Stellen stattfinden. Man solle sich überlegen, von komplexen Artikel eine Kurzfassung zu erstellen, um Leser nicht zu sehr zu strapazieren. Dazu kommentierte Hardy Prothmann:
Manche unserer Texte verlangen viel von den Lesern – wir quälen sie manchmal. Aber das ist notwendig.
Außerdem hätten die Fotogalerien Verbesserungspotenzial, findet Herr Ott. Es wäre wünschenswert, wenn man einzelne Bilder über ein Thumbnail anwählen könnte. Herr Ott betonte, dass die Redaktion unbedingt das Lektorat verbessern solle – das sei allerdings eine Kapazitätsfrage. Hardy Prothmann und Herr Ott verabredeten sich dazu, zu überprüfen, ob man bei Ortsnennungen Geo-Tags einführen könnten.
Insbesondere in den langen Artikel kämen die Stärken des Rheinneckarblog zur Geltung: Die Berichte und Analysen seien hintergründig und “es geht in die Tiefe”. Dabei sei zu loben, wie konsequent wir als “Verteidiger der Demokratie und des Rechtsstaats” einstehen würden – auch wenn uns das in gewissen Kreisen nicht immer zu Beliebtheit verhelfe:
Auch wenn das schmerzhaft ist – man darf nicht Schlechtes mit Schlechtem bekämpfen.
Bedauernswert seien die zahlreichen “blinden Flecken”, die wir mit unserer Berichterstattung nicht bedienen: Die gesamte Pfalz jenseits von Ludwigshafen, alles östlich von Heidelberg und Südhessen. Es gebe derzeit kein Medium, das ein vollständiges Bild liefert:
In den Berichterstattungsgebieten gibt es oft Grenzen, die im Alltag nicht vorhanden sind. Auch der Sport sei in unseren Berichten “stark unterrepräsentiert”. Herr Ott schlug vor, uns hier eventuell nach Kooperationspartnern zu erkundigen.
Herr Ott betonte, dass es wirklich wichtig wäre, in vielen Situationen einen “kühleren Kopf” zu bewahren.
„Gegen das Vergessen“: Luigi Toscano und Sofia Samoylova
Luigi Toscano und Sofia Samoylova reden über ihr Projekt “Gegen das Vergessen”, das bereits in einem Artikel ausführlich vorgestellt worden ist.
Sofia Samoylova hat die ersten zehn Jahre ihres Lebens in Russland verbracht und ist dann nach Deutschland gekommen.
Sie hat ukrainische Großeltern. Inzwischen sieht sie sich “mehr als Deutsche an, als als Russin”. Über die Russen sagt sie, dass sie deren Spontanität schätzt, bei den Deutschen die Ordnung und Zuverlässigkeit. Bei den Recherchen vor Ort waren ihre Sprachkenntnisse und die der „russischen Seele“ natürlich von Vorteil.
Auch Luigi Toscano hat einen „Migrationshintergrund“. Er sagt über sich selbst:
Ich bin Italiener. Aber Deutschland ist meine Heimat.
Der Nationalsozialismus habe ihn ein Leben lang verfolgt, erzählt Herr Toscano. Mit 20 Jahren habe er aus eigenem Antrieb Auschwitz besucht, was eine der einschneidenten und eindrücklichsten Erfahrungen in seinem Leben gewesen sei. Er habe nie verstehen gekonnt, wie Menschen sich einander nur so etwas antun können:
Das Thema muss in der Öffentlichkeit bleiben. Ich will den Schicksalen ein Gesicht geben.
Die Schilderungen der Begegnungen mit Überlebenden des Nazi-Terrors ist ergreifend und beeinflusst die Stimmung unter den Zuschauern enorm. Die beiden sind für ihre Dokumentation, die als Fotoausstellung im September gezeigt werden soll, unter anderem in die Ukraine, nach Russland, nach Israel gereist und haben rund 150 Menschen interviewt. Zum Projekt entsteht ein Fotoband und ein Dokumentarfilm. Sie erzählen von den Begegnungen, vielen Tränen, aber auch Freude und vor allem dem Willen der Opfer zur Versöhnung.
Während die Atmosphäre bis dahin sehr unbeschwert war, werden die Leute zunehmend nachdenklicher, man spürt die Beklemmung. Aber alle hören gespannt zu, was Herr Toscano und Frau Samoylova zu berichten haben.
Die Gäste der Öffentlichen Redaktionskonferenz stellen im Anschluss noch einige Fragen zu den Reisen und Begegnungen, aber auch zur Technik und wie sich das Projekt finanziert: Bislang sind 60.000 Euro zusammen, gebraucht werden 120.000 Euro (wenn Sie unterstützen wollen, vermitteln wir gerne den Kontakt).
Auch nach der eigentlichen Veranstaltung stehen viele Menschen noch draußen versammelt und unterhalten sich über die Schrecken des Nationalsozialistischen Vernichtsdiktatur. Eben „Gegen das Vergessen“.
Impressionen der Veranstaltung: