Rhein-Neckar, 12. September 2016. (red) Die Wahlerfolge der AfD beschäftigen die Republik – wie mit den Rechtspopulisten umgehen. Zahlreiche Medienkampagnen gegen die AfD haben diese nur stärker gemacht. Ist die Flüchtlingskrise bestimmend? Was ist der Protest gegen wen? Oder fehlt es an Entscheidungen? Im Gastbeitrag für unsere Montagsgedanken bezieht der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach Stellung.
Gastbeitrag: Wolfgang Bosbach
Zunächst einmal sollte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass weder ignorieren noch dämonisieren erfolgsversprechende Strategien im Umgang mit der AfD sind.
Es gab nicht wenige, die vor einigen Jahren ernsthaft der Ansicht waren, man könne das Erstarken der AfD dadurch verhindern, dass man jede Diskussion mit ihnen verweigert. So nach dem Motto: „Die ignorieren wir noch nicht einmal!“ – mit der Folge, dass jedenfalls in Teilen des Publikums der Eindruck entstanden ist, als hätten die etablierten Parteien Angst davor, mit den Repräsentanten der AfD politisch-inhaltlich zu diskutieren.
Wie will man mit Schimpfen jemanden zurückgewinnen?
Auch der Versuch, die AfD im Vorfeld von Landtagswahlen an bestimmten TV-Sendungen nicht teilnehmen zu lassen, hatte nicht die gewünschte Wirkung. Das hat die AfD nur noch interessanter gemacht. Wer die besseren Argumente hat, muss eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht scheuen.
Das Beschimpfen von Wählern war noch nie ein Erfolgsmodell.
Auch das Beschimpfen von Wählern anderer Parteien war noch nie ein Erfolgsmodell. Wenn man die Wählerinnen und Wähler der AfD pauschal in die rechtsradikale Ecke stellt, wenn man die Anhänger dieser Partei undifferenziert als ausländerfeindlich und islamophob beschimpft, wie will man sie wieder für die Parteien der politischen Mitte zurückgewinnen?
Beachtliche Ergebnisse
Die etablierten Parteien sollten sich vielmehr ernsthaft fragen, wieso es einer neuen politischen Kraft aus dem Stand möglich war, mittlerweile in neun Landtage mit zum Teil beachtlichen Ergebnissen einzuziehen.
Alleine der schlichte Hinweis: „Wir müssen unsere Politik besser erklären“, hilft hier auch nicht mehr weiter, denn die Wahlerfolge der AfD sind nicht alleine darauf zurückzuführen, dass deren Wählerinnen und Wähler intellektuell nicht in der Lage sind, die aktuelle Politik zu verstehen, sondern dass sie mit der Politik – jedenfalls in Teilen – nicht einverstanden sind.
Entscheidend ist das Ergebnis
Es ist mit Sicherheit so, dass die AfD weit überwiegend nicht aus inhaltlicher Überzeugung, sondern aus Protest gewählt wird – darauf kommt es bei der Addition der Stimmen allerdings nicht an. Entscheidend ist das Ergebnis der Addition, nicht das Motiv bei der Stimmabgabe.
Des Weiteren wäre es hilfreich, wenn wir bei der partei- und gesellschaftspolitischen Debatte zukünftig darauf verzichten würden, jeden, der sich kritisch über die aktuelle Flüchtlingspolitik äußert, reflexartig in die berühmte rechte Ecke zu stellen.
Wer ist jetzt hier der „Rechte“?
Dienstag, den 6. September 2016, 8:50 Uhr. Beim Betreten des Reichstagsgebäudes werde ich von einem Polizeibeamten angesprochen, der mir aufgrund seiner langjährigen Erfahrung sehr eindringlich geschildert hat, wie sich der Kontrollverlust bei der Zuwanderung der letzten Monate in der Praxis auswirkt.
Warum wir es zulassen würden, dass Hunderttausende in unser Land einreisen könnten trotz ungeklärter Identität und Nationalität? Es sei nun wirklich unstrittig, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge nicht nur tatsächlich schutzbedürftig sei, sondern auch keine Gefahr für die innere Sicherheit unseres Landes.
Aber man könne und dürfe doch nicht die Augen davor verschließen, dass in dem großen Zug der Flüchtlinge auch viele in unser Land kämen, die für die innere Sicherheit unseres Landes eine ernste Gefahr seien. War das jetzt ein „Rechter“?
Wahrscheinlich ist, dass ein Polizeibeamter von der täglichen Praxis mehr Ahnung hat als jeder Abgeordnete des Deutschen Bundestages.
Es braucht Lösungen
Und nicht zuletzt kommt es jetzt entscheidend darauf an, dass wir Probleme nicht nur rhetorisch virtuos beschreiben, sondern möglichst zügig lösen. Beispiel: Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die Länder Tunesien, Algerien und Marokko. Über dieses Thema wird jetzt schon monatelang gesprochen, ohne dass bislang eine Entscheidung getroffen wurde.
Was spricht eigentlich ganz konkret dagegen, darüber im Bundesrat endlich entscheiden zu lassen? Damit Klarheit herrscht, welches Bundesland dort zustimmt und welches nicht und wer hierfür die politische Verantwortung trägt.
Es ist ja rührend, wenn der Ministerpräsident von Baden-Württemberg öffentlich erklärt, er würde für die Kanzlerin beten, aber der Kanzlerin selbst wäre es mit Sicherheit mindestens ebenso lieb, wenn er auch mit ihr stimmen würde – und die Abstimmung über die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten wäre hierfür eine gute Gelegenheit.
Anm. d. Red.: Dieser Beitrag ist zuerst in der Huffington Post Deutschland erschienen. Wir danken für die freundliche Genehmigung durch Herrn Bosbach.
Weitere Informationen erhalten Sie hier:
Abgeordnetenseite beim Deutschen Bundestag
Anm. d. Red.: Unsere Kolumne Montagsgedanken greift außerhalb des Terminkalenders Themen auf – ob Kultur oder Politik, Wirtschaft oder Bildung, Gesellschaft oder Regionales oder Verkehr. Teils kommen die Texte aus der Redaktion – aber auch sehr gerne von Ihnen. Wenn Sie einen Vorschlag für Montagsgedanken haben, schreiben Sie bitte an redaktion (at) rheinneckarblog.de, Betreff: Montagsgedanken und umreißen uns kurz, wozu Sie einen Text in dieser Reihe veröffentlichen möchten. Natürlich fragen wir auch Persönlichkeiten an, ob sie nicht mal was für uns schreiben würden…
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