Rhein-Neckar, 12. März 2020. (red/pro) Im Südwesten werden die Schulen im Land vermutlich am Freitag, den 13. März das letzte Mal Unterricht abhalten und dann wegen der Coronavirus-Epidemie bis zu den Osterferien geschlossen werden. Darauf deuten Äußerungen der Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU) hin. Das Kabinett will die Maßnahme am Freitag diskutieren und dann eine Entscheidung treffen.
Von Hardy Prothmann
In den vergangenen Tagen kam es bereits zu Schulschließungen überall im Land oder Klassenstufen wurden in häusliche Quarantäne geschickt – so zum Beispiel die Merian-Realschule in Ladenburg oder eine vierte Klassenstufe der Käfertalgrundchule heute.
Am Dienstag meldete das Sozialministerium 277 infizierte Personen, am Mittwoch bereits 335 und heute 454 Personen. Das entspricht einer Steigerung von 21 Prozent von Dienstag auf Mittwoch und von knapp 36 Prozent von Mittwoch auf Donnerstag. Das sind nur die offiziellen Zahlen – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
Aktuell geht man von einer Verbreitung aus, bei der eine infizierte Person im Mittel drei weitere ansteckt, was zu einer exponentiellen Steigerung führen würde. Ließe sich das als konstant mit 38 berechnen, wären das in acht Wochen 651.000 Menschen. Dem ist natürlich nicht so, da schon jetzt durch Kontakteinschränkungen eine solche Steigerung nicht anzunehmen ist, aber auch ein geringerer Faktor 1 wäre schon geeignet, das Gesundheitssystem vollständig zu überfordern.
Schon jetzt sind die medizinischen Kapazitäten in den Krankenhäusern und Arztpraxen unter erheblichem Druck. In Italien beispielsweise, das einige Wochen „Vorlauf“ bei der Epidemie hat, können schwerkranke Patienten nicht mehr ausreichend medizinisch behandelt werden. Die Sterbezahlen steigen sprunghaft an, gestern waren es 827 Tote, heute schon 1.016. Das ist eine Steigerung von rund 22 Prozent.
Zudem infiziert sich auch immer wieder medizinisches Personal, was meist bedeutet, dass ganze Gruppen der Belegschaft in Quarantäne müssen – eine fatale Entwicklung, da dann immer mehr Personal fehlt, aber die Patientenzahl zunimmt.
Da Experten wie der Berliner Virologe Prof. Dr. Christian Drosten den Faktor Zeit als absolut wesentlich betrachten, um die Infektionskette deutlich zu verlangsamen, sind also alle sinnvollen Maßnahmen hierzu notwendig, um eine schnelle Ausbreitung zu verhindern. Der Experte geht davon aus, dass sich gut zwei Drittel der Menschen in Deutschland und anderen Ländern infizieren werden – auf einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren wäre das eine Herausforderung, aber kein größeres Problem. Innerhalb weniger Monate würden die Kapazitäten derart ausgelastet, dass Ärzte diese auf Patienten mit den besten Überlebensschancen ausrichten würden – zum Nachteil derer, die schlechtere Aussicht haben und dann vermutlich sterben müssen.
Im Südwesten wären rund 1,5 Millionen Schüler betroffen und rund 360.000 Studenten – denn auch die Unis werden über die nächsten Wochen ihren Betrieb einstellen. Dazu kommen noch die Kitas und Kindergärten. Das führt zu weiteren Folgen – die Betreuung der Kinder und Jugendlichen muss dann privat zu Hause erfolgen. Sind die Eltern selbst wichtige Stützen, die man in der Krise braucht, wie medizinisches Personal oder Polizeibeamte, werden diese auch aus dem System herausfallen – ebenfalls eine fatale Entwicklung.
Ein solcher Schritt muss also wohl überlegt sein – es geht um Schadensabwägung, konkret: Was erzeugt am wenigsten Schäden und bringt den größten Vorteil? Die drei Wochen bis zu den Osterferien plus die zwei Wochen Ferien würde mögliche Infektionsketten bei rund 20 Prozent (Schüler, Studierende, Lehrkräfte, sonstiges Personal) unterbrechen, aber natürlich auf andere Art Folgen haben.
Um auf die Krise zu reagieren, kann man kreativ werden. Die „Kleine Zeitung“ berichtet, dass das staatliche ORF1 in Österreich am Vormittag Schulfernsehen senden soll – wie ein solches Programm für unterschiedliche Klassenstufen aussehen könnte, ist unklar. Nach unseren italienischen Quellen ist geplant, Schüler über Computer an einer Hausbeschulung teilnehmen zu lassen.
In Frankreich ist der Schritt aktuell gegangen worden, wie Präsident Emmanuel Macron in einer Fernsehansprache am Abend mitteilte. Alle Ausbildungseinrichtungen werden ab Montag auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben.