Mannheim 11. Oktober 2016. (red/pro) Die Polizei hat den mutmaßlich fingierten Verkehrsunfall, über den wir zuerst berichtet hatten, innerhalb eines Tages aufgeklärt. Entgegen ersten Annahmen handelte es sich bei der Situation in dem Video weder um einen vorgetäuschten Verkehrsunfall, noch um einen „Fake“. Am frühen Morgen des 3. Oktober, kurz nach 6 Uhr, hat sich der Vorgang an der Einmündung Goethestraße/ Friedrichsring abgespielt. Ein angetrunkener 25-jähriger Mann italienischer Herkunft steht im Mittelpunkt des Geschehens.
Von Hardy Prothmann
Die Herkunft des mysteriösen Videos, das einen Mann zeigt, wie er auf die Motorhaube eines Autos springt, ist geklärt.
Hauptsache, mal schnell gehetzt
Das Video war auf rechtsradikalen Seiten gezeigt worden und sollte nach Auffassung dieses Personenkreises einen „Flüchtling“ zeigen, der mittels eines fingierten Unfalls Geld erpressen wollte. Diese Behauptungen sind falsch und nichts als fremdenfeindliche Hetze. In sozialen Netzwerken wurde kommentiert, es sei vollkommen egal, wann und wo und von wem das Video aufgezeichnet worden war – wichtig sei, dass dokumentiert werde, mit welchen „Maschen“ Flüchtlinge andere „abzocken“ wollten. Tja – nix als dummes Zeugs, was die Kommentatoren da von sich gegeben haben (siehe Ende des Artikels).
Tatsache ist: Es handelte sich weder um einen vorgetäuschten Verkehrsunfall, noch um ein „Fake“, wie die Polizei mitteilt. Das Video ist weder inszeniert noch manipuliert. Es zeigt eine sich tatsächlich ereignete Begebenheit in der Innenstadt von Mannheim.
Polizei klärt den „Fall“ schnell auf
Die Polizei konnte den Fall rekonstruieren. Es ist der 3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit, kurz nach 6 Uhr. An der Einmündung Goethestraße/Friedrichsring hält ein angetrunkener Mann italienischer Herkunft zunächst das Auto einer Frau an, die von der Goethestraße am Nationaltheater Mannheim nach links in den Friedrichsring mit Fahrtrichtung Hauptbahnhof einbiegen will.
Der Mann, der aus einer rheinland-pfälzischen Gemeinde stammt, versucht in das Auto einzusteigen. Dies misslingt. Daraufhin schlägt er auf die Motorhaube des Fahrzeugs und erzeugt eine Delle, also einen Sachschaden. Im Video ist dieser Wagen später rechts mit eingeschaltetem Warnblinker zu sehen.
Betrunkener Italiener wütet auf Kreuzung
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Danach nimmt der Mann sein Fahrrad und wirft es auf ein weiteres Auto, das im Friedrichsring auf der rechten Spur an einer roten Ampel wartete. Dieses ist im Video als rotes/braunes Auto zu erkennen. Durch den Wurf des Fahrrads werden die Windschutzscheibe und die Motorhaube beschädigt.
Dann taucht der „Videoproduzent“ am Ort des Geschehens auf. Ein Mannheimer Taxifahrer. Er und ein Fahrgast beobachten die Szenerie. Auf dem Armaturenbrett des Taxis ist eine sogenannte „Dashcam“ angebracht, die den Sprung des Mannes auf die Motorhaube dokumentiert.
Nach einem kurzen Wortgefecht war der Mann wieder abgesprungen und der Taxifahrer setzt seine Fahrt mit dem Fahrgast fort. Erst am Abend stellt er einen Schaden auf der Motorhaube fest und informierte die Polizei.
Eine Streife des Polizeireviers Innenstadt, die aufgrund eines Raubüberfalls in einem anderen Stadtteil in die Fahndung eingebunden war, trifft kurze Zeit später an der Örtlichkeit ein. Bis auf den 25-jährigen Italiener, der auf der Fahrbahn des Friedrichsrings liegt, ist niemand mehr vor Ort.
Alle Beteiligten waren weitergefahren – die Fahrerin des dunklen Autos erstattete Anzeige bei einem anderen Revier. Auch der Fahrer des roten/braunen Autos war zunächst weitergefahren, kam allerdings später wieder zurück.
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Der Italiener war alkoholisiert und gegenüber den Beamten aggressiv. Eine Alkoholüberprüfung ergab 1 Promille. Ob der Mann auch unter Drogen stand, wird noch untersucht. Er blieb bis zum Mittag im Polizeigewahrsam und wurde dann wieder auf freien Fuß gesetzt.
Wegen des Verdachts der Sachbeschädigung in drei Fällen und wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sind bereits Ermittlungen gegen den 25-Jährigen eingeleitet worden.
Das Video aus der „Dashcam“ wurde bislang noch nicht gesichert. Der Taxifahrer wollte dies der Polizei übergeben, was er bislang aber noch nicht gemacht hat.
Weitere Ermittlungen
Wie eine rechte Gruppierung Zugriff auf dieses Video bekam und über deren Plattform den Weg in die sozialen Medien fand, ist Gegenstand weiterer Ermittlungen, teilt die Polizei mit.
Wir hatten zunächst exklusiv über das Video und das mögliche Geschehen berichtet. Wieder einmal bestätigt sich, dass unsere Entscheidung, die Interpretation im Konjunktiv und mit Anführungszeichen zu schreiben, die richtige war.
Fest steht: Es handelt sich nicht um einen Flüchtling. Es war kein fingierter Unfall zur Erpressung von Schmerzensgeld. Und es ist immer von Vorteil, wenn man sich auf Fakten und Ergebnisse von Ermittlungen stützt, statt auf Gerüchte, Verleumdungen und falsche Tatsachenbehauptungen.
Entsprechende Kreise wird das wenig jucken – mit Sicherheit macht das Video weiter die Runde, „um zu beweisen, was hier in Deutschland abgeht“. Jeder, der das Video teilt oder postet und entsprechend kommentiert, dokumentiert nur, dass im eigenen Oberstübchen außer Fremdenfeindlichkeit eher wenig abgeht.
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Dokumentation: „Dieses Pack ist schlimmer als die Pest“, „draufschlagen“, „drüberfahren“. So kommentieren Tausende von Facebook-Nutzern das Video.
Auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite wurde das Video über 720.000 Mal angeschaut und über 2.000 Mal kommentiert – ein Auszug: