Rhein-Neckar, 10. Juli. (red/la) Die Kunstwerke auf fünf Verkehrskreiseln werden derzeit geprüft, ob sie „starre Hindernisse“ und damit verkehrsgefährdend sind. Die Gründe dafür sind eine EU-Vorschrift und die verkehrspolitische „Vision Zero“, die bis 2050 die Anzahl der Verkehrstoten in der EU auf Null senken soll.
Von Reinhard Lask
Seit November sind in Baden-Württemberg „starre Hindernisse“ in außerörtlichen Straßenkreiseln nicht mehr erlaubt. Was manch einer aktuell als fixe Idee des grünen Verkehrsministeriums fälschlicherweise verdammt, beruht auf der EU-Verordnung 2008/96/EG über „Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur“. Zu den potenziellen Abhilfemaßnahmen zählt die „Beseitigung von neben der Straße befindlichen feststehenden Hindernissen“. In Nordbaden werden derzeit fünf Kreisel – je einer in Ladenburg, Rauenberg, Hirschberg, Heddesheim und Laudenbach – als potenziell gefährlich eingestuft. Ob die darauf stehenden Kunstwerke auch weg müssen, steht noch nicht fest. Niemand hat bisher genau festglegt, was unter „gefährlich“ zu verstehen sein soll.
Zählt jedes Kunstwerk als feststehendes Hindernis? Das Landesverkehrsministerium gibt den Schwarzen Peter weiter. Pressesprecherin Julia Piper sagt auf Anfrage:
Die Sicherheitsaudits sollen potenzielle Gefahrenquellen herausfinden.
Die „Sicherheitsaudits“ sind Ortstermine, bei denen Vertreter von Straßenbauämtern, Polizeipräsidien und Feuerwehr die Kreisel auf gefährliche Hindernisse überprüfen. Nach welchen Kriterien diese genau vorgehen, dazu wisse das Regierungspräsidium in Karlsruhe mehr.
Doch auch hier nennt man außer „feststehendes Hindernis“ keine weiteren Kriterien. Uwe Herzel, Pressesprecher des Regierungspräsidiums sagt, sei zwar klar, dass beispielsweise ein „Hinkelstein“ in der Kreiselmitte weg müsse. Aber was wenn es nur eine Stange ist? Wie ein Kunstwerk aussehen muss, um als „strarres Hindernis“ zu gelten, weiß auch in Karlsruhe noch niemand. „Zeitnah“ sollen Herzel zufolge die Ergebnisse der Audits aus den Kreisen hereinkommen. Erst dann werde ausgewertet und entschieden:
Wir müssen die Ergebnisse der Sicherheitsaudits abwarten – und die laufen noch.
Auch Berno Müller, Pressesprecher der Rhein-Neckar-Kreis, weiß nur wenig mehr über gefährliche Kreiselkunst. Wichtig sei, wo der Kreisel sich befindet und wie die Straßen beschaffen sind, die dort einmünden. Liegt er innerorts ist er ungefährlicher, wenn er außerhalb liegt. Am Ortsrand gelegen, kann er einen außerörtlichen Charakter haben. Genauer gesagt: Wenn eine schurgerade Straße auf der Tempo 70 erlaubt ist, auf einen Kreisel innerhalb der Ortsgrenzen mündet, hat er außerörtlichen Charakter.
Nur potenziell gefährlich
Wie unfallträchtig sind jedoch Kreisel an sich? Es gibt spektakuläre Unfälle, wie den in Heitersheim (bei Freiburg) im November 2009. Damals gab es zwei Tote und drei Schwerverletzte beim Aufprall auf eine Flugzeugskulptur, die auf einer massiven Stange stand. Im Rhein-Neckar-Kreis waren Unfälle in Kreiseln bisher kein Thema, sagt Berno Müller:
Bisher hat sich auch noch niemand über Gefahren von Kreiselkunst beschwert.
Auch das Verkehrsministerium räumt ein, dass Kreisverkehr nicht als unfallträchtig gelten. Auch Martin Boll, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mannheim kennt keinen schweren Unfall an einem Kreisel im Bereich des Präsidiums. Die tatsächliche Anzahl von Verkehrstoten oder Schwerstverletzten sei aber für die Entscheidung nicht relevant, sagt Julia Piper:
Es geht um potenzielle vermeidbare Gefahrenquellen. Das Argument ‚hier ist noch nie was passiert‘, trägt bei der Kreiselprüfung nicht.
Diese Ansicht deckt sich mit dem verkehrspolitischen Ziel „Vision Zero“, die im „Weißbuch Verkehr“ der Europäischen Union festgehalten wurde. Bis zum Jahr 2050 soll die Anzahl der Verkehrstoten auf Europas Straßen „Null“ betragen. Dabei ist das individuelle Verhalten von Autofahrern nicht zu berücksichtigen. Auch wenn der unverantwortlichste Raser alkoholisiert in einen Kreisel fährt, zählt allein die Frage, ob er beim Aufprall auf das darauf stehende Kunstwerk sterben könnte.
Noch ist nicht entschieden, ob überhaupt ein Kunstwerk weichen muss. Die Entscheidung liegt bei den Regierungspräsidien und hängt von den Berichten der lokalen Prüfungskommissionen ab.