Mannheim/Heidelberg, 11. April 2017. (red/cr) Seit Anfang April haben je fünf Streifenpolizisten in den Polizeirevieren Heidelberg-Mitte und Mannheim-Innenstadt neben ihren Kollegen besondere Begleiter mit politischer Bedeutung – Bodycams. Aktuell wird unter anderem im Polizeipräsidium Mannheim getestet, ob die kleinen Kameras die Erwartungen erfüllen. Sie sollen nämlich deeskalierend auf aggressive Personen wirken. Denn die Zahl von Gewaltdelikten gegenüber Polizeibeamten ist hoch und steigt.
Von Christin Rudolph
Eine kleine Kamera, die einen lauten Signalton sendet, sobald sie angeschaltet wird – darum dreht sich ein großes Projekt. Seit Anfang April werden in den Polizeipräsidien Mannheim, Freiburg und Stuttgart Bodycams getestet.
Je zehn Beamte in jedem dieser Polizeipräsidien tragen die kleinen Kameras für sechs Wochen im Einsatz. Begleitet werden die Polizeibeamten auf der Streife von einem Kollegen ohne Bodycam. Im Polizeipräsidium Mannheim wurden je fünf Beamte in den Polizeirevieren Heidelberg-Mitte und Mannheim-Innenstadt mit Bodycams ausgestattet.
Nach der Erprobungsphase soll eine Sozialwissenschaftlerin in Interviews feststellen, ob sich die Hoffnungen bewahrheiten. Bodycams sollen nämlich der steigenden Zahl von Gewaltdelikten gegenüber Polizeibeamten entgegenwirken.
Video in zwei Stufen
Bodycams sollen in angespannten Situationen präventiv deeskalierend wirken. In der Praxis funktioniert das so: Wenn ein Polizist Personen gegenübersteht, die sich aggressiv verhalten oder ein Funkspruch wie „Schlägerei“ das vermuten lässt, betätigt der Beamte einen Knopf an der Kamera. Damit wird die Bodycam eingeschaltet und sie zeichnet Bild und Ton auf.
Als Signal dafür gibt es einen lauten Ton – kaum überhörbar. Die Modelle in Mannheim und die Hälfte der Modelle in Freiburg haben einen Frontmonitor. Die aufgezeichnete Person kann sich also selbst sehen, was möglicherweise zusätzlich deeskalierend wirkt. In dieser Phase wird das aufgezeichnete Videomaterial jedoch laufend überschrieben und nicht gespeichert.
Wenn es „ernst“ wird, wird ein zweiter Knopf betätigt (inklusive noch lauterem Ton) und die eigentliche Videodatei wird aufgezeichnet. Diese Datei wird direkt gespeichert. Kommt es tatsächlich zu Gewalt gegen den Träger der Bodycam, wird nicht nur diese Datei ausgewertet. Auch 30 Sekunden „pre-recording“, also bevor der Aufzeichnungsknopf betätigt wurde, werden gespeichert und nicht überschrieben.
Jeder Zugriff wird protokolliert
So kann besser ausgewertet werden, wie es überhaupt zu der Situation kam, in der der Polizist sich bedroht gefühlt hat. Zwischen Anwender und Bearbeitendem wird strikt getrennt. Der Polizist, der die Bodycam im Einsatz trägt, hat keinen Zugriff auf die Dateien. Und bei den Kollegen, die mit den Dateien arbeiten, wird ein Protokoll erstellt, wer was gemacht hat.
Die Änderungen im Paragrafen 21 des Polizeigesetzes, die den Einsatz von Bodycams regeln, lassen Videoaufzeichnungen von bis zu 60 Sekunden zu – ohne, „dass dies zum Schutz von Polizeibeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich“ war. Technisch möglich sind aktuell allerdings nur 30 Sekunden „pre-recording“, für die Pilotphase reicht das aus.
Ob Aufzeichnungen von Bodycams auch gegen Polizisten verwendet werden könnten, wenn die sich im Dienst strafbar machen, müsste im Einzelfall geklärt werden. Doch prinzipiell könnten sie auch hier zur Aufklärung beitragen.
Aufklärung vs. Datenschutz
Alle beteiligten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten – sowohl mit also auch Streifenkollegen ohne Bodycam – wurden zu rechtlichen Grundlagen, Handhabung und Einsatztaktik geschult. So dürfen zum Beispiel nur auf öffentlich zugänglichen Plätzen Aufnahmen gemacht werden. Bei häuslicher Gewalt oder einer Schlägerei im Bierzelt bleibt die Kamera also aus.
Wurden Aufnahmen gemacht, überspielt der Beamte diese an einer speziellen Dockingstation. Der aufnehmende Beamte selbst hat keinen Zugriff auf den Film. Jede Sichtung oder Veränderung am Video wird protokolliert.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz ist eng in das Projekt mit eingebunden. Hier müssen Grundrechte abgewogen werden. Explizit auf die Aufnahme hingewiesen werden muss jedoch nicht. Das offene Tragen ist Ankündigung genug. Trotzdem weisen die Beamten Personen auf eine Aufnahme hin:
Sie werden ab sofort aufgezeichnet,
sagt Polizeioberkommisar Gerbig dann und erklärt, warum er sich freiwillig für das Bodycam-Pilotprojekt gemeldet hatte:
Weil ich genug Situationen kannte, in denen man denkt „Hätte der Richter oder der Staatsanwalt das mal gesehen!“. In Schriftform kann man zwar aggressiv schreiben – aber nicht erleben, wie das ist.
Bei einem Einsatz war die Bodycam von POK Gerbig bereits aktiv. Ob Bodycams landesweit eingeführt werden, wird nach der Auswertung der Testergebnisse noch in diesem Jahr der Landtag entscheiden.