Mannheim, 11. Dezember 2015. (red/hmb) Viele Menschen in Mannheim – vor allem junge – berauschen sich auf Festen bis zur Besinnungslosigkeit. Regelmäßig endet das lebensbedrohlich. Drogenkonsumenten steigen zugedröhnt ins Auto und gefährden andere. Oder sie haben so viel konsumiert, dass sie auf der Intensivstation landen. Festivals wie Toxicator und TimeWarp sind Mega-Drogen-Partys mit zehntausenden Teilnehmern. Und obwohl die Probleme bekannt sind, findet keine politische Debatte statt. Muss das so hingenommen werden?
Kommentar: Hannah-Marie Beck

MDMA, der Hauptbestandteil von Extasy. Symbolbild. Von Psychonaught (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons
Will Mannheim sich damit schmücken? Schließlich haben „Toxicator“ und „Time Warp“ schon richtig Tradition – wie es dort zugeht, ist hinlänglich bekannt. Und dennoch gibt es kaum eine öffentliche Debatte darüber, wie es mit den Festivals weiter gehen soll.
Drogenexzesse sind bekannt
Am vergangenen Wochenende fand die Toxicator schon zum siebten Mal in Mannheim statt. Die Polizei kontrollierte vor Ort zahlreiche Festivalbesucher – die Bilanz sollte zu denken geben: Über 70 Drogenverstöße wurden registriert. Ein Viertel der Konsumenten war noch minderjährig.
Das Dunkelfeld ist außerdem noch sehr viel höher – fast jede Kontrolle, die Beamte durchführten, war „ein Erfolg“. 60 Personen mussten aufgrund von Drogenmissbrauch medizinisch versorgt werden. Ein Mann schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr. 2014 brach ein Teilnehmer zusammen und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus.
Schockierend? Eigentlich muss man sich kaum mehr wundern. Bereits seit 1995 findet die Time Warp in Mannheim statt – jedes Jahr sind die Bilanzen ähnlich: Drogenverstöße sind hier offenbar Normalität. Im April dieses Jahres zog das Event rund 15.000 Besucher in die Maimarkthalle. Polizeikontrollen ergaben, dass von ihnen hochgerechnet etwa 3.750 Drogen konsumiert haben. Nahezu jeder zweite am Steuer stand unter Drogeneinfluss. Und spätestens hier hört jeder Spaß auf – weil Konsumenten nicht nur sich selbst schaden, sondern andere in Gefahr bringen.
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Die Techno-Großveranstaltungen sind damit ganz eindeutig die mit Abstand größten Mega-Drogen-Parties der Region. Aber warum? Reisen allen Ernstes Menschen aus aller Welt an und zahlen um die 50 Euro für ein Ticket – nur um Drogen zu nehmen? Können sie die Musik nüchtern nicht ertragen? Oder schafft man es einfach nicht, ohne Aufputschmittel 19 Stunden lang durchzufeiern?
Viele Konsumenten reden von einem „geilen Kick“ oder „Erlebnissen, die so nur mit Drogen möglich sind“. Tatsächlich sehen die allermeisten von ihnen nüchtern betrachtet nicht danach aus, als würden sie gerade die Zeit ihres Lebens haben – sondern eher wie Zombies mit verkrampften Gesichtsausdrücken und Schwierigkeiten, noch gerade auszuschauen.
Techno-Fans lassen die Kritik ungern auf sich sitzen und fühlen sich schnell angegriffen. Verständlich – schließlich machen die Festivals häufig nur noch im Zusammenhang mit Drogen Schlagzeilen. Sicherlich gehen auch viele zu den Techno-Großveranstaltungen, ohne Drogen zu nehmen, einfach weil sie die Musik genießen. Nur scheinen das immer weniger zu werden. Einige konsumieren Mengen, bei denen einem Hören und Sehen vergeht: Vier Pillen Extasy und zwei Gramm Koks in einer Nacht sind keine Seltenheit. Wer das noch als „normal“ empfindet, hat wahrscheinlich schon zu viel genommen.
Sind die Einnahmen wichtiger?
Natürlich gibt es auch bei anderen Großveranstaltungen auffällig viel Drogenkonsum. Auch an Fasching gibt es etliche, die wegen einer Überdosis Alkohol im Krankenhaus verenden. Das eine entschuldigt aber nicht das andere. Wenn Drogenkonsumenten sagen: „Aber Alkohol ist doch auch schädlich und niemanden stört es“ – dann trifft das ein Stück weit zu. Das Problem ist vor allem die schiere Menge – warum müssen so viele (junge) Menschen sich überhaupt bis zur Besinnungslosigkeit berauschen, um sich ein paar Stunden „glücklich“ zu fühlen?
In der Politik wird das Thema gepflegt ignoriert. Nach der TimeWarp beschwerte sich Erster Bürgermeister Christian Specht, die Veranstaltung sei „zu laut“ gewesen – als ob das das Problem wäre. Eine Anfrage der Redaktion vom vergangenen Dienstag, wie der Bürgermeister zu dem Problem der Drogenexzesse steht und was man dagegen tut, blieb bislang unbeantwortet.
Soll das die Strategie der Stadt Mannheim sein? Schweigen und wegsehen? Wo bleibt eine Stellungnahme, die sich mit den wirklichen Problemen auseinandersetzt? Nicht nur die Bürgermeister, auch die Parteien müssen endlich etwas sagen – oder muss man sich mit diesen Zuständen einfach abfinden, weil die Veranstaltung eben doch ganz ordentlich Geld nach Mannheim bringen?