Mannheim/Rhein-Neckar, 09. September 2013. (red/ms) Am vergangenen Mittwoch waren die Mannheimer Bundestagsabgeordneten Michael Schlecht (Die Linke), Stefan Rebmann (SPD) und Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) im Mannheimer Gewerkschaftshaus und hätten dort über Waffenexporte diskutieren und sich den Fragen der Bürger stellen sollen. Tatsächlich entfernte man sich aber unter der Moderation von Ulrich Wohland schnell vom eigentlichen Thema und auch die Fragen der Bürger wurden am Ende kaum beachtet.
Von Minh Schredle
Die Qualitäten eines Moderators sind maßgeblich dafür entscheidend, wie gut eine Diskussionsrunde ablaufen kann. Ein guter Moderator schafft es, bei Unstimmigkeiten und Widersprüchen nachzuhaken und so Kandidaten etwas aus der Reserve zu locken. Oder er hat mögliche Gegenpositionen parat, wie man einen Sachverhalt noch aus einem anderen Blickwinkel als einer der Redner betrachten könnte. Ein guter Moderator schafft es zumindest für einigermaßen gleiche Redeanteile zu sorgen. Genau darauf wollte Ulrich Wohland nämlich genau achten, wie er im Vorfeld ankündigt hatte – gelungen ist es ihm leider nicht. Stattdessen stellte er eindrucksvoll unter Beweis, wie ungeeignet er dafür ist, ein kritisches Thema wie Waffenexporte zu moderieren.
Es ist 18:30 Uhr. Das Interesse der Bürger ist offenbar groß, denn alle bereitstehenden Sitzplätze sind belegt, es mussten sogar noch ein paar zusätzliche Stühle aus anderen Räumen herangeschafft werden. Insgesamt sind ungefähr 50 Gäste gekommen, allerdings keine jungen Erwachsenen – ich war vermutlich der einzige Erstwähler. Die meisten schätze ich auf Anfang bis Mitte dreißig, viele noch deutlich älter. Eigentlich sollte jetzt die Diskussion anfangen. Das Problem: Es sind noch nicht alle Kandidaten da.
Waffenexport? Scheinbar kein Thema für Erstwähler.
Dann fängt Ulrich Wohland an zu sprechen:
Es tut mir Leid, offenbar wurden unterschiedliche Anfangszeiten kommuniziert. Herr Schick hat es wohl so aufgefasst, dass die Diskussion erst um 19:00 Uhr beginne. Wir haben ihn jetzt angerufen. Zum Glück wohnt er hier ganz in der Nähe. Er hat sich jetzt auf den Weg gemacht. Unterhalten Sie sich doch, während Sie warten mit Ihren Sitznachbarn.
Als Herr Schick eintrifft, ist es 18:55 Uhr. Herr Wohland freut sich:
Schön, dass sie es so schnell einrichten konnten.
Ich bin etwas verdutzt. Sonderlich seriös oder kompetent wirkt das alles nicht. Ich habe auch meine Bedenken, ob es überhaupt zu einer unvoreingenommenen Diskussion kommen kann. Schließlich sind die anwesenden Bundestagsabgeordneten bekanntermaßen allesamt für eine strengere Regulierung der Rüstungsexporte oder im Fall von Michael Schlecht für ein absolutes Verbot.
Außerdem ist noch Paul Russmann da, der Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“. Von der CDU und der FDP ist niemand erschienen. Zwar sollen Prof. Dr. Egon Jüttner und Dr. Birgit Reinemund auch eingeladen worden sein, sie hätten aber aus terminlichen Gründen absagen müssen. Eine Vertretung wurde nicht geschickt. Jetzt wird auch noch eine Liste durch das Publikum gereicht. Mit seiner Unterschrift unterstützt man eine Petition, die das Verbot von Waffenexporten fordert.
Ein verspäteter, aber gelungener Anfang
Endlich beginnt es. Die Anfangsidee ist wirklich gut: Herr Wohland hat einen Faktencheck vorbereitet, der ein wenig das Fachwissen der Bundestagsabgeordneten überprüfen soll. Gefragt wurde zum Beispiel, wie vielen Ländern die Bundeswehr gerade aktiv ist. Das ernüchternde Ergebnis: Keiner der Abgeordneten konnte die Frage richtig beantworten.
Momentan sind es übrigens dreizehn. Daneben war dieser Einstieg aber wirklich gut geeignet, um ein paar Dimensionen zu verdeutlichen: Der größte Abnehmer deutscher Rüstungsexporte ist das hochverschuldete Griechenland, durchschnittlich stirbt alle 14 Minuten ein Mensch durch ein deutsches G3 Sturmgewehr. Ebenfalls bedenklich, auch wenn es eigentlich nichts mit den Rüstungsexporten zu tun hat: In Deutschland gibt es nach Angaben der taz derzeit 25.000.000 private Schusswaffen.
Danach durften die Redner ihren grundsätzlichen Standpunkt zur rechtlichen Lage der Waffenexporte darlegen.
Herr Rebmann erzählte in diesem Zusammenhang, wie er in Afghanistan mit Soldaten gesprochen habe, die selbst sagten, dass das Militär keine Ursachen für Konflikte beheben könne und man daher eher auf eine Friedenspolitik mit nachhaltiger Entwicklungshilfe setzen solle. Das klingt in meinen Augen grundsätzlich recht plausibel, hat aber eigentlich nur sehr wenig mit dem eigentlichen Thema zu tun. Am Ende kommt er aber doch wieder darauf zurück:
Ich fordere, dass Lieferungen in aktuelle Spannungsgebiete und in Länder, die Menschenrechte missachten, verboten werden.
Herr Schick sagte, dass eine Verschärfung der Gesetzesgebung eines der zentralen Themen und eines der wichtigesten Anliegen für ihn und seine Partei seien. Seine Forderungen stimmten mit denen von Herrn Rebmann überein.
Als Herr Schlecht sprach, applaudierte das Publikum, das zum Großteil aus überzeugten Pazifisten zu bestehen schien, nach fast jedem seiner Sätze:
Die Position der Linken ist da ganz eindeutig: Wir sagen „Nein!“ zu allen Waffenexporten, weil Waffen nicht für Frieden sorgen. Außerdem wollen wir keine deutschen Soldaten außerhalb von Deutschland. Die Linke war auch die einzige Partei, die bei allen Bundestagsentscheidungen zu Auslandseinsätzen geschlossen dagegen gestimmt hat. Deswegen muss ich auch nicht wissen, bei wie vielen Auslandseinsätzen die Bundeswehr beteiligt ist. Es ist nämlich nicht meine Verantwortung.
An dieser Stelle wäre es in meinen Augen Aufgabe des Moderators gewesen, nachzuhaken, ob man es sich denn wirklich so einfach machen könne, jegliche Verantwortung von sich zu sprechen. Das tat Herr Ulrich aber nicht. Genaugenommen fragte er kein einziges Mal nach. Und genau das war das große Manko: Er ließ die Leute ungestört ausreden, auch wenn sie sich in ausschweifenden und themenfremden Monologen verloren. Und so entfernte sich die Diskussion immer mehr vom eigentlichen Thema, bis alle nur noch davon redeten, dass eigentlich keiner der Kandidaten noch eine schwarz-gelbe Legislaturperiode wolle.
Ein gemeinsames Feindbild
Es ist wirklich schade, dass niemand von der FDP oder der CDU vor Ort war. Es wäre sicher interessant zu sehen, wie sie sich gegen manchen Vorwurf zur Wehr gesetzt hätten. So war es nur ein Lästern über die Leute, die nicht da sind.
Diese Lästerei hatte in einer sachlichen Diskussion überhaupt nichts verloren. So wenig differenziert die Debatte ablief, umso klarer die propagandistische Ansage des „Moderators“:
Wir sehen also alle ein, dass es unter Merkel nicht weiter gehen kann.
In der anschließeden Fragestunde wurde es nicht besser. Zwar stellten einige der Zuschauer wirklich interessante und kritische Fragen, jedoch war von Herrn Wohland die Auflage festgelegt worden, dass nur diejenigen Fragen zulässig sein, die allgemein genug waren, damit alle Abgeordneten etwas dazu sagen konnten. Dann lies er erst zehn Leute Fragen stellen, bevor die Kandidaten, reihum in einer Tour alle Fragen gleichzeitig beantworten sollten.
So wurde besispielsweise die Frage, welche Bedeutung denn die Rüstungsexporte denn eigentlich für unseren Arbeitsmarkt haben, erst von Seiten des Publikums aufgeworfen. Oder die kritische Bemerkung eingebracht, dass die Waffenexporte unter der rot-grünen Regierung nicht gesunken sind.
In ewigen Monologen suchten sich die Kandidaten genau das raus, was sie bequem beantworten konnten. Dass unter Gerhard Schröder und Oskar Fischer wurde von Herrn Rebmann beiläufig darauf geschoben, dass dies noch die Nachwirkungen der schwarz-gelben Gesetzgebung gewesen sein müssten.
Neue Erkenntnisse über das Profil der Politiker gab es so aber leider kaum. Am interessantesten wäre da vielleicht die sehr entschlossene Aussage von Herrn Riebmann, dass eine schwarz-rote Koalition für ihn auf gar keinen Fall in Frage komme – mal sehen, ob das in den Tagen nach dem 22. September immer noch gilt.
Desolates Zeitmanagement
Es ist mittlerweile 20:45 Uhr. Offiziell soll die Veranstaltung also gerade noch eine Viertelstunde gehen. Herr Wohland kündigt an, pünktlich „den Hammer fallen lassen“ zu wollen. Trotzdem will er noch eine Fragerunde durchführen. Es gibt einige Wortmeldungen, Wohland lässt sie fast alle zu. Um 20:58 bemerkt er, dass wirklich noch ein paar sehr interessante Fragen gestellt worden seien, die man heute aus zeitlichen Gründen wohl kaum noch alle beantworten könne. Deswegen werde er jetzt noch eine Frage stellen, zu der sich dann noch einmal alle Redner äußern sollten.
Riesiger Protest aus dem Publikum. Herr Wohland gibt nach:
Na gut, dann verlängern wir eben noch einmal um eine Viertelstunde.
Diese Viertelstunde war gerade genug, dass die Kandidaten eine der Fragen ausführlich beantworten konnten. Und das war die des Moderators:
Wie werden Sie sich nach den kommenden Wahlen verhalten?
Die Antworten geben wieder wenig Neues her. Hauptsächlich wiederholen sie bereits Gesagtes. Nichts überraschte, wenn man halbwegs mit den Parteiprogrammen für den Wahlkampf vertraut ist. Kopfschüttelnd denke ich mir, wie viel Potential heute vergeudet worden ist. Ein kritisches und interessiertes Publikum war anwesend. So scheiterte die Diskussion an widrigen Voraussetzungen und vor allem an einem unfähigen Moderator.