Rhein-Neckar/Berlin/Stuttgart, 11. November 2016. (red/pro) Geht es nach der CDU, sollen so genannte “Kinderehen”, also Ehen, bei denen mindestens ein Partner unter 18 Jahre alt ist, künftig verboten sein und bereits geschlossene wieder aufgehoben werden. Im Interview mit dem Rheinneckarblog plädiert der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Stephan Harbarth zudem für eine konsequente Strafverfolgung, sofern ein Ehepartner unter 14 Jahre alt ist und die Ehe “auch sexuell” vollzogen worden ist. Angesichts von mindestens rund 1.500 bekannten “Kinderehen” bei Ausländern, soll ein entsprechendes Gesetz zügig erfolgen.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Dr. Harbarth, offiziell sind rund 1.500 Kinderehen bei Ausländern bekannt, also Ehen, bei denen mindestens ein Partner unter 18 Jahre alt ist. Wie dringend ist der Handlungsbedarf aus Ihrer Sicht?
Dr. Stephan Harbarth: Sehr dringend. Es gibt rund 400 Fälle, wo ein Partner unter 14 Jahre alt ist. Selbst eine deutlich geringe Fallzahl würde ein schnelles Handeln erfordern.
Sollten Ehen mit Partnern unter 18 Jahren generell verboten werden?
Harbarth: Ja. Wir treffen hier die klare politische Aussage, vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Vorgaben, dass es diese Ehen nicht geben darf, selbst wenn bereits Kinder daraus hervorgegangen sein sollten.
Dringliche Fälle
Was, wenn die Ehen schon vor vielen Jahren geschlossen worden sind?
Harbarth: Wenn ein Partner bei Eheschließung minderjährig war, muss die ursprüngliche Ehe aufgehoben werden. Sie kann, sofern die Partner das wünschen, dann erneut geschlossen werden.
Stellen wir uns mal vor, die Frau war bei Eheschließung 15, ist heute 60 und der Mann 70 – auch dann?
Harbarth: Auch dafür braucht es Lösungen. Wenn sich zwei Menschen in Liebe über Jahrzehnte verbunden sind, wäre eine Aufhebung natürlich unangemessen. Sinnvolle Regelungen für solche Fälle, die vermutlich nicht so häufig sind, müssen wir im parlamentarischen Prozess beraten. Dringlich sind die Fälle, bei denen aktuell Minderjährige betroffen sind, was zukünftig klar geregelt sein muss.
Es gibt das Argument, dass eine pauschale Aufhebung zum Nachteil der Frauen wäre, weil diese Rechte verlieren würden. Wie stichhaltig ist das Argument?
Harbarth: Das Argument gibt es. Auch hier sind sinnvolle Regeln zu finden, welche Rechte zugestanden werden können oder müssen. Es wäre kurios, wenn beispielsweise eine Frau nach Jahrzehnten gelebter Ehe beispielsweise kein Erbrecht hätte. Das lässt sich sicherlich vernünftig regeln.
Kindesmissbrauch muss konsequent verfolgt werden
Zurück zu jüngeren Paaren. Was, wenn ein Partner aktuell 25 ist und mit einem Partner unter 14 Jahren verheiratet ist und die Ehe auch sexuell „vollendet“ wird?
Harbarth: Dann handelt es sich um Kindesmissbrauch, der strafrechtlich konsequent verfolgt werden muss.
Das ist aktuell nicht der Fall. Es gibt keine Anzeigepflicht und das Argument, dass Opfer sich anvertrauen können sollten, ohne dass es zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommt.
Harbarth: Es ist immer gut, wenn Opfer sich anvertrauen, Hilfe finden und erhalten. Es kann aber nicht sein, dass der Rechtsstaat von Strafverfolgung absieht. Das wäre gegen den Sinn des Rechtsstaats. Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Bewusstsein für die Ächtung von Kinderehen und müssen dieses Verständnis auch international durchsetzen – ähnlich wie bei der Genitalverstümmelung, die in vielen Ländern „Tradition“ hat. Wir müssen daran arbeiten, dass global verstanden wird, dass Ehen mit Minderjährigen inakzeptabel sind und Verstöße konsequent verfolgt werden. Menschen aus anderen Kulturkreisen müssen ebenso verstehen, dass auch die Selbstbestimmung der Frau bei uns nicht verhandelbar ist.
Der Konsens muss die Ächtung von Kinderehen sein
Um den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Maas gibt es eine kontroverse Debatte. Was denken Sie, bis wann eine konkretisierte rechtliche Regelung vorliegen kann?
Harbarth: Möglicherweise noch in diesem Jahr, spätestens zu Anfang des kommenden Jahres sollte das Gesetz im Bundestag verabschiedet worden sein.
Die gesetzliche Regelung ist nur ein Schritt. Was ist mit Aufklärung?
Harbarth: Das sollte schneller möglich sein und zügig umgesetzt werden bei der Integrationsarbeit. Hier muss klar kommuniziert werden, dass Kinderehen nicht akzeptiert werden und rechtliche Konsequenzen mit sich bringen.
Es geht auch hier wie so häufig um Geld. Rechnet man nur für die bekannten 1.500 Fälle rund 5.000 Euro, die die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern kosten, dann sind das 7,5 Millionen Euro pro Monat. Muss man das berücksichtigen?
Harbarth: Nach meiner Überzeugung dürfen Kostenfragen bei diesem wichtigen Thema keine Rolle spielen. Klares Ziel muss sein, dass die Integration auf Basis unserer Grundwerte und unserer Gesetze erfolgt. Und dazu gehört: Menschenrechte sind nicht verhandelbar.
Service: Das Positionspapier der CDU zum Verbot von Kinderehen finden Sie hier.
Online-Umfrage: Hier können Sie an unserer aktuellen Umfrage zum Thema teilnehmen.
Zur Person:
Dr. Stephan Harbarth (44) ist seit 2011 Kreisvorsitzender der CDU Rhein-Neckar, seit 2013 Mitglied des Landesvorstands Baden-Württemberg und seit Juni 2016 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag für die Bereiche Recht und Verbraucherschutz, Innen, Sport und Ehrenamt, Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten. Seit 2009 ist für den Wahlkreis 277 (Rhein-Neckar) Mitglied des Bundestags. Als Anwalt ist er seit Mai 2008 Vorstandsmitglied der Mannheimer SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.