Heidelberg, 11. Mai 2015. (red/pro) Maceo Parker ist einer der allerbesten Live-Musiker dieser Welt – und das schon seit Jahrzehnten. Selbst wer ihn liebt, ihn schon oft erlebt hat, wird immer wieder überrascht. Selbst mit 72 Jahren ist der Mann voller Energie und treibt an. Sich selbst, seine Musiker und vor allem das Publikum, das er liebt. Und am besten erlebt man herausragende Künstler auf „kleinen“ Bühnen ganz groß.
Von Hardy Prothmann
Wenn diese drei Dinge zusammenkommen, passt alles: Eine überschaubare Location, ein Publikum, das weiß, was es will und eine Band, die Lust auf Party hat. Das ist für mich Maceo Parker.
Maceo – gnadenlos funky
Ich habe nicht gezählt, wie oft ich auf seinen Konzerten war. Aber ich weiß, dass es jedes mal der pure Spaß war. Anfang der 90-iger Jahre spielte er in der Alten Feuerwache (wo er oft aufgetreten ist) – nach über drei Stunden Hardcore-Funk gingen die ersten Gäste. Aber nicht, weil sie keinen Spaß mehr hatten. Maceo Parker und seine Band hatten sie fertig gemacht. Vollständige Reizüberflutung, Dehydration, Muskelkrämpfe. Nach der sechsten, siebten Zugabe spielte die Band einfach weiter: Shake everything you got.
Nach rund viereinhalb Stunden war das Konzert vorbei. Weil seine Musiker nicht mehr konnten. Ausgepumpt. Glücklich – aber am Ende. Nur Maceo stand noch auf der Bühne, funkte ins Mikrophon wie ein Besessener und seine Augen funkelten. Huah. Uh. Yieha. Ich hatte den Eindruck, dass er sich erst gerade warmgespielt hatte und war froh, dass die Band am Ende war. Ich war es nämlich auch.
Maceo – Musikgeschichte des Funk
Und dann spielte er nochmals. Sanft, zärtlich, schmusig. Verzückend. Sein Sound ist so unvergleichlich schön, klar, entrückt, überraschend. Und natürlich wurde er wieder wild, riss die Augen auf, wollte erneut loslegen. Ein Blick auf die Band, den Saal und dann der Satz: „I love you. And I’ll be back with my band.“ Und nochmals die Vorstellung aller Musiker wie schon so oft an diesem Abend.
Damals hatte er Bläsersets mit drei, vier, fünf Musikern dabei. Den grandiosen Pee Wee Ellis am Tenor-Sax und Fred Wesley an der Posaune.
2014 habe ich Maceo Parker in Worms erlebt – nach gut zehn Jahren das erste Mal. Ja, der Mann ist alt geworden, aber die Hüfte geht noch mit, der Groove und die Finger laufen. Und seine Musik? Ist frisch und knackig. Und jetzt im Karlstorbahnhof überzeugt er mit allem, was ihn ausmacht: Sein unverwechselbarer Sound, druckvolle Musik, die sich mit zarten Einlagen abwechselt, viel Quatsch im Kopf und der Liebe zur Musik, der Band und dem Publikum.
Uh, Huah, Uh, Ha, Tha
Der Groove, die Lebens- und Spielfreude dieses Ausnahmemusikers ist einmalig. Mit „Sex Machine“ bei James Brown am Tenorsax bekannt geworden, ist das Alt sein Instrument. Aber eigentlich singt und „predigt“ er mehr, als er spielt. Aber wenn er spielt, setzt er Akzente. Oft nur einen Akkord, manchmal nur einen Ton. Synkopisch. Aus dem Nichts. Aber so muss das sein: Put your hands together, Uh, Huah, Uh, Ha, Tha. Kein Mensch weiß eigentlich wirklich, was das für Konzerte sind – das Schlagzeug ist überwiegend rockig, die Bläsersets sind Big-Band, der Gesang ist eine Urform von Hip-Hop, das Piano oft Fusion, der Bass Jazz und die Gitarre oft Blues.
Was die Musik prägt, ist nicht nur, was gespielt wird, sondern, was nicht gespielt wird. Es gibt kein Gedudel. Wiederholungen über Variationen ohne Ende, aber immer akzentuiert. Wie ein Liturgie – aber eine, die nicht müde, sondern wach machen soll. Das ist irgendwie Gospel, aber der Gott ist Musik und die reine Lehre ist Liebe.
Maceo Parker hat schon immer gecovert – ob Marvin Gaye oder Ray Charles. Und es sind gefühlvolle Liebeserklärungen. Selbst wenn er wie im Karlstorbahnhof eine Sonnenbrille aufzieht und den zappelnden Ray nachahmt, wird sofort klar, dass er sich nicht lustig macht, sondern ein Hommage an das große Vorbild bietet. Seine Liebe und Bewunderung für Ray Charles ist eine Verneigung vor dem Können anderer – auch das macht Maceo Parker, den Könner, so groß. Es gibt niemanden, der seine Musiker so pusht, wie er das tut. Und das Publikum – jeden einzelnen.
Maceo Parker ist überhaupt nicht vorstellbar auf großen Bühnen – der Kontakt mit dem Publikum ist intensiv, wie er intensiver nicht sein kann. Dafür muss man sich nah sein. Im Karlstorbahnhof Heidelberg lächeln die Gesichter. Die Menschen feiern Musik, good feeling, Love. Come on. Glück.
Vor mir steht ein junger Mann. Wie alt bist Du? „22“, sagt er. Woher kennst Du Maceo Parker und wieso bist Du hier? „Ich spiele selbst Saxophon“, sagt er. Alles klar. Der junge Mann lächelt und groovt.
Maceo sind viele Namen
Maceo Parker – das sind auch viele Namen auf einem langen musikalischen Lebensweg. Bruno Speight an der Gitarre ist schon ewig dabei und fasziniert das Publikum mit einem abgefahrenen Solo, das irgendwie Funk sein könnte, aber doch Orient ist. Will Boulware am Keyboard ist ein ständiger Begleiter, der mit B.B. King oder Carla Bley gespielt hat. Rodney “Skeet” Curtis am Bass ist eine „Foundation“ – ein Fusion zwischen Jazz und Funk. Voluminös und fein im Spiel.
Darliene Parker studiert ihren Onkel mit 64 Zähnen im Gesicht und als sie „Stand by me“ singt, gelingt das Kunststück, dass die Männer im Publikum sehr ehrfürchtig werden und die Frauen nicht böse. Sie ist eine „Sex machine“ auf der Bühne. Und Martha High, früher Vocal bei James Brown, ist ebenso glücklich mit Maceo Parker.
Rodney Holmes habe ich das erste Mal an den Drums erlebt und der New Yorker ist ganz und gar unglaublich – schade, dass das Schlagzeug so aufgebaut war, dass man ihn beim Spielen nicht sehen konnte. Greg Boyer war auch in Worms dabei und passt gut zu Maceo Parker – satte Sounds, er spielt auch mit Prince.
Welche Songs wurden in welcher Reihenfolge gespielt? Funk it. Die Songs gehen ineinander über, ständig wird zitiert, es gibt ein klares Konzept und dann Impro. Das ist Maceo Parker – perfekte Musik, viel Spaß, Liebe und Überraschungen. Die rund 500 Gäste haben ein historisches Konzert erlebt – der Mann wird nicht mehr jünger und ich empfehle allen, die handgemachte Musik lieben: Go Maceo, egal wo.
Und allen, die abseits von Massenveranstaltungen Musik aus nächster Nähe erleben wollen, empfehle ich: Go Maceo, go Karlstorbahnhof. Let’s groove – that is what it’s about.
Und wer ein wenig Zeit hat, schaut sich die Doku an