Rhein-Neckar/Meckesheim, 11. August 2011. (red) Der SWR berichtete gestern mit Bezug auf die Rhein-Neckar-Zeitung, dass das Meckesheimer Rathaus von Polizisten in Zivil und der Staatsanwaltschaft durchsucht worden ist. Der Verdacht: Die Verwaltung soll bei einzelnen Firmen keine Gewerbesteuer erhoben haben. Bürgermeister Hans-Jürgen Moos (SPD) bestätigte „Probleme“. Herr Moos ist für uns ein „alter Bekannter“ – auch für die Gemeindeprüfungsanstalt und das Kommunalrechtsamt. Die Ermittlungen könnten auch für diese Behörden unangenehm werden.
Von Hardy Prothmann
Hans-Jürgen Moos (SPD) muss Nerven wie Drahtseile haben. Rund zweieinhalb Jahre lang foppte er die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) und das Kommunalrechtsamt (KRA), wie uns vorliegende Informationen dokumentieren: Von Mitte 2004 bis mindestens Ende 2006. Die GPA war mit den Abrechnungen der Gemeinde nicht einverstanden und hatte viele Fragen. Doch die wurden nicht beantwortet.
Im Herbst 2009 ist uns ein Dokument zugespielt worden, das den damaligen Skandal belegte. Das Kommunalrechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises hatte ein älteres Word-Dokument überschrieben – per „Versionsvergleich“ konnten die Änderungen nachvollziehbar gemacht werden. Dadurch wurde der Schriftsatz des Amtes in Sachen „Moos und Meckesheim“ „sichtbar“.
Wenn die GPA oder das Kommunalrechtsamt Druck machten, wurden Fristverlängerungen beantragt – und genehmigt. Weitere Mahnungen und Erinnerungen fochten den SPD-Bürgermeister nicht an. Er bat wieder um Fristverlängerungen.
Das Kommunalrechtsamt gibt schließlich entnervt auf und schreibt im Oktober 2006:
„Ein Zeitverzug von über 2 -½ Jahren in der Erledigung der Prüfungsfeststellungen der GPA ist – jedenfalls in der Erfahrung des Kommunalrechtsamts – ein absolutes Novum. Im Interesse einer gesetzmäßigen Verwaltung kann eine weitere Verzögerung nicht mehr hingenommen werden. Dazu erscheint uns notwendig, dass das Hauptorgan (soweit nicht bereits geschehen) über den wesentlichen Inhalt des Prüfungsberichts, aber auch über die bisherigen (Teil-)Stellungnahmen der Verwaltung zum Prüfungsbericht und – drittens – über den bisherigen Ablauf der Erledigung der Prüfungsfeststellungen bzw. über den Inhalt dieses unseres Schreibens in Kenntnis gesetzt wird. Nur auf diese Weise ist unseres Erachtens sichergestellt, dass der Gemeinderat seine gesetzliche Überwachungspflicht gegenüber der Verwaltung ausüben kann.“
Anfangs zeigten sich die „Prüfanstalten“ kulant und räumten eine sechsmonatige Frist ein. Dann folgten Erinnerungern in monatlichen Abständen. Im August machten die Ämter Sommerpause. Ab September 2004 wurde auf 14-tägliche Mahnschreiben umgestellt, dann ging es wieder halbjährlich weiter und so fort.
Soviel steht fest: Schon damals war klar, dass der Meckesheimer Bürgermeister Moos seine Amtsgeschäfte derart unzureichend „erledigte“, dass das Kommunalrechtsamt ein Disziplinarverfahren androhte:
„Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Ihnen zur Ausräumung aller Prüfungsbemerkungen bereits 2 volle Jahre zur Verfügung gestanden haben, und Sie bzw. Ihre Verwaltung in dieser Zeit nicht weniger als 9 mal (!) schriftlich und mündlich durch GPA oder Kommunalrechtsamt an die Erledigung erinnert wurden, kann eine weitere Verzögerung des Prüfungsverfahrens nicht länger hingenommen werden. Die Verantwortung für eine sachgemäße Erledigung der Aufgaben der Gemeinde liegt bei Ihnen als dem Leiter der Verwaltung (-§ 44 Abs. 1 in Verbindung mit§ 114 Abs. 5 Satz 1 GemO). Sofern Sie diese Verantwortung in dem gesetzlich notwendigen Umfang nicht wahrnehmen, begehen Sie eine Dienstpflichtverletzung, die unter Umständen disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.“
Soweit uns bekannt ist, blieb es bei der Drohung. Albin Hermann, der damalige Leiter des Kommunalrechtsamts, ist mittlerweile im Ruhestand. Der stellvertretende Landrat Dr. Bodo-Falk Hoffmann, als „Erster Landesbeamter“, wurde über die unglaublichen Vorgänge informiert. Der Skandal fällt noch in die Amtszeit von Dr. Jürgen Schütz – aber auch der neue Landrat Stefan Dallinger (CDU) trägt Verantwortung, denn er hat die Amtsgeschäfte übernommen.
Die Ermittlungen der Staatsanwalt folgen aktuell einem ebenfalls „unglaublichen Verdacht“: Ist es vorstellbar, dass die Gemeinde Meckesheim über Jahre hinweg von bestimmten Firmen keine Gewerbesteuerzahlung eingefordert hat? Einfach so? Angeblich sollen es bis zu einer Million Euro sein, die in der Gemeindekasse fehlen. Und das in Zeiten klammer Finanzen.
Noch „unglaublicher“ ist, dass der Bürgermeister Moos dies gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) zumindest dem Bericht nach bestätigt:
„Der Rathauschef gibt aber auch anderen die Schuld, dass es nun so weit kam: „Der Gemeinderat hat in 25 Jahren als Kontrollorgan versagt.“ Und auch die Gemeindeaufsicht habe sich lange nicht beschwert. „Es ist auf allen Ebenen viel schiefgelaufen“, erklärte Moos. Der finanzielle Schaden für die Gemeinde sei aber „überschaubar“.“
Eine Million ist also „überschaubar“? Und die Gemeindeaufsicht habe sich lange nicht beschwert? Das ist glatt gelogen. Anders als im Bericht der RNZ dargelegt, ist das letzte Prüfverfahren nicht sechs Jahre her, sondern hat vor sechs Jahren begonnen. Und die Beschwerden waren massiv. Ob das „Verfahren“ Anfang 2007 beendet worden ist? Wer weiß – dazu haben wir keine Informationen.
Bürgermeister Moos (39), seit elf Jahren im Amt, kann aber noch dreister. Seiner Auffassung nach hat der Gemeinderat „versagt“ – doch der bekommt wegen des Steuergeheimnisses überhaupt keine Einsicht in die Unterlagen. Das fällt in die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters und der Finanzverwaltung. Und angeblich seien „Fälle“ dabei, die 25 Jahre zurückreichten. Sind da Forderungen nicht längst verjährt?
Tatsächlich stellen sich am Beispiel der kleinen Gemeinde Meckesheim (5.300) Einwohner viele Fragen:
- Wie kann es sein, dass sich die Gemeindeprüfungsanstalt und das Kommunalrechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises über mindestens zweieinhalb Jahre lang bei Prüfungsfragen haben hinhalten lassen?
- Welche Rolle hatte der Gemeinderat?
- Betrifft das nur die Gemeinde Meckesheim oder auch andere Gemeinden?
- Kommen die GPA und das Kommunalrechtsamt wirklich ihren Pflichten nach oder werden die Akten solange hin und her geschoben, bis jeder Überblick verloren ist?
- Welche Firmen sind betroffen und in welcher „Beziehung“ stehen diese zum Bürgermeister oder zu Gemeinderatsmitgliedern? Oder zu Prüfern der GPA oder Mitarbeitern des Landratsamts?
- Sind Staatsanwaltschaft, Landratsamt, Gemeindeprüfungsanstalt tatsächlich daran interessiert, Licht ins Dunkel zu bringen?
Hans-Jürgen Moos gestehe ein, „als Dienstherr natürlich der Hauptverantwortliche“ zu sein, berichtet der SWR. Tatsächlich? Laut den Berichten von SWR und RNZ führt der SPD-Bürgermeister Moos zu wenig Personal an, „komplexe Fälle“, „Firmeninsolvenzen“, die „Ortskernsanierung“ und so weiter. Er übernimmt die Verantwortung und verteilt sie sofort auf andere.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft und laut der Sprecherin Dorothée Acker-Skodinis stehe man am Anfang der Ermittlungen gegen „unbekannt“.
Es geht um einen nassfroschen Bürgermeister, eine möglicherweise „überforderte“ Verwaltung. Es geht um Fragen, was die GPA gewusst haben könnte. Oder das Kommunalrechtsamt nicht wissen wollte. Es geht um die Rolle des Gemeinderats. Die Verantwortung von Verwaltungsmitarbeitern. Es geht um Fragen „wer-mit-wem“. Es geht um ein ordentliches Durcheinander. Und es geht um vielleicht eine Million Euro – also weniger als „Peanuts“.
Für einfache Steuerzahler eine enorme Summe, sicher auch für die kleine Gemeinde Meckesheim.
Tatsächlich darf Bürgermeister Moos darauf hoffen, Fristverlängerungen zu beantragen, Fragen nur ungenau zu beantworten, die Verantwortung auf möglichst viele andere abzuschieben, Zusammenarbeit zuzusichern und sich dann doch nicht für zuständig oder überfordert zu erklären oder jemand anderen zu beschuldigen.
Herr Moos darf darauf hoffen, dass die Staatsanwaltschaft kein zu großes Faß aufmacht, das die zuverlässige Kontrolle der Gemeindeprüfungsanstalt in Frage stellt, das Kommunalrechtsamt, den Landrat, das Regierungspräsidium, das Innenministerium. Eine Million Euro sind nicht genug, um ordentlich Wind zu machen und die Staatsanwaltschaft wird sich genau überlegen, was „sich lohnt“ und was nicht.
Eine Million Euro? „Das ist überschaubar.“
Das Ergebnis der Staatsanwaltschaft ist übrigens fast egal. Herr Moos mag seine Amtsgeschäfte unfähig, fahrlässig oder vorsätzlich falsch geführt haben. Er wird aus der „Sache“ mit ziemlicher Sicherheit unbeschadet herauskommen.
Auch wenn er keinen Überblick hat – soviel steht fest. Im Sachen Fristenverlängerung und Aussitzen ist er ein Meister seines Fachs und „behält den Überblick“.
Herr Moos ist in einer komfortablen Lage. Nach der Gemeindeordnung ist er nicht abwählbar. Und wenn nicht einwandfrei feststeht, dass er die alleinige Schuld und Verantwortung hat, muss er nur noch fünf Jahre seiner zweiten, achtjährigen Amtszeit „absitzen“. Dann ist er 44 Jahre alt und hat einen vollständigen Rentenanspruch.
Und selbst wenn er „beurlaubt“ würde und ein „Amtsverweser“ die Geschäfte führt – Herr Moos muss auch dann nur abwarten. Das kann er erwiesenermaßen.
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