Rhein-Neckar, 11. Oktober 2016. (red/pro) Die Kriminalpolizei, Abteilung Staatsschutz, knöpft sich nach der Aufklärung zum angeblichen „Unfall-Video“ nun rechtsradikale Seite vor. Nach unseren Informationen laufen Ermittlungen gegen Seitenbetreiber an – die Tatmerkmale können sein: Störung der öffentlichen Ordnung, Landfriedensbruch, Volksverhetzung, Verwendung verfassungswidriger Symbole, Aufruf zur Gewalt, Beleidigung, Mitgliedschaft in kriminellen Vereinigungen. Was genau die Kriminalbeamten herausfinden werden, ist offen. Die Jagd auf rechtes Gesocks hat aber begonnen. Fraglich ist, ob nur zum Halali geblasen wird oder die Jagd tatsächlich durchgezogen wird.
Unser Kontakt kann uns nur Andeutungen machen, aber soviel erfahren wir dann doch:
Im Zuge der Recherchen zu dem angeblichen fingierten Unfall eines Flüchtlings, haben wir massenhafte Aufrufe zur Gewalt gefunden. Bei der Recherche haben wir so viele Hetzseiten mit verfassungswidrigen Symbolen und offenem Aufruf zur Gewalt gegen Menschen entdeckt, dass der Rechtsstaat gar nicht anders kann, als diesen Sumpf trockenzulegen. Das sind alles Offizialdelikte – da muss niemand Anzeige erstatten, da müssen wir kraft Gesetz loslegen. Dazu sind wir verdammt nochmal verpflichtet.

Eine von vielen rechtradikalen Hetzseiten, gegen die Bundesjustizminister Maas (SPD) ständig redet, aber wenig tut. Hinweis – die Verwendung verfassungswidriger Symbole ist eine Straftat. Wieso dürfen wir und andere dies tun? Erlaubt ist das Zeigen im Kontext der politischen Bildung. Auf dieser Seite findet das garantiert nicht statt. Quelle: Facebook
Wir haben unseren Kontakten bei der Polizei dazu alle uns zugänglichen Informationen übermittelt – das machen wir immer, wenn wir mögliche Straftaten oder Gefahrenlagen erkennen. Sozusagen aus staatsbürgerlicher Pflicht. Teils sogar gegen unsere journalistischen Interessen eine Story „exklusiv“ haben.
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Hierzu ein Hinweis: Der Quellenschutz ist uns heilig und mir ist in über 25 Jahren im Job noch nie eine „Quelle verbrannt“, wie das im Journalistenjargon heißt. Sprich, es ist noch nie eine Quelle „enttarnt“ worden. Ganz im Gegenteil sind eher „Stories“ gestorben, weil ich die Quelle nicht hätten schützen können und deshalb in der Abwägung des öffentlichen Interesses und des Schicksals der Quelle ich mich gegen eine unmittelbare Veröffentlichung entschieden habe.
Professionelle Journalisten können sich hierbei auf „Quellenschutz“ berufen. Wir müssen gegenüber Behörden und Gerichten keine Angaben zu unseren Quellen machen und dürfen diese schützen – was nicht heißt, dass nicht gegen unsere Quellen und möglicherweise auch gegen uns in bestimmten Fällen ermittelt werden darf. Klar ist – wir Journalisten dürfen nicht zu Straftaten auffordern. Beispiel: Lässt uns jemand „brisante Informationen“ zukommen, können wir Schutz bieten. Fordern wir beispielsweise Beamte auf, uns geheime Informationen zu übermitteln, kann das eine Straftat sein und der Quellenschutz ist vorbei.
Für mich gibt es eine klare Regel: Geheimnisträger und andere Quellen werden immer geschützt – Kapitalverbrechen und staatsgefährdende Straftaten niemals. Übersetzt: Ein Mörder oder ein Terrorist kann von mir und meiner Redaktion keinen Quellenschutz erwarten.
„Solange keiner tot ist, ist alles halb so wild“
Unsere Quellen aus Behörden und Unternehmen tragen uns von sich aus Informationen zu – immer, wenn es „unterm Kittel brennt“. So auch jetzt:
Im Moment sind alle Feuer und Flamme, dem braunen Netz das Handwerk zu legen. Dann sehen wir aber die Menge. Dann wird überlegt, wie viel Arbeit das macht. Dann wird geguckt, was sonst noch so auf dem Tisch liegt und dann ist die Flamme schnell wieder aus. So ist das halt.
Die nächste Aussage ist der Hammer:
Solange keiner tot ist, ist alles halb so wild. Nur Tote erzeugen politischen Wind und dann auch öffentlichen Druck. Wir haben dann Stress ohne Ende und sollen sofort Täter liefern, damit die Kuh vom Eis ist. Das ist Mist. So kann man keine vernünftige Polizeiarbeit machen. Der Maas ist doch ne Lachplatte – sowohl für die Hater als auch für uns.
Und wie sieht das praktisch aus? Unsere Kontakte ähneln sich in den Aussagen:
Von uns wird ein Erfolg erwartet. Siehe NSU-Prozess. Auf keinen Fall zu viele Täter, das bringt alle nur durcheinander. Klare Namen, klare Gesichter. Es muss jemanden für den Pranger geben. Der Rest ist dann politisch eher egal.
Wir wollen wissen, was das für den aktuellen Fahndungsansatz bedeutet?
Wir gucken durch, ob wir ein paar besonders krasse Fälle finden, bei denen die Sachlage klar ist. Die knöpfen wir uns vor und das geht dann vermutlich auch vor Gericht. Das gibt ne Ordnungsstrafe, vielleicht eine Vorstrafe, aber einwandern wird vermutlich keiner. Der Rest des Mobs wird nicht behelligt werden. Das sind zu viele und die Gesetze sind zu lasch. Es lebe die Meinungsfreiheit!
Ob das zynisch gemeint war, wollen wir wissen? „Nein“, ist die Antwort:
Die Meinungsfreiheit ist sehr wichtig. Aber der Mob kennt die Grenzen ganz genau und tanzt uns da auf der Nase herum. Man muss schon einen deutlichen Satz daneben machen, damit man jemanden drankriegt. Das wissen diese Typen. Die gucken sich die Urteile an und feiern dann das ab, was noch unter Meinungsfreiheit fällt, dazu gehört auch, Alle Bullen sind Bastarde oder All Cops are Bastards, ACAB, wie das so nett heißt.
Kann man das Problem lösen, wollen wir wissen. Einhellig sagen unsere Kontakte:
Nur wenn die Gesellschaft insgesamt mitzieht. Also die Politik als Gesetzgeber, die Justiz, andere Behörden, Unternehmen und Bürger. Die Polizei alleine schafft das nicht und ist am Ende immer der Prügelknabe der Nation.
Anm. d. Red.: Wir haben in den vergangenen Monaten mit Polizeibeamten aus Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfahlen und Rheinland-Pfalz gesprochen. Keins der Zitate stammt wörtlich von einem Beamten. Die Zitate sind Versatzstücke aus den Gesprächen. Aktuell haben wir zu den angestrebten Ermittlungen nochmals mit verschiedenen Beamten gesprochen. Alle verlassen sich darauf, dass sie unerkannt bleiben – deswegen reden sie auch offen mit uns.
Man könnte nun meinen – da ist ja kein einziger Beleg vorhanden. Stimmt. Wir liefern auch keinen, obwohl wir welche haben. Diese würden zur sofortigen Aufdeckung unserer Quellen führen. Letztlich bleibt nur, unserer journalistischen Glaubwürdigkeit zu folgen oder nicht. Ihre Entscheidung.