Rhein-Neckar, 11. Juli 2018. (red/kf) Hätten Sie es gewusst? Obwohl in Mannheim und Heidelberg nur noch rund ein Drittel der Verkehre auf den „motorisierten Individualverkehrs“ mit dem Auto fällt, sind Autos an rund 80 Prozent der Unfälle beteiligt. In unserer Serie beleuchten wir verschiedene Aspekte zu Verkehr – einem Thema, das uns alle angeht.
Von Dr. Kerstin Finkelstein
Mit dem Auto werden von Mannheimern und Heidelbergern nur noch bis zu einem Drittel der Wege zurückgelegt – und dieser Anteil sinkt weiter. So entfielen im Jahr 2013 in Mannheim 33 Prozent der Wege auf den motorisierten Individualverkehr (MIV), 2008 waren es noch 36 Prozent.
Der Radverkehr nimmt parallel zu: Hatten die Mannheimer 2008 noch 13 Prozent der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, waren es 2013 schon 18 Prozent (TU Dresden, SrV-Erhebung). Aktuellere Zahlen aus einer gerade laufenden Studie sind leider erst 2019 zu erwarten. Gewünscht wird von der Stadt in jedem Fall eine weitere Verstärkung dieser Entwicklung: Bis 2020 sollen 25 Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Für knapp die Hälfte ihrer Wege nutzen die Mannheimer schon jetzt öffentliche Verkehrsmittel – oder ihre eigenen Beine.
In Heidelberg wird bereits mehr Rad gefahren und zu Fuß gelaufen: 2013 wurden 33 Prozent der Wege erlaufen, 22 Prozent mit dem Fahrrad zurückgelegt und 16 Prozent nutzten öffentliche Verkehrsmittel. Nur noch 29 Prozent nutzen ein Auto oder ein Kraftrad. (Verkehrserhebungen 2014 in Heidelberg, Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschuss Amt für Verkehrsmanagement Heidelberg)
Obschon mit Autos in diesen Städten also nur noch für ein Drittel der Wege zurückgelegt werden, sind sie an rund 80 Prozent der Unfälle beteiligt (vergl. Verkehrsunfallbericht 2017 Polizeipräsidium Mannheim).
Hauptunfallursachen
Hauptunfallursachen der von Autofahrern verursachten Unfällen sind (hier exemplarisch anhand der polizeilich erhobenen Daten zu Radunfällen im Pendlerverkehr in Heidelberg 2016 im Zuge der Untersuchung zur Aktion +5):
- Fehler beim Abbiegen (mangelnder Schulterblick): 40,5 Prozent
- Vorfahrtsverletzung / Lichtzeichenanlage: 39,5 Prozent
- Fehler beim Ein- und Aussteigen: 10 Prozent
- Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr: 10 Prozent
Als Hauptursachen der von Radfahrern verursachten Unfälle gelten:
- Nicht angepasste Geschwindigkeit: 29 Prozent
- Vorfahrtsverletzungen/Lichtzeichenanlagen: 25,5 Prozent
- Verbotswidrige Fahrbahnbenutzung: 24,5 Prozent
- Ungenügender Sicherheitsabstand: 21 Prozent
Die hohe Prozentzahl an Unfällen aufgrund „nicht angepasster Geschwindigkeit“ bei laut Polizeistatistik von Radfahrern verursachten Unfällen ist interessant. Schließlich dürften die meisten Radfahrer innerorts nicht die vorgeschriebene Maximalgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometer bzw. 30 Stundenkilometern erreichen – sie können also anders als ein motorisiertes Fahrzeug nur „situationsabhängig“ zu schnell sein.
Fußgänger sind die einzigen Verkehrsteilnehmer mit einem Inselnetz
Von den 81 Unfällen in Mannheim 2017 mit Fußgängerbeteiligung wurden laut Statistik 78 von den Fußgängern selbst verursacht, etwa durch „plötzliches Hervortreten auf die Fahrbahn“. (Verkehrsbericht 2017, Polizeipräsidium Mannheim). Ursachen der anderen drei Unfälle waren Tiere auf der Fahrbahn oder das Wetter (Regen, Hagel, Schnee).
Innerorts sind Fußgänger die gefährdetsten Verkehrsteilnehmer. In Mannheim zum Beispiel starben 2017 vier Menschen im Straßenverkehr – ein Pkw-Fahrer, ein motorisierter Zweiradfahrer und zwei Fußgänger; in Heidelberg waren es zwei Pkw-Fahrer, ein motorisierter Zweiradfahrer, ein Radfahrer und ebenfalls zwei Fußgänger (Verkehrsbericht 2017, Polizeipräsidium Mannheim): Fußgänger sind zum einen ungeschützt, zum anderen sind ihre Verkehrsflächen von Fahrbahnen unterbrochen – um von einem Gehweg zum nächsten zu kommen, müssen sie das Gebiet der anderen Verkehrsteilnehmer queren und so von Bürgersteiginsel zu Bürgersteiginsel gelangen. Insgesamt starben in Deutschland 2015 bei Unfällen innerhalb von Ortschaften 1.048 Menschen – darunter 377 Fußgänger, 236 Radfahrer, 217 Pkw-Insassen und 169 Kraftradnutzer.
(Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2015, Statistisches Bundesamt)
Gefahrenquelle Ablenkung
Neben dieser und den oben aufgeführten, statistisch festgehaltenen Ursachen, gibt es noch eine zunehmend wichtiger werdende Variable – die Ablenkung. Zum Beispiel ist das Telefon immer griffbereit – und wird selbst während der Fahrt von vielen Menschen regelmäßig bedient. Egal ob als Navigationssystem, dem immer mal wieder ein Blick geschenkt wird, zum Telefonieren – oder um mal eben Textnachrichten zu lesen oder gar zu schreiben.
Allein: Selbst beim erlaubten Telefonieren mit einer Freisprechanlage, fährt für die Dauer des Gesprächs eine Parallelwelt mit, die vom Verkehrsgeschehen ablenkt und die Unfallgefahr vervielfacht. Auf den Effekt durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik weist eine Studie des Allianz Zentrums für Technik hin:
Er liegt im Wesentlichen auf der Einschränkung des nutzbaren Sehfelds, der Vernachlässigung im Sichern (Spiegel-, Schulter-, Anzeigeblicke), in verlängerter Reaktionszeit, Nichtbeachten kritischer Ereignisse sowie Übervorsichtigkeit, wie sie aus der Alkoholwirkung beschrieben wird (zu langsam, zu große Abstände).
Noch gravierender als Telefonieren wirkt sich das Lesen und Schreiben von Kurznachrichten während der Fahrt aus. Schaut ein Autofahrer bei 50 Stundenkilometer nur zwei Sekunden auf sein Smartphone, legt er in dieser Zeit rund 28 Meter zurück. Im Blindflug.
Welche Auswirkungen selbst vergleichsweise harmloser Nebentätigkeiten haben, wie eine Brille aus dem Etui zu nehmen oder aus der Wasserflasche zu trinken, untersuchte der ADAC: Selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten zwischen 30 und 50 Stundenkilometer wirkten sich diese Nebentätigkeiten verheerend auf das Fahrverhalten aus: 76 Prozent der Fahrer konnten nicht mehr vor einem plötzlich auftretenden Hindernis bremsen.
Bisherige Folgen unserer Serie: