Berlin/Rhein-Neckar, 11. Juni 2016. (red/ms) Extremistische Strömungen in Deutschland haben aktuell hohen Zulauf und generell steigt die Gewaltbereitschaft – und zwar unabhängig davon, ob rechts, links oder religiös motiviert. Diese Tendenzen sind mehr als besorgniserregend. Nach Angaben des Verfassungsschutz’ und Innenminister Dr. Thomas de Maizière werde zunehmend auch der Tod von Menschen billigend in Kauf genommen. Es ist höchste Zeit, Position zu beziehen. Wir berichten umfangreich zum Thema. Dies ist der erste Überblicksartikel. Wir bitten um freundliche Beachtung der folgenden Texte in den kommenden Tagen.
Von Minh Schredle
Keine zwei Wochen ist es her, da haben Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und Dr. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Verfassungsschutzbericht 2015 vorgestellt. Zeitgleich wurde eine Pressemitteilung herausgegeben, die – oft verkürzt – in zahlreichen Medien wiedergegeben worden ist.
Seitdem ist es ruhig geworden. Ausführliche Analysen der umfangreichen Zahlen und Befunde, die der Bericht auf gut 300 Seiten vorlegt, sind absolute Mangelware. In etlichen Artikeln wurde der Fokus sehr einseitig auf eine Teilbetrachtung gelegt: “Der Rechtsextremismus nimmt zu!” Oder: “Der Linksextremismus nimmt zu!” Oder: “Die terroristische Bedrohung ist so groß wie nie!”.
“Tod von Menschen wird billigend in Kauf genommen”
Das alles ist zwar nach den Zahlen des Verfassungsschutz’ zutreffend. Doch indem Schwerpunkte auf einzelne Strömungen gelegt werden, gerät die eigentliche Kernbotschaft in den Hintergrund: Generell nimmt der Extremismus in Deutschland zu. Und das ist hochgradig alarmierend. Zumal Dr. de Maizière in diesem Kontext betont:
Die Intensität der Gewalt hat zugenommen. Bei Angriffen auf die Polizei oder politische Gegner werden schwere Körperverletzungen, bis hin zum Tod von Menschen, billigend in Kauf genommen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat im vergangenen Jahr insgesamt 38.981 politisch motivierte Straftaten verzeichnet – gut 6.000 mehr als 2014. Rund 4.400 der erfassten Delikte fallen in den Bereich der Gewaltkriminalität – im Vorjahr waren es knapp 3.400. Innerhalb eines Jahres liegt also eine Zunahme von fast 30 Prozent vor.
In die Statistik finden nur diejenigen Delikte Einfluss die seitens der Sicherheitsbehörden erfasst und als politisch motiviert eingestuft worden sind. Wie groß das Dunkelfeld der extremistischen Straftaten ist, die nie bekannt oder aufgeklärt worden sind, lässt sich nicht abzuschätzen.
“Im Fadenkreuz”
Was die Statistik allerdings zeigt, ist eine bedenkliche Dynamik: Nicht nur die Straftaten insgesamt, sondern auch der Anteil an Gewaltkriminalität nimmt zu. Und zwar sowohl bei Rechts-, als auch bei Linksextremisten. Der Bericht deutet außerdem an, dass Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und extremistische Tendenzen auch unter Ausländern in Deutschland zunehmen.
Die unverändert größte Bedrohung für unsere freien Gesellschaften stellt aktuell der international agierende islamistische Terrorismus dar,
sagt Innenminister de Maizière. Auch Deutschland sei und bleibe “im Fadenkreuz”. Diesem “breiten Spektrum an Gefahren” könne “nur mit einem gut aufgestellten Verfassungsschutz begegnet werden”. Seine Dienste seien “unentbehrlich” für die “Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger und für die Sicherheit unseres Landes”.
Gewaltbereitschaft nimmt zu
In diesem Zusammenhang fordert Dr. de Maizière einen “spürbaren, personellen Aufwuchs” im Bundesamt für Verfassungsschutz. Derzeit sind dort 2.813 Bedienstete beschäftigt, der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt beläuft sich laut Bericht auf 222.480.785 Euro – 2014 waren es 205.956.162 Euro.
Insgesamt sind die beobachteten Tendenzen mehr als bedenklich. In verschiedenen extremistischen Strömungen und Organisationen sind die Motive teils enorm unterschiedlich und die “politischen Aktionen” in vielen Fällen kaum vergleichbar. Dennoch lässt sich als Trend feststellen: Innerhalb radikaler Gruppierungen steigt die Gewaltbereitschaft, um ideologische Ziele durchzusetzen.
Themenschwerpunkt Extremismus
Diese Entwicklung sehen wir innerhalb der Redaktion seit langer Zeit mit großer Sorge – denn es darf nicht sein, dass Gewalt als legitimes politisches Mittel geduldet wird. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, das unmissverständlich klar zu machen.
In den kommenden Tagen werden wir einen Themenschwerpunkt auf Extremismus in Deutschland setzen und in verschiedenen Artikeln die unterschiedlichen Teilbereiche des Phänomens beleuchten.