Heidelberg/Rhein-Neckar, 11. September 2014. (red/ld) Wenn die Motoren der Zweiräder brummen, leuchten die Augen der Kinder, die gerade im Waldpiraten-Camp Ferien machen. Sie sind schwerkrank oder gerade genesen und sollen durch die Erlebnispädagogik hier neuen Lebensmut finden.
Am Dienstag halfen ihnen dabei gut 70 baden-württembergische Polizisten und deren Freunde.
Von Lydia Dartsch
Die 48 Waldpiraten können kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Gut 70 Motorradfans – meist Polizeibeamte aus ganz Baden-Württemberg – sind zu einer Ausfahrt durch den Odenwald gekommen. Die Kinder sollen gleich als Beifahrer mitkommen. Nach Dreieichen, Gauangelloch, Schatthausen-Baiertal, Oberhof, Meckesheim und zum Kloster Lobenfeld soll die Tour gehen, sagt Matthias Keck, der die Ausfahrt jedes Jahr organisiert.
Seit vier Jahren sind die Polizisten mit ihren Freunden die zweite Motorradgruppe, die die Kinder der Waldpiraten bei einer der acht Ferienlager zu einer Motorradtour mitnimmt. „Angefangen haben wir mit 12 Motorrädern. Jetzt sind es 70“, sagt Herr Keck, den die Geschichten der Kinder, die hier ihre Ferien verbringen, sichtlich bewegt.
Den Kindern soll es guttun
„Ich habe von einem Kind gehört, dass ein ganzes Jahr im Krankenhaus war. Ein ganzes Jahr!“, sagt er. Im Waldpiraten-Camp könnten die Kinder wieder mehr Normalität erleben, denn wer als Kind lange und schwer krank sei, werde von seiner Familie schon stärker behütet als andere Kinder: „Hier bekommen sie auch mal einen Anschiss, wenn sie etwas falsch gemacht haben.“
Aber heute gehe es darum, dass es den Kindern gut tut, sagt Herr Keck. Vor gut vier Jahren habe er davon erfahren, dass eine andere Motorradgruppe schon seit längerem Ausfahrten mit den Kindern mache und habe vorgeschlagen, das mit Kollegen zu machen. Auch Polizeipräsident Thomas Köber ist mit seinem Motorrad dabei: „Heute Vormittag war ich noch im Innenministerium in Stuttgart“, sagt er. Jetzt steht er in schwarzen Lederhosen und T-Shirt im Hof der Waldpiraten.
Kinder wie jedes andere auch
Auch die anderen Polizisten sind in zivil und in ihrer Freizeit gekommen. Die Gruppe SG-Stern aus Sindelfingen hat die Ausfahrt sogar in ihren jährlichen Tourenplan aufgenommen. Die Fahrer haben Helme und Motorradkleidung für die Kinder dabei, damit jeder mitfahren kann. Lediglich zwei Polizisten sind in Dienstkleidung auf ihren Diensträdern da. „Die fahren im Rahmen ihrer Streife mit“, sagt Herr Keck. Im Falle eines Einsatzes würden sie den Motorradtross verlassen.
Und die Kinder bekommen leuchtende Augen. „Eigentlich sind sie schwer krank. Aber, wenn die Motoren donnern, sind sie wie jedes andere Kind“, sagt Chris Maier, eine der Betreuerinnen bei den Waldpiraten. 52 Kinder verbringen in dem Camp der Deutschen Kinderkrebsstiftung gerade ein paar Tage ihrer Ferien – von einer schweren Krankheit. Es ist eines von acht Camps in diesem Jahr.
Im Seilgarten oder Kanu neuen Mut fassen
Die meisten von ihnen hätten Leukämie, sagt Chris Maier. Immer noch ein tragisches Schicksal, trotz einer Heilquote von rund 80 Prozent. Denn solche Krankheiten veränderten sie. Mit dem erlebnispädagogischen Konzept der Waldpiraten sollen die Kinder wieder Mut finden und sich wieder mehr trauen. Neben handwerklichen Arbeiten, dem Toben im Freien rund um das Piratenschiff auf der Wiese, werden auch Ausflüge an Seen oder Kanutouren angeboten.
Auch einen eigenen Seilgarten und eine Theaterbühne gibt es im Camp. „Für die einen braucht es Mut, sich im Klettergarten zu bewegen. Die anderen haben Angst, vor einem Publikum zu sprechen“, sagt sie, als sie die Motorradfahrer durch das Camp führt.
Fahrer rüsten die Kinder aus
Kurz danach geht es los zur ersten Runde. Eine Gruppe spielt noch Fußball und will bei der zweiten mitfahren. Die anderen Kinder werden ausgerüstet mit Protektoren, Jacken und Helmen, die die Motorradfahrer mitgebracht haben, damit auch jedes Kind mitfahren kann. „Hauptsache, es tut ihnen gut“, sagt Matthias Keck.
Bedenken, dass den Kindern etwas passieren könnte, hat Frau Maier nicht. Zum Einen hätten die Eltern zustimmen müssen, sagt sie. Und zum Anderen: „Das sind immerhin Polizisten. Die sollten für die Sicherheit der Kinder garantieren können.“