Mannheim, 10. November 2014. (red/ld) Schuhröntgengeräte und Lichtbäder gehören zu den skurrilen Errungenschaften der „modernen Medizin“. Wie weit die Entwicklung heute ist und was Roboter in Zukunft dazu beitragen können, ist jetzt im Technoseum zu besichtigen und vor allem auszuprobieren.
Von Lydia Dartsch
Vor 400 Jahren glaubte man, Krankheiten entstünden, wenn die verschiedenen Körpersäfte aus dem Gleichgewicht kommen. Entsprechend der Säfteleere galt Aderlass damals als beste Medizin, brachte jedoch nur wenig – außer Blutarmut. Wie es im Körper wirklich zugeht: Darüber wusste man recht wenig. Wie ein Gruselkabinett muten dementsprechend die Vitrinen an, in der das Werkzeug für Aderlass zu sehen ist: Nadeln und verzierte Schalen, in der das Blut aufgefangen wurde.
Erst danach begannen Mediziner, sich mit der menschlichen Anatomie zu beschäftigen und schauten so immer genauer in den Körper hinein. Weniger brutal wurden die Methoden dadurch nicht immer: „Der schnellste Chirurg schaffte eine Amputation in unter zwei Minuten“, sagt Alexander Sigelen, der Projektleiter der Ausstellung. Schnelligkeit war wichtig, damit der Patient nicht verblutet. Eine Narkose war bei diesen frühen Operationen nicht vorgesehen – die Mortalität hoch.
Medizinischer Fortschritt mit Sackgasse
Dem medizinischen Fortschritt sei dank gibt es heute andere Methoden, die sich stets weiterentwickeln. Das schlagende Herz könnte als Symbol dafür stehen. Gleich zu Beginn werden die Besucher von ihm empfangen: Es pocht gleichmäßig mit einem tiefen Ton. „Das holt einen sofort runter“, sagt eine Besucherin. In der gesamten Ausstellung ist es zu hören. Es gilt als das erste Geräusch, das ein Mensch in seinem Leben hört.
Von den Anfängen der Anatomie über die berühmte gläserne Frau aus Dresden, die in den Dreißiger Jahren gebaut wurde, spaltet sich die Ausstellung genau in diesem Jahrzehnt in zwei Richtungen: Die Zeit des Nationalsozialismus, in der Euthanasie, Zwangssterilisationen und Menschenversuche durchgeführt wurden, ist als Sackgasse inszeniert. Diese Zeit stellt ein düsteres Kapitel der Medizingeschichte dar.
Große Erfindungen und skurrile Irrungen
In der anderen Richtung gibt es den Weg zur modernen Medizin zu verfolgen. Allen voran die Entdeckung von Bakterien, Antibiotika und Hygiene: „Sie glauben gar nicht welchen Fortschritt eine Abwasserentsorgung ist, die von der Trinkwasserversorgung getrennt ist“, sagt Herr Sigelen. Der dazugehörige Toilettenspülgriff baumelt dafür eher unscheinbar von der Vitrinendecke.
Wie euphorisch man mit dem technischen Fortschritt umging, zeigt sich an Erfindungen wie dem Lichtbad, das durch die vielen Glühbirnen eher ein Warmbad war oder dem Schucoscop, das in den Sechziger Jahren in vielen Schuhläden stand. Damit hatte man damals beschuhte Füße geröntgt, um zu sehen, ob der Schuh passt. Neben solchen Kuriositäten kann man sehr viel ausprobieren.
Selbst ausprobieren ist gewünscht
Mit einem Ultraschallgerät kann man versuchen zu sehen, was sich in einem Kasten befindet. Man kann sich selbst als Augenarzt versuchen oder ausprobieren, einen Herzkatheter zu setzen oder mit einem Endoskop-Testgerät selbst seine Geschicklichkeit testen: „Die Herausforderung liegt darin, ein zweidimensionales Bild dreidimensional zu erfassen“, sagt Projektassistentin Birte Launert, die – wie auch die anderen Besucher – vergeblich versucht, per Endoskop Perlen auf eine Schnur zu fädeln.
Zum Ausprobieren gibt es noch viel mehr. Ein paar Stunden sollte man für den Rundgang schon einplanen: „Bei einem Test im Vorfeld hatten wir nach drei Stunden noch nicht alles gesehen“, sagt Herr Sigelen. Noch bis zum 07. Juni 2015 ist die Ausstellung im Technoseum zu sehen. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Vorträgen sowie ein Museumspädagogisches Angebot für Schulklassen wie beispielsweise einen Erste-Hilfe-Kurs. Auch für Kinder und Familien bietet das Technoseum ein spezielles Programm.