Rhein-Neckar, 10. April 2018. (red/pro) Aktuell streiken bundesweit Redakteure von Tageszeitungen für „angemessene Lohnsteigerungen“. Muss man Mitleid mit den armen Redakteuren haben – eher nicht, wenn diese schon lange im Redakteursverhältnis sind. Sorgen müssen sich andere machen, doch darüber lesen Sie so gut wie nie in der Zeitung.
Kommentar: Hardy Prothmann
Man könnte meinen, die ärmsten in der Lohndumpingkette seien die Zeitungsausträger, die bei Wind und Wetter draußen sind und durch eine Ausnahmeregelung immer noch häufig unter Mindestlohn bezahlt werden. Noch ärmer dran sind aber die meisten freien Journalisten, die mit Minihonoraren abgespeist werden.
Für diese Geringstverdiener setzen sich Zeitungsredakteure so gut wie nie ein, obwohl das mal ein großes Thema wäre, aber keins sein darf, sonst würde man ja diesen tiefschwarzen Schatten der eigenen Branche beleuchten müssen.
Wir können Ihnen das mal vorrechnen. Insbesondere im Lokalen sind die Zeilenhonorare mies. 25 Cent sind da schon ganz ordentlich, es geht aber häufig sehr viel schlechter. Wenn man für 25 Cent pro Zeile einen 80-Zeiler (mittlerer Bericht) schreibt, erhält man also 20 Euro. Rechnet man nur je 15 Minuten Hin- und Rückweg sowie eine Stunde vor Ort und eine Stunde schreiben, kommt man auf einen Stundensatz von 8 Euro. Sind die Wege und die Terminzeit länger, sinkt das „Honorar“ entsprechend. Vielleicht bekommt man noch 20 Euro für ein Foto – das natürlich mit einer ordentlichen Kamera aufgenommen werden soll, die man selbst bezahlt hat. Der Verlag spart sich den teureren „Fotojournalisten“, der womöglich 40 Euro bekommt.
Lassen Sie uns neu rechen, 40 Euro für Text und Foto. Je 30 Minuten hin und zurück, eineinhalb Stunden vor Ort, eine Stunde schreiben, also 40 Euro durch 3,5 Stunden ergibt sensationelle 11,42 Euro. Die Fahrkosten tragen Freie in aller Regel selbst. Davon soll man also ein Büro zahlen, immer auf einem adäquaten Stand der Technik sein, Urlaub machen, mal krank sein, sich fortbilden? Und vielleicht auch noch sowas wie Recherche leisten?
Wer bei diesen Honoraren noch recherchiert, ist selbst schuld, wenn er umgerechnet bei 2,50 Euro umgerechnet auf die Stunde landet. Ach, Steuer- und Sozialabgaben gibt es ja auch noch.
Junge Redakteure werden häufig in ausgelagerten Gesellschaften außertariflich beschäftigt – auch die haben nichts, genau nichts vom Streik der Redakteure für „gerechte Löhne“. Wer irgendwas von „Zukunft für den Nachwuchs“ daherredet, ist kurpfälzisch ein Dummbabbler.
Hinzu kommt: Immer häufiger erscheinen auf Terminen neben freien Mitarbeitern, die keinen blassen Schimmer von der Materie haben, gerne auch Praktikanten, die noch weniger Schimmer haben. Die nerven dann Experten mit kenntnisfreien Fragen, was wiederum zu Lasten der professionellen Journalisten geht, weil Experten zunehmend genervt sind von Menschen, die genau nichts wissen.
Nein, von unserer Seite aus gibt es keine „Solidarität“ mit Leuten, die ganz genau wissen, dass andere mal so richtig ausgenutzt werden und daran jeden Tag aktiv teilnehmen. Dafür gibt es nur ein sehr lautes: „Buh!“