Rhein-Neckar, 30. Juli 2020. (red/pro) Das Rheinneckarblog hat in den vergangenen Wochen nicht die bisher gewohnte Schlagzahl gehalten. Dafür gibt es zahlreiche Gründe – zum einen sind die Arbeitsbedingungen in Corona-Zeiten eher suboptimal, zum sind die Umsatzeinbrüche brutal. Für die Zukunft heißt das ganz einfach – mehr zahlende Leserinnen und Leser führt zu mehr Inhalten und vice versa. Unser Ausblick ist – die Krise wird sich verdichten und mindestens bis Mitte kommenden Jahres andauern. Es braucht mehr positive Anreize, mehr Ehrlichkeit, weniger Panik und schon gar keine Drohungen.
Von Hardy Prothmann
Im kommenden Januar 2021 wird das RNB zehn Jahre alt. Dafür, dass bereits 2011 der Medienmarkt nicht rosig aussah, sind wir alles sehr stolz, nicht nur so lange “durchgehalten” zu haben, sondern mit unserem Angebot in Konkurrenz zu großen Medien Fuß fassen konnten.
Seit 2016 ging es wirtschaftlich sogar ganz gut – 2020 ist eine Katastrophe. Nicht nur für das RNB, so gut wie alle privaten Medien sind teils erheblich betroffen, Kurzarbeit, Stellenabbau und Reduzierung des inhaltlichen Angebots sind die Folge.
Corona, das hatte RNB bereits im März eingeordnet (Es wird keine Zeit nach Corona geben), geht nicht mehr weg, sondern wird bleiben. Die Frage ist, wie man weltweit, in Deutschland und im Südwesten damit wird leben können – und zwar ohne ständigen Krisen- und Alarmmodus.
Ich gehöre nicht zu den Gegnern der Corona-Maßnahmen – ganz im Gegenteil. Ich fordere noch viel mehr Maßnahmen: Dazu gehören mehr Tests, es kann nicht sein, dass jetzt auffällt, dass es nicht genug Tests gibt. Mehr medizinische Kapazitäten – warum wurde hier nicht weiter ausgebaut? Wie kann es sein, dass Gesundheitsämter nicht mehr hinterher kommen – warum wurde hier nicht die Zeit genutzt, Strukturen zu verbessern? Heftigste Anstrengungen sind nötig, um die jahrelangen Versäumnisse bei der Digitalisierung und im Mobilfunk wenigstens auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Und warum fasst man die Grundrechte an, wenn es auch mit zeitweisen Änderungen beim Datenschutz bessere Kontrollmöglichkeiten geben würde? Das sind nur ein paar Beispiele.
Vor allem wünsche ich mir mehr Ehrlichkeit. Die Bundes- und Landesregierungen retten gar nichts – alle Hilfsgelder müssen später bezahlt werden, von uns allen.
Die Seuche war absehbar
Ich kritisiere damit eine aus meiner Sicht viel zu zaghafte Politik, die leider reichlich planlos agiert. Denn erinnern wir uns zurück, an die Bundesdrucksache 17/12051 vom 03. Januar 2013. Das Robert-Koch-Institut hatte damals im Bericht der Bundesregierung zur “Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz 2012) ein hypothetisches Infektionsszenario eines “Modi-SARS”-Erregers gezeichnet. Zwar läuft die aktuelle Corona-Krise nicht 1:1 wie das Szenario ab, ist ihm aber reichlich ähnlich. Interessant ist das Vorwort:
“Das Szenario beschreibt ein außergewöhnliches Seuchengeschehen, das auf der Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert. Hierfür wurde der zwar hypothetische, jedoch mit realistischen Eigenschaften versehene Erreger „Modi-SARS“ zugrunde gelegt. Die Wahl eines SARSähnlichen Virus erfolgte u. a. vor dem Hintergrund, dass die natürliche Variante 2003 sehr unterschiedliche Gesundheitssysteme schnell an ihre Grenzen gebracht hat. Die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass Erreger mit neuartigen Eigenschaften, die ein schwerwiegendes Seuchenereignis auslösen, plötzlich auftreten können (z. B. SARS-Coronavirus (CoV), H5N1-Influenzavirus, Chikungunya-Virus, HIV). Unter Verwendung vereinfachter Annahmen wurde für dieses Modi-SARS-Virus
der hypothetische Verlauf einer Pandemie in Deutschland modelliert, welcher sowohl bundesrelevant als auch plausibel ist.”
Lesen Sie den Absatz genau: “dass die natürliche Variante 2003 sehr unterschiedliche Gesundheitssysteme schnell an ihre Grenzen gebracht hat”. Das bedeutet, dass spätestens mit den Erfahrungen aus dem Jahr 2003 bekannt sein musste und bekannt war, dass solche Pandemien sich sehr schnell in einer globalisierten Welt ausbreiten können – jederzeit.
Es dauerte bis 2012, um zumindest mal ein Krisenszenario zu entwerfen und es dauerte dann bis 2020, als die Pandemie so überraschend und plötzlich wie Millionen von Flüchtlingen 2015 aufgetaucht ist.
Sehen Sie mir die Ironie nach. Die entscheidende Frage ist: Warum ist Deutschland so schlecht vorbereitet gewesen? Das ist kein Schnee von gestern und es hilft nicht, “besser” dazustehen als andere Länder dieser Welt. Orientiert sich Deutschland neuerdings an schlechteren Vorbildern? Oder müssten es nicht die besseren Vorbilder das zu erreichende Ziel vorgeben? Beispielsweise Taiwan – was keine Diktatur ist, auch kein Volk folgsamer Abnicker, sondern ein Land, dass seit 2003 gelernt hatte und vorbereitet war.
Das RNB hatte als eines der ersten Medien in Deutschland diese Tatsache dokumentiert: “… was Deutschland von Taiwan lernen könnte“, wir haben den Text auch auf Englisch übersetzen lassen “… what Germany could learn from Taiwan“.
Hier gibt es keinen Lockdown – auch bei uns wäre dieser nicht nötig, würde mehr getestet und die Quarantänen konsequenter verordnet. Wie man aktuell sehen kann, zeigen steigende Zahlen von festgestellten Infektionen zwar eine höhere Anzahl von Erkrankungen, aber das Gesundheitssystem ist noch stabil. Der Schutz von vulnerablen Gruppen wurde ebenfalls bis heute nicht konsequent genug durchgesetzt – erst das könnte das Gesundheitssystem an die Grenzen bringen.
Die Verantwortung tragen nicht die Verantwortlichen, sondern die Bürger
Die Verantwortung für diese miserable Vorbereitung verschiebt die Politik auf die Bürger und diese mangelhafte Vorbereitung erzeugt enorme Kollateralschäden – gesellschaftlich wie wirtschaftlich, wobei sich beide Schadenslagen wechselseitig verstärken.
Gleichzeitig werden Grundrechte massiv eingeschränkt und was mal weg ist, bekommt man erfahrungsgemäß nur mit viel Mühe oder gar nicht wieder.
Gestern ging die Meldung um die Welt, dass Biontech und Pfizer einen Impfstoff entwickelt haben, der angeblich zu 90 Prozent wirkt. Der Aktienkurs von Biontech schoss zeitweise um 30 Prozent nach oben, in den vergangenen sechs Monaten hat er sich mehr als verdoppelt.
Aktuell wird berichtet (wobei die allermeisten Medien einzelne Agenturen abschreiben, womit fast überall dasselbe steht), dass Europa sich 200 Millionen Impfdosen sichern wolle, Deutschland solle 100 Millionen davon bekommen. Was das bedeutet, wird kaum eingeordnet.
Mythos “der Impfstoff wird die Krise beenden”
Erstens ist der Impfstoff, modern Vakzin (lat. vaccinus, “von Kühen stammend”), noch längst nicht am Markt und muss erst noch zugelassen werden. Dann braucht es Produktionskapazitäten, Logistik und Ärzte müssen lernen, was sie beim Impfen alles beachten müssen und dann steht die Frage von Kapazitäten im Raum und wie lange eine “Durchimpfung” dauert, bis sie wirklich greift.
Laut der Pressemitteilung der Unternehmen muss es zwei Impfungen geben, sodass eine Immunität erst nach mehreren Wochen erreicht wird. Wie lange diese anhält, weiß niemand.
Weiter muss entschieden werden, wer zuerst geimpft wird – Sie haben natürlich gerechnet. 100 Millionen Impfdosen durch zwei ergibt 50 Millionen Impfungen – das heißt, dass 32 Millionen Bürger nicht geimpft werden können. Andererseits entspricht das der Nenngröße, dass eine Pandemie dann “besiegt” ist, wenn etwa zwei Drittel der Bevölkerung immun sind.
Nicht bekannt ist, welche möglichen Folgeschäden eine Impfung auslösen kann und welche Folgen dies haben wird. Und was, wenn die Zahl derer, die sich nicht impfen lassen wollen, kleiner als 50 Millionen Menschen ist? Aktuell wird eine Impflicht noch ausgeschlossen – bislang waren massive Grundrechtseinschränkungen auch “unvorstellbar”.
Nimmt man das Szenario von 2012 zur Hand dauert es rund 400 Tage, bis “das Gröbste” überstanden ist. Also April/Mai 2021. Schaut man sich die aktuellen Zahlen an, kommt der Impfstoff zu spät, um wirklich die Pandemie unter Kontrolle zu bringen – das hat sich dann möglicherweise schon selbst erledigt.
Immerhin, da Corona in der Welt ist und bleibt, könnte man dann vorsorglich vor der Grippesaison impfen. Gegen die bereits entstandenen und noch zu erwartenden enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schäden hingegen wird es niemals einen Impfstoff geben.
Bislang keine Übersterblichkeit
Laut Statistischem Bundesamt ist in diesem Jahr (bis Anfang Oktober) noch keine Übersterblichkeit zu erkennen. Insbesondere die Grippewellen 2017/2018 waren weitaus heftiger, was eine erhöhte Zahl von Toten angeht. Diese Analyse ist aber aktuell noch mit Vorsicht zu betrachten, denn die Grippesaison steht noch bevor und erst Mitte nächsten Jahres wird man vernünftig abschätzen können, ob es eine erhöhte Übersterblichkeit gab oder nicht.
Währenddessen werden die Menschen weiter in Angst und Schrecken versetzt, indem man einzelne Fälle medial ausbreitet, bei denen es zu gravierenden und andauernden Folgen durch eine Covid-19-Erkrankung gekommen ist. Dass es viele andere Erkrankungen oder Verletzungen gibt, die ebenfalls langwierige oder irreparable Schäden erzeugen, wird dabei geflissentlich nicht erwähnt. Ganz zu schweigen von den chronischen Erkrankungen, mit denen Menschen seit jeher leben müssen.
Hübsch sind auch die versprochenen aktuellen Hilfen – Unternehmer berichten uns, dass sie erstens nicht wissen, wo sie überhaupt einen Antrag stellen könnten und zweitens, ob sie tatsächlich auch Hilfsgelder erhalten. (Das gilt auch für uns: Niemand hat das RNB in den Lockdown geschickt, aber unsere Werbepartner, damit sind wir erstmal nicht direkt betroffen, es trifft uns aber voll.)
Und die Kommunen werden Gebühren und Steuern anheben müssen – denn die Haushalte wackeln jetzt schon.
Panikmache statt kritischem Journalismus
Ganz erstaunlich ist dabei, wie viele Medien völlig unkritisch berichten, sondern die Panikmache weiter schüren und ihre eigentliche Funktion, Fakten zu prüfen und damit politisches Handeln zu kontrollieren, völlig vernachlässigen. Zum einen ist das ein Herdentrieb, weil man nicht negativ auffallen möchte, zum anderen liegt es schlicht an der Ökonomie – wenn Geld fehlt, um Recherche und gute Reporter bezahlen zu können, dann gibt es diese Dienstleistung halt immer weniger, bis sie ganz weg ist.
Äußerst bedenklich ist dabei das grassierende Framing, das um sich greift und dabei häufig Fakenews erzeugt – ob die angeblich versuchte Stürmung des Reichstags in Berlin oder einen angeblichen Hitlergruß in Mannheim auf einer Demo von Gegnern der Corona-Maßnahmen. Differenzierung stört nur, wenn man nur noch in Schwarz-Weiß-Bildern denkt.
Und die meisten Medien informieren nicht gerne über die eigene angespannte Lage – aus Sorge “schwach” zu wirken. Wie unehrlich.
Ich muss als verantwortlicher Redakteur das Rheinneckarblog neu denken und umbauen, da die Arbeitsbedingungen sich stark verändert haben, denn ich bin bereits im März in eine weitgehende Selbstisolation gegangen und vermeide unnötige Kontakte. Dafür werbe ich auch, weil man das meiner Meinung nach nur schwer verbieten kann – irgendwann werden die Menschen dagegen revoltieren, teils tun sie das schon.
Es braucht positive Signale und keine Drohungen
Daher braucht es positive Signale, statt ständige, immer härtere Drohungen und Maßnahmen durch die politisch Verantwortlichen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Gleichzeitig muss sehr viel besser informiert werden – was sich die Politik in den vergangenen Monaten geleistet hat, Verordnung über Verordnung kurzfristig am Wochenende zu veröffentlichen, ist verantwortungslos gegenüber allen, die mit viel Leistungsbereitschaft privat wie wirtschaftlich durchaus bereit sind, Maßnahmen mitzutragen, tatsächlich aber getrieben werden.
Für die private Medienwelt ist Corona ebenfalls existenzbedrohend, denn die Werbegelder wurden eh seit Jahren weniger, sind erheblich eingebrochen und werden sich wenn, dann erst antizyklisch wieder ein wenig erholen.
Die Konsequenz ist: Ohne zahlende Leserinnen und Leser werden viele Angebote eingestellt werden und dies würde gravierende Folgen für die Gesellschaft haben – in allen Bereichen. Es gibt weltweit keine funktionierende Demokratie ohne ein ausdifferenziertes Mediensystem. Überall, wo Medien staatlich finanziert werden oder über Monopolisten gesteuert werden, werden die Verhältnisse undemokratisch bis extrem oder diktatorisch. Versprochen.
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Deshalb: Wir brauchen Ihre Zahlungen, um unsere Arbeit zu finanzieren (ob als Privatperson, Firma oder Behörde). Hier vor Ort oder wenn ich einen Kollegen in Taiwan beauftrage und eine Deutsch-Amerikanerin den Text ins Englische übersetzt. Infrastruktur muss unterhalten werden und alle Mitarbeiter benötigen eine vernünftige Bezahlung für ihre Arbeit.
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Sie können auch jederzeit Geld spenden.
Das RNB wird auf jeden Fall zehn Jahre alt werden und ein wenig älter – wie lange wir unsere Leistung in der Zukunft anbieten können, haben Sie in der Hand.
Danke vorab!
Ihr
Hardy Prothmann
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