Mannheim/Rhein-Neckar, 10. März 2016. (red/ms) Das Fahrrad wird 200 Jahre alt und Mannheim feiert. Dazu plant die Stadtverwaltung ein breites Programm rund um das Jubiläum am 13. Juni 2017. In diesem Rahmen ist derzeit auch ein autofreies Wochenende angedacht – die Innenstadt soll komplett für den Autoverkehr gesperrt werden. Das stößt auf massive Kritik – denn der Einzelhandel befürchtet massive Einnahmeeinbußen. Lutz Pauels, erster Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mannheim City, sagt sogar: „Nicht nur Handel und Gastronomie wären betroffen: Die Konsequenzen wären noch viel drastischer – und zwar für die gesamte Stadt.“
Von Minh Schredle
Bis zum November 2017 ist eine ganze Reihe von Projekten geplant: Das Fahrradjubiläum soll auch über die Region hinaus Aufmerksamkeit nach Mannheim lenken und das Image der Stadt fördern. Das lässt sich die Stadt Einiges kosten: Für die Realisierung des Programms sind derzeit 1,5 Millionen Euro eingeplant. In einer Presseerklärung der Stadt heißt es:
Höhepunkt des Jubiläumsjahres wird ein zentrales Festwochenende rund um den eigentlichen „Geburtstag“ sein. Vom 10. bis 12. Juni 2017 sind mitten in der City vielfältige Fahrrad-Kunst und Kulturaktionen auf Plätzen und gesperrten Straßen geplant.
Nach gegenwärtigem Planungsstand ist für das Gebutstagswochenende eine sehr außergewöhnliche Aktion geplant: Ein autofreies Wochenende. Das heißt konkret: Die gesamte Innenstadt soll innerhalb von Friedrichs- und Luisenring dicht gemacht werden. Ergo würde zwei Tage lang kein Autoverkehr in der Innenstadt stattfinden können.
Die „Lebensader der Innenstadt“
Wenig verwunderlich dürfte sein, dass dieses Vorhaben nicht auf ungeteilte Gegenliebe stößt. Während SPD und Grüne die Maßnahme in den vergangenen Haushaltsberatungen beantragt haben, übt insbesondere die CDU massive Kritik an der Planung. Laut Nikolas Löbel, dem Kreisverbandsvorsitzenden, würde die „autofeindliche Politik“ von SPD und Grünen dem Einzelhandel einen „Bärendienst“ leisten:
Wer die Innenstadt vom Auto abhängen will, der kappt quasi die Lebensader der Innenstadt. Daher ist eine zeitweise Sperrung der Innenstadt oder ein autofreies Wochenende ein ‚No-Go‘.
Klar sei, dass man zum Jubiläum mit „einigen Attraktionen aufwarten können“ müsse – dafür dürfe man aber nicht quasi die gesamte Innenstadt lahmlegen.
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„Eine Katastrophe“
Auch Vertreter der Wirtschaft äußern massive Kritik gegenüber der Planung der Stadtverwaltung. Dr. Oliver Seifert, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordbaden, spricht gar von einer „Katastrophe für den Einzelhandel“:
Beim Stadtmarathon haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Einnahmen der Geschäfte um bis zu 60 Prozent einbrechen.
Über die vergangenen Jahrzehnte hätten sich die Umsätze zunehmend auf Samstage verlagert: Im Durchschnitt würden an keinem anderen Wochentag vergleichbar hohe Einnahmen erzielt. Für viele Betriebe würde hier das Hauptgeschäft für die laufende Woche abgewickelt werden.
„Riesige Belastung für Anwohner und Gäste“
Auch Lutz Pauels hat große Bedenken. Er ist der erste Vorsitzende der Werbegemeinschaft Mannheim City, deren Zweck laut Eigendarstellung die gemeinschaftliche Vermarktung der Innenstadt zum Wohle von ganz Mannheim ist. Laut Herrn Pauels sei die Planung für ein autofreies Wochenende „nicht gut genug durchdacht“ und „so nicht umsetzbar“.
Es müsse dringend Nachbesserungen geben, sagt Herr Pauels – denn nicht nur Einzelhandel und Gastronomien wären betroffen. Sondern die gesamte Stadt, sogar die Metropolregion:
Wie soll das denn funktionieren? Die gesamte Innenstadt abzuriegeln, ist nicht machbar. Das ist nicht nur für die Anwohner eine riesige Belastung, sondern auch für alle, die als Gäste zu uns kommen wollen.
In den Mannheimer Quadraten leben etwa 25.000 Menschen. Allein in den Parkhäusern der Innenstadt stünden etwa 10.000 Parkplätze bereit, sagt Herr Pauels: Allein für die Parkhäuser würde ein autofreies Wochenende wirtschaftliche Schäden von mehreren hunderttausend Euro bedeuten.
Herr Pauels wirft noch weitere Fragen auf, die bislang unbeantwortet sind: Was ist mit den Menschen, die auch am Wochenende in Mannheim arbeiten? Sollen die zum Pendeln gezwungen werden? Was ist mit Menschen, die womöglich verreisen wollen oder einen Ausflug geplant haben? Müssen die im Zweifel in der Innenstadt bleiben? Was ist mit Lieferanten, etwa für den Markt auf dem Marktplatz?
„Nicht verhältnismäßig“
Wenn man Ausnahmeregelungen treffen wollte, müsste man tausende Fälle bearbeiten, so Herr Pauels. Aus seiner Sicht stehen die Vorteile für das Image der Stadt, die ein autofreies Wochenende womöglich für Mannheim hätte, in keinem angemessenen Verhältnis zu den Konsequenzen einer solchen Entscheidung. Er kommentiert:
Es gibt in der Planung viele tolle Projekte – aber ein autofreies Wochenende lässt sich nicht sinnvoll verwirklichen.
Wie Dr. Seifert betont Herr Pauels, dass es schon beim Stadtmarathon drastische Einnahmeeinbußen gebe – bei einem ganzen Wochenende ohne Autoverkehr in der Innenstadt würde der Umsatzrückgang wohl noch dramatischer ausfallen.
Autofreier Sonntag wäre denkbar
Er sei dem Konzept der „Autofreiheit“ nicht grundsätzlich abgeneigt, betont Herr Pauels. Er kritisiert aber insbesondere, dass ein Samstag betroffen wäre: „Einen autofreien Sonntag könnte ich mir gut vorstellen,“ sagt er. Aber auch das wäre eine große Herausforderung, wenn man die gesamte Innenstadt sperren wollte:
So etwas hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Es gab schon autofreie Tage, etwa in München oder Hannover – da wurden aber nur einzelne Straßen gesperrt, nicht ganze Stadtteile.