Mannheim, 10. März 2017. (red/momo) In der Nacht auf den 06. September 2016 kam es in der Mannheimer Neckarstadt West zu einem Streit eines Paares, infolgedessen Marina G. ihren 63 Jahre alten Freund, Herrn L., mit einem Messer attackiert haben soll. An den erlittenen Verletzungen verblutete er innerhalb weniger Minuten. Im Prozess wegen des Verdachts auf Totschlags wurden heute einige Zeugen angehört. Einige beschrieben Marina G. als hilfsbereit und freundlich, anderen wollen von ihr mehrfach bedroht worden sein.
Von Moritz Bayer
Am dritten Tag der Hauptverhandlung ließ die Vorsitzende Richterin Spannagel-Schärr viele Zeugen zu Wort kommen. Es wurden Hinweise gesucht, wie es zu dem Streit kommen konnte und ob Marina G. oder ihr Freund L. eine gewalttätige oder zumindest gewaltbereite Vorgeschichte hatten. 20 Zuschauer verfolgten die Zeugenaussagen im Landgericht Mannheim gebannt, im Verlaufe des Vormittags kamen noch sechs weitere hinzu.
Den Anfang machte die sichtlich nervöse Nachbarin Jennifer S. Diese habe mit ihrem Sohn einen Film geschaut und sei danach auf den Balkon zum Rauchen gegangen. Auf einmal habe sie die lauten Rufe einer Frau aus der Wohnung nebenan gehört:
Geh, geh, geh!
Eine Männerstimme habe zurückgeschrien, verstanden habe sie davon jedoch nichts. Es sei ein Schlag gefolgt, möglicherweise der zu Boden fallende Körper. Solche Geräusche könne sie ganz gut zuordnen, schließlich sei ihr Onkel von Anfällen geplagt und kippe des öfteren mal um. Danach habe Jennifer S. Marina G schluchzen gehört:
Wach auf, wach auf!
Generell könne sie noch sagen, dass Herr L. ein ruhiger Mann gewesen sei. Marina G. habe dagegen mehrfach Streit mit Nachbarn gehabt. Da sie selbst aber sehr zurückhaltend sei, habe es zwischen ihnen keine Probleme gegeben.
Nachbarsjunge hörte einen dumpfen Schlag
Ein ähnliches Bild der Beschuldigten hatte auch ein gerade 18 Jahre alter Nachbar. Seine Mutter habe ihn in der besagten Nacht, als er vom Klo kam, aufgebracht auf den Balkon geholt und gemeint, da müsse ein übler Streit im Gange sein. Der Junge hörte einen dumpfen Schlag und später Worte wie:
Komm zurück!
Sicher sei er sich aber nicht, ob er alles korrekt verstanden habe. Ohne Zweifel sei Marina G. leicht reizbar gewesen, einmal habe sie einem ihrer Meinung nach zu lautem Nachbarn gedroht:
Ich bringe dich um, wenn du nicht leise bist!
Als nächstes lässt Richterin Spannagel-Schärr den Anruf von Marina G.s Mutter bei der Notrufzentrale vorspielen. Aufgrund gesundheitlicher Probleme ist die Mutter nicht persönlich anwesend, sondern die Richterin liest danach ihre bestätigte Aussage vor.
Seltsam dabei ist die Tatsache, dass die Beschuldigte angab, den Notruf nicht habe erreichen zu können. Ihrer Mutter habe sie dann gesagt, dass sie bitte schnell die Rettungskräfte rufen solle.
Ansonsten beschreibt diese im Protokoll, dass die Beziehung ihrer Tochter Marina G. und Herrn L. von Eifersucht geprägt gewesen sei. L. sei eigentlich ein ruhiger Typ gewesen, aber sie habe ihn nicht wirklich gekannt. Ihrer Tochter attestiert sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, aber mit einer aufbrausenden Ader.
Was hat es mit “Zorro” auf sich?
Der nächste Zeuge, Alfred S., kannte den Getöteten schon lange. Über ihn habe er auch Marina G. kennen gelernt. Die Eifersucht zwischen den beiden sei dadurch größer geworden, dass Marina G. den Chat-Dienst WhatsApp auf ihrem Smartphone installiert habe. Da ihr Freund den Nachrichtendienst nicht kannte, habe er immer gedacht, Marina G. würde ihn zum Flirten mit anderen Männer benutzen.
Toll, dann könnt ihr euch ja beim Scheißen zugucken,
und andere Aussagen dieser Kategorie seien dabei als Kommentare seitens L. gefallen. Für neugierige Blicke sorgt die Nachfrage der beisitzenden Richter Wacke und Krebs-Dörr, die wissen wollen, was es mit dem Namen “Zorro” auf sich hatte. Offenbar wurde Herr L. so genannt, aber einen tieferen Grund (womöglich eine Affinität zu Messern/Degen?) konnte Alfred S. nicht nennen.
Während die Angeklagte betroffen wirkt und mehrfach schniefen und schnäuzen muss, sagt Alfred S. noch, dass er sich meine, erinnern zu können, dass sie sich habe trennen wollen.
Nancy L. ist die Tochter des getöteten Herrn L. Sie wirkt erstaunlich wenig betroffen dafür, dass ihr Vater umgekommen ist. Für Freundinnen im Zuschauerbereich hat sie sogar ein Lächeln übrig. Dann erzählt sie fast im Plauderton über die Beziehung ihres Vaters mit Marina G.
Gut gesorgt hätte sie für ihn, darauf geachtet, dass er gesünder esse und seine Medikamente regelmäßig nehme. Sie sei überhaupt ein fürsorglicher Mensch gewesen. Einmal habe sie tiefe Kratzer im Gesicht ihres Vaters gesehen, auf Nachfrage habe dieser aber lediglich gemeint, er sei es selbst gewesen.
Die WhatsApp-Problematik kannte sie auch, schließlich habe sie ihm erst erklärt, was das überhaupt sei und wie es grob funktioniere. Zur Tatnacht sagt sie lediglich, dass sie kurz vor dem eingegangenen Notruf (die Zeit wurden vor Gericht nachträglich verglichen) einen Anruf von der Beschuldigten erhalten habe, diesen aber nicht bemerkt habe.
Offenbar hatte Nancy L. ein gutes Verhältnis zu Marina G., anders lässt sich kaum nachvollziehen, weshalb sie keinen (zumindest keinen offensichtlichen) Groll gegen die Frau hegt, die für den Tod ihres Vaters verantwortlich sein könnte. Zum Thema “Zorro” kann auch sie nur den Kopf schütteln.
Lautstärke als Streitthema
Ganz anders sieht das bei Jenny K. aus. Die 30-Jährige wohnt im selben Haus wie Marina G. und hatte mehrfach Streit. Dabei sei es oftmals um die Lautstärke gegangen, mehrfach habe Marina G. ihr gedroht: Die Worte
Du Hure! Pass bloß auf
und
Ich schmeiße dich die Treppe runter,
seien dabei auch gefallen. Als sie einmal versucht habe, Marina G. zu ignorieren, habe diese sie an den Haaren gezogen und sie habe sich dabei derart den Kopf gestoßen, dass sie mit einer großen Beule zum Arzt gemusst habe. Die folgende Anzeige wurde jedoch nicht weiter verfolgt.
Mit Herrn L. habe Marina G. eine “Streitbeziehung” geführt und Jenny habe sich, wie andere Leute im Haus, vor ihr gefürchtet.
Der Verteidiger fragt nach und stellt die Glaubwürdigkeit von Jenny K. infrage. Es kommt heraus, dass mehrere Menschen im Haus Unterschriften gegen sie gesammelt hätten und sie von der Hausverwaltung schon einmal eine Mahnung wegen Ruhestörung bekommen hat.
Abschließend werden noch zwei Polizeibeamte befragt, die mit dem Fall zu tun hatten/haben. Volker E. und Andreas F. sagen relativ ähnlich aus, dass die Angeklagte nach dem, was die Befragten aussagten, charakterlich zwei völlig verschiedene Seiten habe.
Womöglich ist Herr L. zu einem ungünstigen Zeitpunkt an die falsche Seite geraten.
Die psychologischen Gutachter werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Die nächsten Verhandlungstage sind der 13. März, 09.00 Uhr und der 22. März, ebenfalls 09:00 Uhr.