Mannheim, 10. Dezember 2014. (red) Am vergangenen Donnerstag hat Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) seinen Wahlkampf begonnen. Im Rhein-Neckar-Theater. Auf einer Bühne, auf der es immer rund geht. So, wie in seiner Stadt. Vor gut 250 Gästen, die meisten SPD-Mitglieder. Der Abend begann inszeniert. Bis zu seinem Auftritt. Der war authentisch. Peter Kurz ist keiner, der gefallen will. Dafür fehlt ihm das Talent. Er ist ein Kopfmensch. Wenn er eitel sein sollte, was alle sind, die ein solches Amt bekleiden, dann will er Anerkennung und Wertschätzung. Nicht nur für das Amt, sondern für die Arbeit, die er leistet.
Von Hardy Prothmann
Als sein Auftritt zum Wahlkampfauftakt vorbei ist, kommt seine Frau Daniela mit auf die Bühne. Seite an Seite stehen sie da. Sie strahlt, er lächelt und hält einen Blumenstrauß hoch. Er weiß, dass er es gut gemacht hat. Sie ist froh, dass er es gut gemacht hat. Ihr Peter, in den sie sich vor über 30 Jahren verliebt hat:
Der Peter war damals Schulsprecher und wirkte irgendwie wichtig. Mehr wusste ich nicht wirklich von ihm und irgendwie war da so eine Distanz, die von ihm ausging. Beim Abi haben wir uns dann unterhalten, sehr lange. Er war damals schon so eher der ernste Typ, sehr klug, aber als wir ins Gespräch kamen, war er sehr humorvoll und einfühlsam. Damals haben wir uns verliebt.
„Danni“ strahlt. Sie ist erleichtert. Das Leben eines Oberbürgermeisters ist kein Zuckerschlecken und das der Frau an dessen Seite schon gar nicht. Vor zwei Jahren sah er nicht gut aus?
Ja, das stimmt, die Arbeit schlaucht sehr. Die Verantwortung, jeder will etwas von ihm, die wenige Zeit, die für uns bleibt. Das war für mich oft hart, aber ich unterstütze ihn und seine Leidenschaft gerne. Es ist ja auch etwas unglaublich schönes, seine Stadt gestalten zu dürfen. Und er ist einfach der Beste für diese Stadt.
„Der Beste“ steht auf der Bühne und sagt:
Ich halte es dann mal mit Horst Schlämmer und sage: Isch kandidiere.
Mal kein Willy-Brandt-Zitat. Der Saal lacht. „Der Beste“ steht auf der Bühne und sagt fast am Ende seiner Rede:
Für eine Unterschätzung Mannheims stehe ich nicht zur Verfügung!
Der Applaus brandet. Die Menschen stehen.
Bei jedem anderen Politiker hätte man eine zornige Reaktion auf den Druck seit Monaten als legitim betrachtet – Peter Kurz merkt man an, wie die Debatten um BUGA und andere Themen ihn auch persönlich mitnehmen. Er sagt das nicht zornig, sondern deutlich. Wer ihn kennt, weiß, dass das eine sehr emotionale Ansage ist. Wer zugehört hat, sowieso.
2007 ist nicht 2015
2007 ist er mit einem Programm angetreten und an fast alles, was er vorhatte, habe er einen Haken machen können. Das ist nicht bloß eine Behauptung oder „Selbstbeweihräucherung“, sondern wird mit Fakten untermauert: Jugendarbeitslosigkeit von knapp fünf auf 2,8 Prozent gesenkt, Arbeitslosigkeit unter Bundesdurchschnitt, weniger Schulden als zum Amtsantritt. Man kann und soll ihn überprüfen:
Was ich 2007 als Aufgaben formuliert habe, kann man auf meiner Homepage nachlesen, ziemlich viel Text, aber das ist gelungen. 2007 ist aber nicht 2015. Wenn sich nichts verändert hätte, hätte ich was falsch gemacht.
Er kann auch Bühne
Wieder Applaus. Viel Applaus. Die „Audience“ im Rhein-Neckar-Theater folgt dem Mann auf der Bühne sehr aufmerksam. Der bewegt sich ständig, aber nicht hektisch. Man merkt ihm an, dass er Bühne kann, aber das Selbstdarstellung nicht sein Metier ist. Eher ernstes Theater. Für zünftige Schenkelklopfer ist der Mann nicht zu haben. Zeitweise ist er eher sehr anstrengend:
Mit welcher Grundhaltung geht man an Aufgaben heran? Mein Verständnis von Stadt ist, dass wir von einer Stadt reden müssen. Die Zukunft wird den Städten gehören, die die Vielfalt der Welt verstehen und doch nicht auseinanderbrechen. Das bedarf Kommunikation, das bedarf Anstrengung, das ist die Aufgabe, die Anstrengung des Dialogs, der muss sich jeder Verantwortliche stellen.
Sehr oft guckt er ernst und nachdenklich, während der 49 Minuten, die er frei redet und das Glitzer-Mikrophon in der Hand hält, das eigentlich gar nicht zu so einem ernsten Menschen passt, aber halt Rhein-Neckar-Theater ist. Kein einziges Mal spricht er als SPD-Politiker. Zumindest nicht ausdrücklich:
Ich sehe die Stadt als einen Motor für allgemeine wirtschaftliche, soziale, globale Entwicklung. Und ich will eine aktive Rolle einnehmen. Bei Fragen: Was kommt auf uns zu und wie können wir das gestalten? Es ist gelungen, Menschen in Arbeit zu halten und aus dem Tal der Wirtschaftskrise gut herauszukommen. Dann haben uns über 10.000 Amerikaner verlassen, mit ihrer Nachfrage. Das ist kein Problemthema, sondern eine Zukunftsaufgabe.
Mit einem Mal redet er von Resilienz und meint, man solle in erheblichen Stresssituationen besonnen bleiben. Frei übersetzt: Ein Stehaufmännchen sein. Vielleicht meint er sich, vielleicht die Stadt. Vermutlich beide. Und er geht voran:
Wer sein Schicksal aktiv erlebt, gestaltet. Wer passiv bleibt, wird krank.
Und dann macht Peter Kurz etwas, was in früheren Zeiten durchaus als „Todsünde“ gegolten hat, für Ewig-Gestrige bis heute eine ist und für ihn eine Kampfansage – er geht die Kontroversen an, statt sie zu beschönigen, beispielsweise das Thema Konversion:
Wie geht man das an? Eine solche Aufgabe ist nicht alleine über eine Stadtverwaltung zu gestalten. Wir müssen Menschen von außen gewinnen, aktiv auf diese zugehen.
Aktiv auf Menschen von außen zugehen. Dafür steht er. Und dafür wird er seit langer Zeit von den Alteingesessenen angefeindet. Von denen, die Angst vor Außen haben. Die Stimmung gegen Außen machen. Allen voran der Mannheimer Morgen und die CDU in Komplizenschaft mit FDP und AfD, teils auch der Mannheimer Liste (Freie Wähler).
Der Kopfmensch
Peter Kurz verhehlt nicht die Probleme, die Ausbeutung von Zuwanderern aus Südosteuropa, teils katastrophale Wohnsituationen:
Die Herausforderung ist alles andere als banal.
Peter Kurz ist ganz sicher kein Intellektueller im „schöngeistigen Sinn“. Ganz sicher ist er sehr umfassend gebildet. Aber eben ein Kopfmensch. Und Jurist. Wenn er „nicht banal“ sagt, meint er „hochkomplex“. Er weiß, dass es ein halbes bis ein Dutzend Städte gibt, die von südosteuropäischer Zuwanderung betroffen sind, wie Mannheim eben. Und wenn er „banal“ sagt, dann deutet er den Dumpfsinn an, der ihm oft entgegenwirkt. Die Banalität des Gewöhnlichen, wie Menschen eben oft mit „Herausforderungen“ umgehen.
Wir müssen und werden Konzepte finden, für den richtigen Umgang mit der Herausforderung. Mannheim ist offen und tolerant. Umfragen zeigen, dass das Lebensgefühl bei all den Veränderungen positiv geblieben ist. Das ist eine erhebliche Leistung.
Leistung. Das ist ein Grundmotiv für Peter Kurz. Ich habe den Mann 1992 kennengelernt. Ich damals Student und freier Mitarbeiter für den Mannheimer Morgen, Peter Kurz war damals Stadtrat. Und mein Eindruck war der seiner Frau Daniela. Da kam einer, der alles wichtig nahm. Konzentriert, gut vorbereitet, trotzdem mit vielen Fragen. Oft hat er sehr interessiert zugehört. Der Peter Kurz war für mich keiner „zum Anfassen“, aber einer, der immer da war, sehr präsent.
Wir brauchen Bildungsgerechtigkeit. Ich möchte nicht, dass das Leben eines Kindes durch das Quartier und die Lebensverhältnisse vorbestimmt ist. Das ist ein großer Anspruch, aber das muss unser Anspruch sein.
Großer Applaus. Das klingt nach SPD. Aber das sagt er nicht. Er spricht als Oberbürgermeister für alle in der Stadt. Ohne parteipolitisches Kalkül. Das macht einen wie Peter Kurz sehr besonders. Er ist klar SPD. Aber auf der Bühne ist er klar Oberbürgermeister für alle, obwohl das Publikum hier und heute fast ausschließlich SPD ist. Das traut sich nur ein Überzeugter, ein Kopfmensch, einer, der für alle da sein will.
Wir haben hier enorm investiert, die ersten Erfolge sind spürbar. Wo sind unsere Chancen? Wir gehen aktiv rein in Technologiezentren, wir fördern Gründer, das ist ein enorm dichtes Programm, oft Oberkante-Unterlippe. Und dann noch die Konversion. Ich hätte mir das langsamer gewünscht. Aber es ist, wie es ist und diese Chance müssen wir angehen.
Wir, wir, wir. Das macht mich als politischen Journalisten perplex. Da steht einer auf der Bühne, der klar SPD ist, aber kein einziges Mal SPD sagt. Der vor einem Publikum redet, das klar SPD ist, gespannt lauscht, oft applaudiert, vor allem bei „wir“.
Mehr Respekt, mehr „wir“
Peter Kurz meint damit aber nicht nur die SPD. Und irgendwie ist er stur und verhaftet alle, die ihm aktuell bei Beschlüssen oft die Zustimmung verweigern. Und geht damit in Führung:
Ab 2015 braucht es ein neues Programm. Es wird viele Veranstaltungen mit Bürger/innen geben, wirtschaftliche Strategie, soziale Integration, Lebensqualität als zentraler Punkt. Dafür bin ich bereit.
Und wieder gibt es Applaus. Peter Kurz könnte die Welle reiten, aber er bleibt beim Ernst der Lage:
Der Umgang im öffentlichen Raum ist dringend verbesserungswürdig. Wir erleben aktuell eine Respektlosigkeit, die bedenklich ist. Wir brauchen hier eine Trendumkehr, alt gegen jung ist falsch, wir müssen uns fragen, wie wir Gesellschaft erleben und gestalten. Wir müssen aus Mustern, die sich verhärtet haben, herauskommen.
Erstaunlich ist, dass er sich mit „wir“ einbezieht, obwohl klar ist, wen er meint. Die Kleingärtner der Au, die Kunsthallen-BI, den Mannheimer Morgen, die CDU und andere. Er benennt niemanden. Und er sagt wir. Das macht ihn sehr verantwortlich, weil er sich nicht ausschließt. Peter Kurz weiß, dass seine Stadt, so weltoffen sie ist, so erfolgreich die vergangenen Jahre waren, trotzdem sehr in Gefahr ist, zu zerbrechen.
Erst Leistung, dann Freude
Das ist seine große Leistung an diesem Abend und insgesamt die seiner Amtszeit. Er distanziert sich von der Respektlosigkeit, die teils Einzug gehalten hat, in „seine“ Stadt. Aber er macht sich mit verantwortlich, weil diese Probleme auch „sein“ Problem sind.
Wir sind nicht passiv, wir haben einen gesellschaftlichen Gestaltungsauftrag. Für mich ist Mannheim eine Stadt der Toleranz. Und ich sehe nicht, dass wir uns zu viel zutrauen. Für Mutlosigkeit steht Mannheim nicht. Das Runterreden der Stadt ist in keiner Weise gerechtfertigt. Mannheim hat nicht nur durch die Erfindung des Autos und des Fahrrads die Welt bewegt, sondern hier ist auch noch Musik drin. Wir sind eine Unesco City of Music. Das ist ein Pfund. Das nutzen wir.
Applaus.
Ich möchte weiter diese Stadt entwickeln. Menschen einladen, daran teil zu haben, auch von außen. Dafür bitte ich um Unterstützung. Ich möchte die Stadt aktiv entwickeln und werbe dafür, defensive Haltungen zugunsten einer offensiven Zukunft aufzugeben.
Die freie Rede ist zu Ende und der Einstieg in eine neue Amtszeit vorbereitet. Die Zuhörer stehen auf und applaudieren lange. Nicht gepusht, sondern tatsächlich beeindruckt. Es gab vor seinem Auftritt eine „Talk-Runde“, Rahmenprogramm. Das hätte es nicht gebraucht – denn sein Auftritt war das, was alle sehen und hören wollten.
Dem ernsten Kopfmenschen Peter Kurz gelingt ein gelöstes, zufriedenes Lächeln. Dafür hat er sich sehr anstrengen müssen. Aber so ist er. Erst die Leistung, dann die Freude. Seine Frau ist an seiner Seite, er hält den Blumenstrauß hoch. Er lässt die Fotos zu. Aber dann ist es auch gut.
Seine Frau Danni sagt:
Der Peter kann nicht anders. Er arbeitet hart. Schon immer. Und die Anstrengung in der ersten Amtszeit war und ist enorm. Mich freut es, wie er aufblüht, denn so ein Wahlkampf bedeutet ja auch immer eine Art Besinnung: Wo stehe ich, wo will ich hin, was ist noch zu tun? Mich hat er heute Abend wie alle im Raum mit seinen Visionen begeistert. Das ist toll, wie er das so in freier Rede macht. Ich bin voll motiviert und unterstütze ihn gerne so gut ich kann. Wenn er da auf der Bühne mal loslässt und einfach lächelt, ist er umwerfend. Aber Peter ist eben vor allem ein Kopfmensch und deshalb oft ernst. Aber ein Oberbürgermeister muss nicht einer sein, der dauernd Bierfeste eröffnet und dabei lächelt, er muss tagtäglich die Probleme und Herausforderungen einer Stadt lösen, und das kann der Peter, besser als jeder andere. Er ist einfach der beste OB, den sich die Mannheimerinnen und Mannheimer nur wünschen können. Meine persönliche Meinung.