Mannheim, 09. März 2017. (red/cr) Am vergangenen Mittwoch wurde zum vierten Mal eine Künstlerin aus der Region mit dem Helene-Hecht-Preis ausgezeichnet. Die Preisträgerin Sabine Giersberg fördert mit ihren Übersetzungen aus dem lateinamerikanischen Raum den kulturellen Austausch. Damit bringt sie als “Fährfrau” Neues an unsere Ufer. Passend zum Weltfrauentag wurde auch ein klares Signal gesendet – sie muss noch viel mehr weibliche Kolleginnen im Kulturbereich bekommen. Und zwar in den richtigen und wichtigen Positionen.
Von Christin Rudolph
Übersetzer sind unsichtbare Protagonisten. Dabei sind sie es, die Weltliteratur schaffen.
Sabine Giersberg weiß, wovon sie spricht. Seit 1999 arbeitet sie als freie Übersetzerin aus dem Spanischen und Portugiesischen. Lehrtätigkeiten übt sie an verschiedenen Hochschulen, unter anderem der Universität Heidelberg, aus.
Am vergangenen Mittwoch überreichte ihr Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz den Helene-Hecht-Preis.
Dieser Preis wurde damit zum vierten Mal vom Mannheimer FrauenKulturRat ausgelobt. Im Abstand von zwei Jahren wird er an Künstlerinnen der Metropolregion Rhein-Neckar in wechselnden Kategorien verliehen, diesmal in der Kategorie literarische Übersetzung. Der Preis ist mit insgesamt 3.000 Euro dotiert.
Geschätzte Mäzenin
Auf die Namensgeberin der Auszeichnung, Helene Hecht, nahmen die Redner des Abends Bezug als eine Persönlichkeit der Mannheimer Kulturszene.
Die 1854 geborene Mäzenin führte einen Salon, in dem sich Kulturschaffende austauschen konnten.
Helene Hecht steht für emanzipiertes jüdisches Bürgertum im 19. Jahrhundert,
so Oberbürgermeister Dr. Kurz. Helene Hecht starb 1940 auf der Deportations-Bahnfahrt der badischen und pfälzischen Juden in das Lager Gurs in Südfrankreich.
Bezug zu Vergangenheit und Gegenwart
Er beschrieb sie weiter als
eine im bemerkenswerte, im öffentlichen Leben sehr sichtbare Persönlichkeit.
Dass die Preisverleihung am 08. März stattfand, ist kein Zufall. Dr. Kurz betonte besonders die Formulierung, die die Vereinten Nationen für den 08. März vor 40 Jahren einführten – den “Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden”.
Einen Bezug zu aktuellen Ereignissen stellte der Oberbürgermeister ebenso her.
So drückte er seine Freude darüber aus, dass das Bundeskabinett am Tag der Preisverleihung der Instanbul Konvention zugestimmt hat, die sich gegen Gewalt an Frauen richtet.
Beeindruckende Nachwuchskünstler
An diesem Abend sollte die Kunst selbst auf der Bühne nicht fehlen. Im Gegensatz zu vergleichbaren Veranstaltungen waren die gezeigten Performances jedoch keinesfalls nur eine “Umrahmung”, sondern sowohl quantitativ als auch qualitativ gleichwertig zu den Reden.
Vier Studierende der Theaterakademie Mannheim musizierten und lasen aus Werken, die die Preisträgerin Sabine Giersberg übersetzt hat. Manchmal lösten sie sogar die Grenzen zwischen Musik und Sprache, Klang und Worten auf.
Mit Wortspielen strukturierten und moderierten sie den Abend. Das Publikum und Frau Giersberg zeigten sich beeindruckt von den jungen Künstlern.
Unterschätzter Beruf
Den Ton, den Rhythmus unter vielen Nuancen zu treffen – das beschreibt Prof. Dr. Eva Eckkrammer als Aufgabe von Übersetzerinnen und Übersetzern.
Sie selbst ist Sprachwissenschaftlerin an der Universität Mannheim. Das Übersetzen sieht sie als unterschätzte Kunst, eine, die im Verborgenen stattfindet.
Wir lesen durch die Augen des Übersetzers oder der Übersetzerin,
so die Expertin. In ihrer Laudatio referierte sie nicht nur den Werdegang der Preisträgerin. Sie beschrieb anschaulich, was Frau Giersberg erreicht hat und was sie antreibt. So verknüpfte sie die “nackte” Zahl von 43 Belletristik-Übersetzungen vor allem aus dem lateinamerikanischen Raum zum einen mit der Affinität der Übersetzerin mit diesem Kontinent.
Fahrt zu neuen Ufern
Zum anderen beschreibt sie Frau Giersberg in ihrer Tätigkeit als
Fährfrau, ohne die die Texte sonst nie im deutschen Kulturraum ankommen würden.
Daher engagiere sich die Preisträgerin praktisch seit über 20 Jahren für die Vermittlung zwischen Kulturen. Dieses Bild teilt Frau Giersberg selbst offensichtlich.
In ihrer Dankesrede sprach sie davon, “das Fremde herüber” zu holen. Sie machte außerdem klar, dass viele ihrer Kolleginnen für ähnliche Leistungen kaum Anerkennung bekämen. Daher sagte sie, sie wolle den Helene-Hecht-Preis auch stellvertretend für ihre Kolleginnen entgegennehmen.
Düstere Zahlen
Wie wenig weibliche Kolleginnen Frau Giersberg in der Kultursparte hat, machte Zahra Deilami, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Mannheim, klar.
Warum müssen Frauen extra gefördert werden?
Das fragte sie zu Beginn ihrer Rede. Die Antwort gab sie sich selbst – in Form von Zahlen. Zahlen zu Frauenanteilen in bestimmten Berufen und Positionen. Beispiel:
Über 80 Prozent der Beschäftigten in der Buchbranche sind Frauen. Aber nur 16 Prozent davon in Führungspositionen.
Woher das kommt? Warum das nicht anders ist? Frau Deilami streut zwar immer wieder humorvolle Elemente ein, doch die Botschaft ist klar:
Es gibt einen gut funktionierenden, versteckten Männerbonus.
Doch sich auf die düstere Zahlen der Realität beschränken will sich die Gleichstellungsbeauftragte nicht. Sie sieht hier Kommunen in der Verantwortung.
Noch viel zu tun
Kämpferisch fragte sie:
Wollen wir Studentinnen fördern, damit sie 20 Jahre später unterbezahlt in einem Archiv sitzen?
Sie formulierte ein Ziel, dem wohl nicht nur die Anwesenden, nicht nur Kulturschaffende, sondern wohl sehr viele Menschen, die am 08. März auf Frauenrechte aufmerksam gemacht haben, zustimmen können:
Ein Frauentag, an dem ich nur sagen muss: “Meine Damen und Herren, wir haben es geschafft – 50/50.