Heidelberg, 09. April 2018. (red/pro) Wie ist der versuchte Mord zu Lasten einer 47-jährigen Joggerin Anfang März abgelaufen? Ermittler der Kriminalpolizei Heidelberg stellten am Freitag die Szenerie nach. Trotz zahlreicher Hinweise, fehlt bislang jede Spur des Angreifers.
Von Hardy Prothmann
Der 7. März ist ein schöner, sonniger Tag. Eine 47-jährige geübte Joggerin läuft gegen Mittag den bei Läufern beliebten „Leinpfad“, ein unbefestigter Weg entlang des Neckar im Neuenheimer Feld Richtung Dossenheim. Wenig Radfahrer, eher keine großen Menschengruppen. Auf dem etwa zwei Meter breiten Weg hat man beim Laufen seine Ruhe.
300 Meter vor einer Hundeschule passiert sie einen Mann. Der trägt eine schwarze Jogginghose mit seitlich weißen Streifen, einen dunkelgrauen Kapuzenpullover und macht Dehnübungen.
Schläge an den Kopf
Es ist 12:40 Uhr. Auf Höhe der Hundeschule trifft die Frau ein Schlag am Kopf. Sie geht zu Boden. Obwohl der Mann die Kapuze über dem Kopf trägt, erkennt sie den gerade passierten Mann. Der schlägt weiter mit einem faustgroßen Stein auf ihren Kopf ein, die Frau wehrt sich vehement. Dann lässt der Mann ab und flieht auf dem Weg zurück Richtung Heidelberg. Das Opfer wird den Täter später so beschreiben: 170-180 cm groß, schlank, 25-35 Jahre, europäisches Aussehen.
Das Opfer kann sich aufraffen, läuft zur Straße, Passanten bringen sie in ein Krankenhaus. „Die körperlichen Wunden heilen, wie es in der Frau aussieht, weiß ich nicht“, sagt Polizeihauptkommissar Christoph Kunkel als Polizeisprecher.
Rekonstruktion des Tatablaufs
Wie genau der Tatablauf war, will die Polizei nicht mitteilen – das ist zum einen Gegenstand der Ermittlungen und könnte Täterwissen sein. Damit meint die Polizei Informationen, die nur Täter und Opfer bekannt sein können. Sollte ein noch zu ermittelnder Tatverdächtige aussagen, soll er nicht etwas erzählen, was er vielleicht irgendwo gelesen hat. Mitgeteilt wird, dass der Angreifer mit einem „faustgroßen Stein“ zugeschlagen habe, ob dieser sichergestellt worden ist: Keine Angabe.
Klar ist: Heute hat die Polizei Medienvertreter eingeladen, um grundsätzlich über die Ermittlungsmaßnahme zu informieren. Später wird es zur Sache gehen: Die Beamten werden mehrere Abläufe „nachspielen“ – aus ermittlungstaktischen Gründen aber ohne Öffentlichkeit: „Ein großer Täter hat beispielsweise einen anderen Schlagwinkel als ein kleiner Täter“, erläutert Kunkel, der sich sonst bedeckt hält, was nachgespielt wird.
Rund ein Dutzend Kriminalbeamte des Dezernat 1.1 (Kapitaldelikte) sind vor Ort. Zwei Kamerateams filmen eine Kollegin, die den Weg des Opfers mehrmals joggt. Es werden Zeiten gestoppt und notiert. Nach der Tat hatte die „KT“ (Kriminaltechnik) den Tatort bereits aufwändig untersucht, unter anderem 360°-Aufnahmen gemacht und Spuren gesichert.
„Wenn es später zu einer Verhandlung kommt, sollen dem Gericht alle Tatumstände möglichst präzise und plastisch präsentiert werden können“, sagt Kunkel.
107 Zeugenhinweise, keine heiße Spur
107 Zeugenhinweise hat die Polizei bereits erhalten, „aber der entscheidende fehlt“. Zunächst ermittelten die Behörden wegen versuchten Totschlags, kurz drauf wegen versuchten Mordes: „Die Heimtücke des Angriffs kann ein Mordmerkmal sein“, sagt Kunkel. Der Täter unmittelbar und ohne zu sprechen über sein Opfer hergefallen sein.
„Offen ist die Intension für die Tat. Wollte der Täter nur Gewalt ausüben, das Opfer ausrauben oder es vergewaltigen?“, sagt Kunkel während die Kollegen im Hintergrund mit weiteren Messungen beschäftigt sind. „Es gab keine Vorbeziehung, das Opfer kennt den Täter nicht.“
Die Polizei sucht einen Radfahrer und ein Joggerpärchen als Zeugen, die zur Tatzeit in der Nähe gesehen worden sind. Die Ermittlungen laufen unter besonderem „Druck“ – denn solange der Täter nicht gefasst ist, läuft es sich mit einem mulmigen Gefühl, geschah der Überfall doch am helligten Tag im öffentlichen Raum. Und was eigentlich angenehm für Läufer ist, wenig Personenverkehr, gibt nun ein mulmiges Gefühl.