Mannheim/Rhein-Neckar, 09. Januar 2015. (red) Die CDU zeigt sich in Sachen „Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen“ gespalten. Während der CDU-Kreisverband kein offizieller Unterstützer sein will, bekennt sich der CDU-Ortsverein Käfertal zu der geplanten Kundgebung als Unterstützer. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz bedauert die Haltung des CDU-Kreisverbands. Und einer der Initiatoren, Gerhard Fontagnier, schwelgt in Zahlen.
Von Hardy Prothmann
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) hatte zuletzt auf dem Neujahrsempfang vor 3.000 Mannheimer/innen im Mozartsaal für die Veranstaltung „Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen“ geworben – für Toleranz, für eine fremdenfreundliche, offene Stadtgesellschaft.
Auf unsere Nachfrage, was er von der Unterstützerliste und der Haltung des CDU-Kreisverbands hält, schreibt er:
Für mich ist der Veranstalterkreis entscheidend und was auf einer solchen Veranstaltung gesagt wird. Dass möglichst viele gesellschaftliche Gruppen zu dieser Demonstration aufrufen, war das ausdrückliche Ziel. Jeder ist auch frei zu einer Demonstration aufzurufen. Die Formulierung Unterstützer“kreis“ und eine Wiedergabe auf Plakaten ist etwas unglücklich, weil damit ein Zusammenschluss signalisiert wird, der organisatorisch nicht besteht. Dass dies umgekehrt nun vom CDU-Kreisverband zum Anlass genommen, sich nicht zu beteiligen, bedaure ich.
Weiter wollten wir gerne wissen, wie er die Teilnahme von „anarchistischen“ Gruppen bewertet. Seine Antwort:
Es geht um ein Bekenntnis zu Grundwerten der Solidarität und des Respekts und eine klare Ablehnung von Rassismus, dem Schüren von Ängsten und der Menschenfeindlichkeit. Mir geht es in vielen Zusammenhängen, z.B. bei der Mannheimer Erklärung darum, gerade den Kreis derer, die sich zu einem Mindeststandard von Werten bekennen, zu erweitern. Spreche ich von vornherein nur die Gruppen an, die sich sowieso zu allen Aspekten der freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen, brauche ich keinen Dialog und keine Strategie für die Ausweitung und Verbreiterung von „Mindeststandards“ mehr.
Den Initiatorenkreis von „Mannheim sagt Ja“ hatten wir angeschrieben und nachgefragt, was man dort von der Entscheidung des CDU-Kreisverbands hält. Die Antwort auf unsere Anfrage wurde dann als „Pressemitteilung“ zuerst auf der Veranstaltungsseite veröffentlicht – ein ziemlich schlechter Stil, da dies die Exklusivität journalistischer Arbeit unterwandert:
Wir haben die CDU am 29.12. angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Unterstützerliste. Die CDA und andere CDU-Mitglieder haben ihre Unterstützung zugesagt im Angesicht der Liste und der sich darauf befindlichen Gruppen. Diese Gruppen messen wir an ihren Früchten und nicht an Vermutungen. Wir erwarten von diesen Gruppen demokratisches und friedliches Verhalten. Dieses haben sie in der Vergangenheit durch Ihre Mitarbeit im Bündnis „Mannheim gegen Rechts“ bewiesen. Niemand aus dem Initiativ- und Organsiationskreis hat im Übrigen an irgend einer Stelle Symphatie für die Ziele dieser Gruppen ausgedrückt. Der CDU-Kreisverband hat es nun leider, heute am 8. Januar 2015 versäumt, mit seiner Unterstützung ein mögliches Gegengewicht zu bilden.
Außerdem wurde behauptet, dass dies die gemeinsame Antwort des Initiatorenkreises sei. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Zwar haben sich die Initiatoren Marianne Bade (SPD), Petar Drakul (SPD), Gerhard Fontagnier (Grüne) und Rebekka Schmitt-Illert (CDU) auf diese Formulierung geeinigt, tatsächlich bestand Frau Schmitt-Illert (im MM übrigens falsch wiedergegeben, wie wir auf Nachfrage erfahren haben) aber auf einer zusätzlichen Stellungnahme zu unserer Anfrage:
Lieber Herr Prothmann,
aufgrund des ausführlichen Interviews, das Sie mit mir geführt haben, wissen Sie bereits, dass mir die Unterstützung der größten Volkspartei wichtiger gewesen wäre als die Unterstützung der von Ihnen angesprochenen Gruppierungen. Aber die Situation ist, wie Sie ist. Und weder mich, die CDA, den Ersten Bürgermeister Christian Specht noch viele weitere CDU-Mitglieder halten diese Gruppierungen ja im Endeffekt davon ab, die Veranstaltung und ihre Ziele durch unsere Teilnahme zu unterstützen. Das ist es doch, was zählt.
Ich kann mich dem Bedauern meiner Mitinitiatoren nur anschließen, baue aber auf Unterstützung aus den Reihen der CDU, auch ohne Aufnahme des Kreisverbands in die offizielle Unterstützerliste.
Viele Grüße
Rebekka Schmitt-Illert
Gestern Abend erreichte uns dann durch den stellvertretenden Vorsitzenden Chris Rihm die Erklärung des CDU-Ortsvereins Käfertal, der sich dem Unterstützerkreis der Kundgebung angeschlossen hat:
Nachdem der CDU Kreisverband, aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen, dem Unterstützerkreis nun doch nicht beitritt, bekunden wir als CDU OV Käfertal unsere klare Unterstützung.
Bitte nehmen Sie uns in den Kreis der offiziellen Unterstützer auf.
Die Argumentation des Kreisverbandes, aufgrund der Teilnahme von „linksradikalen Gruppen“ keine offizielle Unterstützung geben zu können, erschließt sich uns inhaltlich nicht wirklich. Es gibt Situationen im Leben, bei denen mehrere gesellschaftliche Gruppen, die normalerweise eher konträre Auffassungen vertreten, zu einzelnen Themen eine ähnliche oder gar gleiche Auffassung teilen.
Was passiert denn, wenn die NPD im Gemeinderat bei einzelnen Beschlüssen die Meinung der anderen Parteien teilt? Wird dann der Beschluss gekippt, weil eine „rechtsradikale“ Gruppe den Beschluss unterstützt? Sicherlich nicht. Insofern können wir der Argumentation nicht folgen.
Als autarker Ortsverband werden wir die Fahne für die CDU auch im Unterstützerkreis hochhalten und damit gemeinsam mit der CDA, deren Unterstützung Ihnen Alexander Manz bereits zugesagt hat, unser Zeichen setzen.
Auch der Bezirksbeirat Neckarstadt-West unterstützt die Kundgebung – mit einer Ausnahme. AfD-Bezirksbeirätin Gabrile Thome-Schäffner gehört nicht zu den Unterstützern:
(…) Der Bezirksbeirat Neckarstadt-West begrüßt die Aktion – sie hilft, einer fremdenfeindlichen Stimmung im Stadtbezirk vorzubeugen und über die Lage der Flüchtlinge vorurteilsfrei zu informieren.
Um dieses Ziel zu fördern, wird sich der Bezirksbeirat Neckarstadt-West in seiner öffentlichen Sitzung kommenden Februar auch über die neue Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Pyramidenstraße informieren.
Stadtrat Christopher Probst hat unterdessen als Vorsitzender Mannheimer Liste/Freie Wähler die Unterstützung seiner Wählerliste ebenfalls öffentlich gemacht. Er kandidiert bei der diesjährigen Oberbürgermeisterwahl als Herausforderer von Dr. Kurz. Seine Position:
Sehr geehrte Frau Bade, sehr geehrter Herr Fontagnier, zur Erklärung: Auch wir als FW/ML haben, wie offenbar die CDU auch, intensiv über eine Teilnahme, auch als Unterstützer (nicht nur persönlich) diskutiert. Grund der Diskussion waren die besprochenen Gruppen, mit denen wir nicht unbedingt sympathisieren. Ausschlaggebend war aber am Ende das übergeordnete Ziel, für Mannheim als bunte, tolerante und weltoffene Stadt einzutreten. Wir hoffen, dass wir gemeinsam Pegida- ähnliche Auswüchse in Mannheim und woanders verhindern können.
Unterdessen zeigt sich Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier im Zahlenrausch. „Tusch“, kommentierte er, als sich 5.000 Teilnehmer auf der Facebook-Veranstaltungsseite angekündigt hatten oder „Über 5.500 Zusagen! 500 neue in einem halben Tag! Teilen! Teilen! Teilen! Teilen! Unser Ziel nächstes Ziel: 7.000 Zusagen!“. „Über 70 Unterstützer“, „soeben sind die 107. und 108. Unterstützer dazu gekommen“.
Ob tatsächlich so viele Teilnehmer kommen, wie auf Facebook zugesagt haben, ist völlig unklar. Es könnten allerdings sogar noch mehr werden – in Stuttgart zählte die Veranstaltungsseite gut 5.000 Zusagen, tatsächlich kamen 8.000 zu einer Kundgebung gegen Pegida.
Der Mobilisierungsgrad in Mannheim ist hoch – was sicher auch mit der durch unsere Berichte ausgelösten Debatte zu tun hat, ob man „anarchistische Gruppen“, die mutmaßlich gewaltbereit oder gewaltakzeptierend sind, mit auf eine Unterstützerliste setzen sollte, deren Ziel „gegen Hass und Angst“ ist. Wer letztlich an einer offenen Demonstration teilnimmt, kann man sowieso nicht als Veranstalter entscheiden.
Zu unserer Haltung, dass wir Gewalt gegen Personen und Sachen strikt ablehnen, stehen wir natürlich. Ebenso, dass wir über Gruppen, die den Rechtsstaat „revolutionär“ abschaffen wollen, weiterhin kritisch berichten.
Anm. d. Red.: Wir bitten um Entschuldigung für eine redaktionellen Fehler. In der ersten Fassung wurde das Zitat der ML/Freie Wähler aus Versehen zum Zitat der CDU „gepackt“.