Mannheim/Rhein-Neckar, 09. April 2015. (red/pro) Die Verlagsgruppe Dr. Haas GmbH steht vor einer Übernahme. Der Mannheimer Morgen würde damit in Zukunft Teil des Mediumimperiums der „Medien-Union“ Ludwigshafen werden, die neben der Rheinpfalz auch Zeitungen wie die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten sowie die Süddeutsche Zeitung kontrolliert. Die Übernahme muss vom Bundeskartellamt genehmigt werden.
Von Hardy Prothmann
Die Eigenständigkeit des Mannheimer Morgens ist nicht erst durch die aktuelle Entwicklung Geschichte. Bereits Ende der 90-Jahre verkauften die Eigner Anteile an die BWK Medienbeteiligungsgesellschaft. Offiziell 28,89 Prozent, andere Quellen sprechen von 34,9 Prozent.
Medien-Union will die Mehrheit
Die BWK, eine Investmentgesellschaft, an der die Landesbank Baden-Württemberg mit 40 Prozent beteiligt ist, die Wüstenrot & Württembergische-Gruppe mit 35 Prozent, die Gemeinnützige Hertie-Stiftung mit 15 Prozent sowie die Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank) beteiligt sind, hält nach offiziellen Angaben 21 Prozent an der Haas-Gruppe. 7,89 Prozent hatte sie bereits an die „Medien-Union“ verkauft, die nun die verbliebenen 21 Prozent von der BWK übernehmen möchte. Das Bundeskartellamt muss dem zustimmen.
Damit würde die „Medien-Union“ der mächtigste Gesellschafter der Haas-Gruppe. Laut der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich gibt es folgende weitere Gesellschafter:
- Eigenbesitz 16.15%
- Familie Schilling von Cannstatt 14.35%
- Michael Bode 12.6%
- Dr. Karl Ackermann 10.36%
- Dr. Alexander Bode 9.5%
- Franz Brandeis 5.15%
- Hönig, Werner 2%
- Dr. Björn Jansen 1%
Ob diese Zahlen so stimmen, darf bezweifelt werden, andere sind aber nicht öffentlich verfügbar.
Chef der „Medien-Union“ (Die Rheinpfalz) ist Dieter Schaub. Sein Unternehmen hält als größter Gesellschafter 44,36 Prozent an der Südwestdeutschen Medienholding und hat damit direkten Einfluss auf Medien wie die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten und auch die Süddeutsche Zeitung.
Auflagenverluste, Werbeverluste – trotzdem ist noch Geschäft zu machen
Klar ist: Die Eigenständigkeit des Mannheimer Morgens ist 59 Jahre nach der Gründung der Zeitung im Jahre 1946 Geschichte. Ob der Anteilsübernahme jetzt an diesen oder an einen anderen Anteilseigner stattgegeben wird, ist da nur zweitrangig.
Die Zeitung hat – wie andere auch – in den vergangenen Jahren massiv an Auflage verloren. Zu den Auflagenverlusten gesellte sich ein massiver Einbruch an Werbeeinnahmen. Damit befindet sich die Traditionszeitung in bester Gesellschaft in der Trauerhalle der Zeitungssieche.
Eine Übernahme bedeutet nicht die Einstellung, sondern eine Art von übergehendem „Pflegedienst“, bei dem der Patient „Zeitung“ bis zum Tod abgekocht wird.
Waren früher 15-30 Prozent Umsatzrendite „normal“, scheint der MM bei rund vier Prozent angekommen zu sein. Aus Sicht verwöhnter Verleger ist das schon ein „Verlust“, auch, wenn noch Gewinn gemacht wird. Landauf, landab haben sich deshalb „Verlegerfamilien“ bereits als Horde aus dem Zeitungsgeschäft zurückgezogen – über Jahrzehnte hatte man die „Cash-Kühe“ gemolken, die Villen sind bezahlt, die Yachten ebenso und andere Invests sind getätigt. Kaum jemand aus diesen „Familien“, die mit Meinungsfreiheit ihr Geschäft gemacht haben, äußert sich zur Frage, wieso man sich zurückzieht und nicht etwas von den unglaublichen Gewinnen zurückgibt, um das „Meinungsbildunggeschäft“ am Leben zu erhalten. Warum auch? Den wenigsten ging es um Gesellschaft und Demokratie, das Geschäft hatte Vorrang.
Unklare Rolle von Krawall-Lübke
Vor einem Jahr hat sich die Zeitung Dirk Lübke als Chefredakteur eingekauft, ein wandernder Geselle, der sich gerne im Kontext von „Innovation“ verkauft. Seit Amtsantritt hat er „Krawall“ gemacht und die Zeitung auf Boulevard gebürstet. Unklar ist, ob er die Zeitung möglichst schlecht positionieren sollte, um den Kaufpreis zu senken oder möglichst gut, um ihn zu heben. Ziemlich klar dürfte sein, dass er sich bald einen neuen Job suchen wird, denn nach meinem Dafürhalten passt er nicht zur Medien-Union.
Diese Gruppe ist an nichts anderem als an lukrativem Geschäft interessiert. Wer die Branche beobachtet, stellt fest, dass die Medien-Union überhaupt nichts unternimmt, um herausragenden Journalismus zu befördern. Und schon gar keine Schaumschläger wie Herrn Lübke. Bei der Medien-Union geht es um Marktanteile, Konzentration, Geschäft. Nichts anderes. Die Kloakenprodukte Mannheim24.de und Heidelberg24.de zeigen, wohin man will: Blut & Sperma als Zukunftshoffnung. Hier werden Millionensummen in billigsten Bullshit-Boulevard investiert, der nichts mit Journalismus und gesellschaftlichem Aufgabe zu tun hat, außer, dass man jeden Anspruch aufgegeben hat.
Banken und Versicherungen halten Anteile – geht so unabhängiger Journalismus?3
Welche „politischen Deals“ dazu im Hintergrund laufen? Das ist eine weiße Landkarte. Es gibt kaum einen so mächtigen Konzern wie die Medien-Union (1,5 Milliarden Euro Umsatz), über den gleichzeitig so wenig bekannt ist, außer, dass er überall im Südwesten „die Finger drin hat“.
Wer meint, dass der Mannheimer Morgen und seine Ableger „gerettet“ würden und dadurch „Meinungsvielfalt“ erhalten bliebe, der glaubt auch gerne noch an den Weihnachtsmann und Osterhasi.
Der MM ist geschäftlich am Ende und wird entweder in dieser Konstellation oder einer anderen, die sich Juristen kartellsauber ausdenken, geschluckt. Es wird viele „Restrukturierungsmaßnahmen“ geben, das heißt, die Zitrone wird bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht. Wenn der getropft ist, macht man zu. Der Erhalt von Meinungsvielfalt spielt keine Rolle. Das Geld der Investoren sucht sich dann andere lukrative Geschäfte.
Schlechte Entwicklung
Tatsächlich ist diese Entwicklung aber eine Tragödie. Denn die zunehmende Konzentration der Presselandschaft gefährdet die Demokratie essentiell. Je weniger eigenständige und unabhängige Redaktionen ihre Arbeit machen, umso mehr wird „Einheitsmeinung“ verbreitet.
Wir würden jetzt sogar sofort zu einer „Gegen-die-Übernahme-Abo-Kampagne“ unter dem Motto „Rettet-die-unabhängige-Berichterstattung-des-MannheimerMorgen“ aufrufen wollen. Nur dazu fehlt uns der Glaube. Die Redaktion dieser Zeitung ist schon seit Jahren nicht mehr unabhängig und nur der besten Information ihrer Leser/innen verpflichtet. Verlag und Redaktion haben über Jahre „gedealt“, sich eingelassen und nichts unternommen, um unabhängig zu bleiben. Jetzt werden sie übernommen und intern schauen, dass sie Pfründe sichern.
Ich habe als junger Journalist bei dieser Zeitung angefangen und diese Entwicklung tut mir persönlich weh – weil ich hier viel gelernt habe und der „MM“ eine gute Adresse war. Heute bin ich verantwortlich für ein kleines, engagiertes Team und stehe mit meinem Namen für einen engagierten Journalismus ein.
Ich bin fest überzeugt davon, dass die Gesellschaft kritischen Journalismus braucht – der wird sicher nicht durch „Investment-Gesellschaften“ befördert. Es gibt bereits Anfragen, was wir kosten – ich würde gerne astronomische Summen nennen. Sie können Ihren Anteil leisten, um uns unverkäuflich zu machen.
Werden Sie Mitglied im Förderkreis und unterstützen Sie uns. Wir wollen aus Überzeugung gerne unabhängig bleiben. Als kritische Stimme. Mit ordentlichem, unabhängigem Journalismus.
Beste Grüße
Ihr
Hardy Prothmann