Osnabrück/Rhein-Neckar, 08. September 2016. (red/cr) Eine Muslima erscheint mit Gesichtsschleier an einer Abendschule – und wird vom Unterricht ausgeschlossen. Ist das Beschneidung ihrer Religionsfreiheit? Oder ist die Abendschule im Recht, dass die Verschleierung den Unterricht behindert? Wie wird das in der Region gehandhabt? Und was ist mit Kopftüchern? Die aktuelle Rechtssprechung sagt: Es kommt auf die Kommunikationssituation an.
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Von Christin Rudolph
Ende August hatte eine Abendschule eine Muslima zunächst zugelassen, dies jedoch später widerrufen, weil sie im Niqab am Unterricht teilnehmen wollte. Eine offene Kommunikation sei kaum möglich, auch weil nonverbale Elementen wie Mimik, Gestik und Körpersprache dabei wichtig seien. Außerdem behindere die Vollverschleierung eine sichere Identifikation.
Dagegen klagte die vollverschleierte Frau. Am 22. August entschied das Verwaltungsgericht Osnabrück dann zugunsten der Abendschule.
Das ist ein Einzelfall. Doch würden Schulen in der Rhein-Neckar-Region genauso entschieden? Gibt es überhaupt Regeln oder Verbote zum Thema Vollverschleierung? Und wie wird mit Kopftüchern umgegangen?
Kopftuch ja, Gesichtsschleier nein
Nach Angaben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz und des Kultusministeriums Baden-Württemberg gibt es keine expliziten Regelungen, die eine Vollverschleierung in der Schule untersagen. Es müsse jedoch eine uneingeschränkte Kommunikation möglich sein. Aus Rheinland-Pfalz heißt es:
Diese notwendige Kommunikation wird durch eine Burka oder durch einen Niqab verhindert.
Daher seien diese beiden Arten der Verschleierung objektive Unterrichtshindernisse. Bei einem Kopftuch hingegen sei die offene Kommunikation gewährleistet und die Teilnahme am Unterricht deshalb erlaubt. Mit Schülerinnen, die Kopftücher tragen, habe es deswegen eigentlich nie Probleme gegeben.
Kommunikation ist entscheidend
Insofern folgen sowohl Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg als auch andere Bundesländer der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG).
Dieses hat festgestellt, dass das Tragen eines Kopftuches in der Schule unter dem Schutz der Glaubensfreiheit des Grundgesetzes steht. Bei einer Vollverschleierung jedoch nicht – entscheidend ist die Möglichkeit zur offenen Kommunikation. Am 22. April 2014 urteilte der Verwaltungsgerichtshof München:
Die offene Kommunikation beruht nicht nur auf dem gesprochenen Wort, sondern ist auch auf nonverbale Elemente angewiesen (…). Fehlen diese Kommunikationselemente, ist die offene Kommunikation als schulisches Funktionserfordernis gestört. (…) Die Antragstellerin hat deshalb Beeinträchtigungen ihrer religiösen Überzeugung, die sich im Tragen des Niqabs ausdrückt, als typische Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung zu Grunde liegenden Ausgestaltung des Unterrichts hinzunehmen.
Kein alltägliches Problem
In Rheinland-Pfalz ist der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion lediglich ein Fall einer vollverschleierten Schülerin bekannt, der schon Jahre zurückliege.
Damals sei eine Schülerin für sechs Tage vom Unterricht ausgeschlossen worden. Sie habe keinen Widerspruch eingelegt und sei nach Hessen umgezogen.
Ähnlich wie bei der Diskussion um ein Verbot der Burka betrifft das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes jedoch lediglich Einzelfälle.
Die Debatte um “Vollverschleierung” an Schulen ist nach unseren Recherchen also eine Scheindebatte.
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