Hirschberg, 08. Mai 2019. (red/pro) Der Hirschberger Hauptamtsleiter Ralf Gänshirt (51) hat heute in einem Pressegespräch bekannt gemacht, dass er für das Bürgermeisteramt in der Bergstraßengemeinde kandidieren wird. Fachlich ist er ohne jeden Zweifel hochqualifiziert. Die Umstände der Wahl sind aber ungewöhnlich und eine Herausforderung für die Gemeinde, wie für die Kandidaten.
Von Hardy Prothmann
Bislang hat sich Ralf Gänshirt sehr zurückhaltend zur Frage einer möglichen Kandidatur gezeigt: “Nachdem Herr Just vor eineinhalb Jahren seine Kandidatur in Weinheim öffentlich gemacht hatte, habe ich mir die Frage gestellt, wie es in Hirschberg weitergeht, wenn er die Wahl in Weinheim gewinnen würde”, sagt er ganz offen rückblickend: “Nach dem hervorragenden Wahlsieg von Herrn Just bin ich dann am folgenden Tag (11. Juni 2018) auf alle im Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählervereinigungen zugegangen und habe mein Interesse an einer Kandidatur bekundet.” Dabei blieb es bislang, denn durch die Wahlanfechtung von Fridi Miller war unklar, wann Herr Just das Oberbürgermeisteramt antreten würde.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom vergangenen Donnerstag, der eine Berufung gegen die erfolglose Wahlanfechtung nicht zuließ, ist die Oberbürgermeisterwahl in Weinheim gültig und Herr Just gewählt. Dieser tritt am 13. Mai sein Amt an. “Damit ist für mich der Zeitpunkt gekommen, mich öffentlich zu erklären, nachdem ich aus der Bürgerschaft in der Vergangenheit sehr zahlreich angesprochen worden bin, mich aber wegen der Umstände zurückgehalten habe”, sagt Herr Gänshirt.
Seit 1993 für die Gemeinde tätig
So kennt man den Mann, der in Großsachsen aufgewachsen ist, in Weinheim sein Abitur ablegte, danach seinen Wehrdienst (W15) leistete und 1993 als frisch diplomierter Verwaltungsfachwirt (FH) von der Fachhochschule Kehl als stellvertretender Hauptamtsleiter in Hirschberg angefangen hat: “Das war damals ein toller Vertrauensbeweis.” Seit 2000 leitet er das “Querschnittsamt”: “Für mich war immer wesentlich, neutral zu sein und die Gemeinde immer von der Sachebene her zu betrachten.” Eine Parteimitgliedschaft kam für ihn nie in Frage: “Es gibt bei allen im Gemeinderat vertretenen Parteien und Wählervereinigungen Positionen, die ich klar teile oder ähnlich und andere, die ich anders sehe. Ein Parteibuch bildet diese Sichtweisen nicht ab, sondern würde mich eingrenzen. Natürlich hatte ich in der Vergangenheit meine Meinung zu einzelnen Themen, aber die hatte hinter meiner Aufgabe zurückzustehen.”
In den Gemeinderatssitzungen macht Herr Gänshirt immer eine glänzende Figur – ohne aufzufallen, denn die Sitzungsleitung liegt beim Bürgermeister, als er anfing bei Alt-Bürgermeister Werner Oeldorf und später bei Herrn Just. Immer sehr gut vorbereitet, immer konzentriert und sachlich neutral. “Als Bürgermeister hat man natürlich eine andere Rolle. Hier werde ich meine finden müssen, Herr Oeldorf und Herr Just hatten viele Überschneidungen, aber eben auch ihren eigenen Stil, das wird auch bei mir so sein.” Sein Verhältnis zu Herrn Just bezeichnet er als “bestens”. Bei der Wahl in Weinheim habe er seine Stimme natürlich Herrn Just gegeben.
Aktuell steht Kommunalwahl im Vordergrund
Der Vater zweier Töchter war bis Anfang 30 ein begeisterter Fußballer, dann kam er zum Laufen: “Dieses Jahr mache ich den 20. Heidelberger Halbmarathon in Folge.” Zur Arbeit fährt er von Weinheim nach Hirschberg mit dem Rad: “Das ist für mich das Verkehrsmittel der ersten Wahl.” Die Wohnfrage nimmt er vorweg: “Ich wohne seit 20 Jahren nicht mehr in Hirschberg, gleichwohl ist die Gemeinde mir eine Herzensangelegenheit. Wegen der Töchter und deren Schule und Umfeld werden wir aber in Weinheim wohnen bleiben, was sich später ändern kann.” Das habe man im “Familienrat” so besprochen und beschlossen: “Natürlich nimmt das Bürgermeisteramt deutlich mehr Zeit in Anspruch als eine Amtsleitung – meine Familie unterstützt mich dabei klar.”
Zu inhaltlichen Schwerpunkten seiner Kandidatur will er sich aktuell noch nicht detailliert äußern: “Natürlich gibt es Top-Themen wie Infrastruktur, demografischer und technischer Wandel, Verkehr oder mehr Hallenfläche für die Vereine, aber aktuell steht die Kommunalwahl im Vordergrund. Ich werde meine Ziele danach vorstellen.” Eine Grundsätzlichkeit macht er dennoch deutlich: “Hirschberg hat finanziell äußerst komfortable Jahre erlebt. Das ist vorbei!” Daher sei eine “unabhängige, ausschließlich sachorientierte und fachlich fundierte Arbeitsweise mehr denn je nötig”.
Gebürtiger Großsachsener, überzeugter Hirschberger
Herr Gänshirt darf jetzt schon als “spitzer” Kandidat bezeichnet werden. Ob er der Spitzenkandidat wird, muss man abwarten – denn wer sich noch bewerben wird, ist aktuell noch unklar. Dass sich der CDU-Gemeinderat Christian Würz das Amt auch vorstellen könnte, darf als bekannt gelten. Die eigene Partei hat sich dazu noch nicht positioniert und wird das voraussichtlich erst nach der Kommunalwahl tun.
Die Gemeinde ist mit dem ebenfalls parteilosen Manuel Just in den vergangenen Jahren sehr gut gefahren. Dem gelang sogar das Kunststück bei der Bürgermeisterwahl 2015, von Freien Wählern, CDU, SPD und FDP unterstützt zu werden. Allerdings war er auch der einzige Kandidat. Bei seiner ersten Wahl 2007 kam er als “Außenseiter”, war damals Kämmerer in Rauenberg. Heißt: Außenseiter haben in Hirschberg eine Chance, wenn sie persönlich überzeugen. Herrn Just ist das gelungen. Warum ist Herr Gänshirt nicht schon 2007 angetreten: “Da stellte sich für mich die Frage noch nicht und 2015 gab es einen klaren Favoriten.”
Obwohl Herr Gänshirt nicht mehr in Hirschberg wohnt, ist er absolut lokal verankert, auch in der Vereinswelt: “Ich bin zwar Weinheimer Bürger, aber innendrin Hirschberger.” Er sagt nicht Großsachsener, sondern sehr bewusst Hirschberger.
Ab dem 17. Mai beginnt die Bewerbungsfrist und eine veränderte Arbeitslage für Herrn Gänshirt: “Ich bin bei der Kommunalwahl noch Schriftführer im Briefwahlausschuss, bei der Bürgermeisterwahl bin ich selbstverständlich als Kandidat in allen Angelegenheit zur Sache innerhalb der Verwaltung raus.”
Kuriose Konstellationen
Die zeitliche Nähe von Kommunalwahl und Bürgermeisterwahl sieht der Fachmann für Personal-, Arbeits- und Kommunalrecht kritisch: “Wenn man es planen könnte, würde man das nicht so machen, aber die Umstände haben das so ergeben und die gesetzlichen Vorgaben legen fest, wann die Wahl zu erfolgen hat.” Das sind spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden des Amtsträgers. Verwaltung und Gemeinderat haben in der Aprilsitzung das Prozedere schon vorbereitet, damit findet die Wahl vor den Sommerferien am 21. Juli 2019 statt, sollte kein Kandidat mehr als 50 Prozent plus eine Stimme erhalten, erfolgt die Neuwahl am 04. August 2019.
Und kurios wird auch die Übergangszeit werden: “Diese Konstellation klingt wie eine theoretische Übung eines konstruierten Fallbeispiels, das man als Student an der Fachhochschule in Kehl lösen muss, aber in der Wirklichkeit eigentlich nicht vorkommt”, sagte mir Herr Gänshirt unlängst. Dass der Bürgermeisterstellvertreter Fritz Bletzer die erste Gemeinderatssitzung nach der Kommunalwahl eröffnet, dann aber der nach Lebensjahren älteste Gemeinderat übernimmt, weil Herr Bletzer selbst nicht mehr kandidiert und damit nicht mehr Teil des Rats ist, dieser Gemeinderat dann die Wahl der Bürgermeisterstellvertreter übernimmt, um dann an den neuen ersten Bürgermeisterstellvertreter abzugeben. Das ist eine absolut außergewöhnliche Situation: “Natürlich werde ich an der Sitzung teilnehmen, denn die Kommunalwahl hat ja nichts mit der Bürgermeisterwahl zu tun”, sagt Herr Gänshirt auf Anfrage.
Das ist rechtlich gesehen zutreffend, politisch nicht ganz. Denn der mutmaßliche weitere Kandidat Christian Würz, aktuell CDU-Fraktionsvorsitzender, tritt als Kandidat für den Gemeinderat an und wird aller Voraussicht nach gewählt (gutes Ergebnis 2014). Je nach Ergebnis könnte das schon eine “Stimmung” anzeigen, welche Chancen er als Bürgermeisterkandidat hätte. Würde er für das Amt kandidieren und gewinnen, müsste er den Gemeinderatssitz natürlich aufgeben – auch das wird sicherlich in der CDU Hirschberg Diskussionsthema sein. Doch das ist bislang nur Spekulation, denn bislang hat sich Herr Würz nicht öffentlich geäußert.