Mannheim, 08. April 2013. (red/ms) Am Freitag fand auf dem Maimarktgelände das Openin Festival statt. Neun Stunden lang wurde auf drei Bühnen gespielt und von fast jeder Form des Raps gab es mindestens einen Vertreter. Die Veranstalter kündigten bereits eine Fortsetzung für 2014 an. Dann haben sie die Möglichkeit, Vieles besser zu machen. Denn groß ist nicht immer gleich gut gelungen.
Von Minh Schredle
Beim Line-Up wollte man wohl jeden Geschmack treffen: Mit Kool Savas holte man sich ein wahres Urgestein des Deutschraps heran, mit den Orsons einen powergeladenen, nach vorne preschenden Sound. Marsimoto ist bei den Mannheimern sowieso ein Publikumsliebling und schließlich noch der momentan beliebteste Rapper Deutschlands, Cro.
Außer den Headlinern gab es noch 18 andere Acts, auch hier wurde Wert auf Vielfältigkeit gelegt. Bis auf eher unbekannte Künstler wie Thunderbird Gerard oder Dope D.O.D, die rauen Gangsterrap spielten, war der überwiegende Großteil deutschsprachig.

Auch die etwas unbekannteren Acts konnten das Publikum begeistern.
Bis auf die Auswahl der Künstler hätte man in der Organisation aber Vieles besser machen können: Um Getränke oder Essen kaufen zu können, musste man sich einen Token (Geldmarke) für 90 Cent (Krass: 0,3-Bier=fünf Token). Und dazu musste man erst einmal ewig anstehen, nur ein einziger Stand war dafür offen.
Auf der Homepage zur Veranstaltung hieß es, man könne gegen eine „kleine Gebühr und Pfand“ eine Lockerbox (Spint) mieten. Es kostete elf Euro. Ob das „eine kleine Gebühr“ ist, soll jeder selbst entscheiden.
Ursprünglich sollten zwei der Headliner, Kool Savas und Marsimoto, zeitgleich spielen. Der Plan wurde nach intensive Beschwerden des Publikums im Vorfeld kurzfristig abgeändert, aber nicht eingehalten und am Ende überschnitten sich die Auftritte doch.
Als die Orsons dann mit einer Stunde Verspätung anfingen, war das aber eher nebensächlich. Denn denen merkte man an, wie viel Spaß sie hatten, zu spielen und wie viel Lust sie hatten, ihre gute Laune zu verbreiten.

Kaas und Tua von den Orsons posieren beim Rappen.
Direkt im Anschluss trat Cro auf. In Deutschland polarisiert momentan kein anderer Rapper ansatzweise so sehr wie er. Viele verachten seinen eigenwilligen Stil und noch wesentlich mehr verehren ihn. Der dreiundzwanzigjährige rappt auf poplastigen Instumentalstücken, seine Refrains sind größtenteils gesungen. Er selbst hat den Begriff „Raop“ für seine Musik erfunden, eine Mischung aus Rap und Pop.

Klare Ansage: Mit 1,7 Millionen Fans auf Facebook ist Cro momentan der beliebteste Rapper Deutschlands.
Auch wenn es etliche gibt, die Cro ihren Hass deutlich spüren lassen und ihm vorwerfen, Rap zu zerstören, lässt sich wenig über seinen Erfolg streiten: In weniger als zwei Jahren hat er als Newcomer ein Nummer eins Album veröffentlicht, hatte fünf Singels gleichzeitig in den Charts und hat derzeit bei Facebook 1,7 Millionen Fans. Damit ist er – zumindest was Like-Zahlen angeht – momentan der beliebteste Rapper Deutschlands (Platz zwei: Bushido mit etwa 980.000 Likes).
Auch in Mannheim hat sein Name auf dem Line-Up vermutlich die meisten Ticketverkäufe verursacht, das Publikum stand voll auf seiner Seite. Zu keinem anderen Zeitpunkt hatten sich mehr Zuhörer vor der Bühne versammelt, ein großer Teil sang fast durchgängig mit.

Cro schafft es, die meisten Leute vor seine Bühne zu kriegen.
Dabei legte er sich mächtig ins Zeug, um Mannheim eine gute Show zu bieten. Energiegeladen springt er auf der Bühne hin und her, lässt manchmal das Singen sein und lauscht zufrieden dem Gesang des Publikums. Obwohl Cro weitaus weniger Erfahrung als manche Kollegen aus der Szene hat, ist der Auftritt von Anfang bis Ende überzeugend.
Er klingt live fast genau wie auf seinen CDs und verzichtete sogar auf einen Back-Up, also einen zweiten Rapper, der manche Zeilenenden rappt, um dem Hauptkünstler eine kurze Verschnaufpause zu ermöglichen.
In einer ruhigeren Phase wurde das Licht gedimmt und Feuerzeuge hervorgeholt, etwas später erging dann ein Konfettiregen über das Publikum nieder. Wahrscheinlich spontan schnappt er sich einen Drumstick seines Schlagzeugers und trommelt damit auf einem E-Bass herum. Am Ende war nicht nur das Publikum angetan.
Das war der beste Abend 2013,
sagt Cro, holt er noch mal tief Luft und spielt den Song, den er sich ganz bis zum Schluss augespart hat und der beispielhaft für seinen Erfolg ist: Das Video zu seinem bislang größten Hit „Easy“ wird auf Youtube innerhalb von einem halben Jahr 16 Millionen Mal aufgerufen – und das, obwohl der Rapper bis dahin noch relativ unbekannt war!

Cro verabschiedet sich bei seinen Fans: „Danke, das war der beste Abend 2013!“
Nach etwa zehn Minuten Pause übernahm dann der selbsternannte „King of Rap“, Kool Savas. Er wird von dem Hip-Hop-Magazin „Juice“ als bester Rapper Deutschlands gefeiert, gestaltet Deutschrap schon seit über zehn Jahren mit und wird von etlichen Nachwuchskünstlern als Idol verehrt.
Seine Jahre lange Erfahrung merkte man Savas deutlich an: Er spielte routiniert, aber nicht unmotiviert. Jede Betonung sitzt, alles wirkt enorm professionell. So auch das Bühnenbild: Die Beleuchtung wird gekonnt genutzt, um eindrucksvolle Szenen entstehen zu lassen. Mal blitzen Stroboskoplichter auf und erhellen die ganze Halle, mal liegt die Bühne fast vollkommen im Dunkel und nur ein schwächliches, blaues Schimmern straht die schwarze Silhouette des Rappers an.

Das Bühnenbild erschafft eine eindrucksvolle Atmosphäre.
Auf der Bühne neben an performt gerade Marsimoto, ein Alter Ego des Künstlers Marteria, der letztes Jahr mit dem Track „Lila Wolken“ einen Nummer eins Hit landete. Auch wenn sicher viele mit der elektronisch verzerrten Stimme und den teils sinnentfreiten Texten nichts anfangen können, schafft es der extentriche Rapper mit der grünen Maske, die Masse in seinen Bann zu ziehen.
Das Publikum folgt gefügig seinen Anweisungen, als Marsimoto auf der Bühne so tut, als würde er auf einem Pogostick herumspringen, tut es ihm das gesamte Publikum nach. Dass das ziemlich lächerlich ausgesehen haben muss, scheint allen egal zu sein. Ebenso sehr wie ihre Erschöpfung. Das Publikum zeigt mehr Bewegung als bei allen anderen Auftritten zuvor – und das, obwohl es inzwischen drei Uhr morgens ist!

Der Mann mit der grünen Maske zieht das Publikum in seinen Bann.
Irgendwie schafft es Marsimoto, seine Energie auf seine Zuhörer zu Übertragen. Als er dann auch noch einen Song, der bis dahin unbekannt war, zum allerersten Mal live performt, liegt ihm das Publikum vollends zu den Füßen. Mannheim liebt Marsimoto. Und Marsimoto liebt Mannheim.
Ihr seid die Allergeilsten,
wiederholt er immer wieder. Schon mehrmals hat er erklärt, dass Mannheim neben seiner Heimat Berlin seine Lieblingsstadt ist. Hier hat er auch seinen ersten Auftritt überhaupt als Marsimoto gehabt und kehrt seitdem regelmäßig für Konzerte in die Metropolregion zurück. Auch mehrere seiner Videos wurden in Mannheim oder Heidelberg gedreht.
Nach seinem Auftritt löste sich das Publikum allmählich auf, nur wenige blieben ganz bis zum Ende. Nach neun Stunden feiern gingen dann auch letzten. Allesamt erschöpft. Und fast alle glücklich. Und zufrieden.
Anm. d. Red.: Unser Autor Minh Schredle (18) absolviert zur Zeit ein redaktionelles Praktikum, ist altersmäßig „absolute Zielgruppe“, seit einigen Jahren interessiert ihn Hip-Hop. Beim Openin hat er bis 04 Uhr durchgehalten.
Viel Freude mit den Fotos!
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