Ludwigshafen, 08. Oktober 2018. (red/pm) Junge Menschen aus armen oder benachteiligten Familien standen im Blickpunkt der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 27. September 2018. Gemeinsam mit freien Trägern, Einrichtungen der Jugendhilfe und Jugendverbänden hat die Stadtverwaltung ein Rahmenkonzept zur Stärkung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien erarbeitet, das Handlungsfelder zur Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut aufzeigt.
Information der Stadt Ludwigshafen:
“Bürgermeisterin Prof. Dr. Cornelia Reifenberg erläuterte den Bericht im Rahmen eines Pressegespräches am Donnerstag, 27. September 2018, gemeinsam mit Jugendhilfe- und Bildungsplanerin Sibylle Messinger, Jugendamtsleiter Jürgen May, Sabine Heiligenthal, Leiterin des Bereichs Jugendförderung und Erziehungsberatung, sowie dem Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, Walter Münzenberger, und der Vorsitzenden des Stadtjugendrings, Carmen Bruckmann.
Die Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die Stärkung von Familien, die Erweiterung der Teilhabe an Bildung und die Erleichterung von Integration sind die zentralen strategischen Ansätze, auf deren Basis der Bericht ausgewählte Handlungsfelder betrachtet. Grundgedanke ist es, Angebote der Kinder- und Jugendhilfe migrationssensibel und bewusst auf Ausgleich von Benachteiligung auszurichten und weiterzuentwickeln.
Verbesserung der Lebensbedingungen für Familien
“Um Kindern und Jugendlichen tatsächlich zu helfen, müssen wir die Lebensbedingungen für Familien verbessern. Unser Bericht macht deutlich, dass eine Verknüpfung von individueller Förderung und strukturellen Maßnahmen im Sozialraum, also dem Lebensumfeld von Familien, den größten Erfolg verspricht. Dabei geht es um einen besseren Zugang zu Bildung und Kultur und damit um gesellschaftliche Teilhabe und Integration. Wir wollen junge Menschen so fördern, dass sie ihre Rolle in unserer Gesellschaft finden. Da Lerninhalte an Schulen grundsätzlich Sache der Länder sind, liegt unser Schwerpunkt klar auf der außerschulischen Bildung, dies ist unser Auftrag als Kommune”, erläuterte Bürgermeisterin Prof. Dr. Cornelia Reifenberg. Zentrales Thema sei auch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Neben einem Erhalt der vorhandenen Angebote setzt die Stadtverwaltung daher auf den Ausbau der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebote in Kindertagesstätten, die Schaffung von Ganztags- und Nachmittagsbetreuung auch an Schulen, eine Stärkung der Schulsozialarbeit und der Sprachförderung ebenso wie die Wahrnehmung der Interessen von Familien in Planungsprozessen. Gleichzeitig sollen Schwerpunkte auf Themen wie Elternbildung, Kooperationen in den Themenfeldern Gesundheit und Sport oder der Bündelung von Informationen für Familien im Internetangebot der Stadt liegen. Die Qualität der pädagogischen Angebote und der Beratungsformate soll kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Rechtskreisübergreifende, zentrale Anlaufstelle für Familien
Ein wesentlicher Schritt zur Vermeidung von Kinder- und Familienarmut ist aus Sicht der Stadtverwaltung außerdem die Bündelung aller finanziellen Leistungen für Familien und eine umfängliche Erstberatung von Familien rund um die Geburt über die ihnen möglicherweise zustehenden Sozialleistungen. Aus diesem Grund soll im Laufe des Jahres 2019 der Aufbau einer rechtskreisübergreifenden, zentralen Anlaufstelle für Familien beginnen. Der Jugendhilfeausschuss am 27. September soll hierzu einen Grundsatzbeschluss zur Weiterentwicklung der Organisation des Jugendamtes auf den Weg bringen.
“Angefangen bei den Frühen Hilfen über die Betreuung in Kindertagesstätten, die Beratungs- und Unterstützungsangebote der Familienbildung bis zur Unterstützung beim Übergang in neue Lebenssituationen wie Kita, Schule und Ausbildung oder die offene Kinder- und Jugendarbeit verfügen wir in Ludwigshafen über ein gutes Netzwerk für Familien. Dieses Netzwerk wollen wir erhalten und ausbauen. Darum wird es auch in den anstehenden Beratungen zum Doppelhaushalt für 2019/2020 gehen”, so Reifenberg. Die Stadt setze dabei auf die außerordentlich gute Vernetzung und Partnerschaft mit den freien Trägern und der Politik. Dass heute bei der Vorstellung dieses Berichtes sowohl der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses als auch die Vorsitzende des Stadtjugendrings dabei seien, sei ein Zeichen dieser guten Partnerschaft.
Strategien und Handlungsoptionen
Zu den vier genannten Strategien benennt der Bericht verschiedene konkrete Handlungsoptionen, die auf dem bereits vorhandenen, eng vernetzten Angebot der Stadt und der Freien Träger in Ludwigshafen basieren. Unter anderem sind dies:
Entwicklung fördern
- Frühe Hilfen werden bedarfsgerecht weiter ausgebaut, um ein gesundes Aufwachsen von Anfang an zu ermöglichen.
- Bewegungsförderung wird noch stärker im Angebot der Einrichtungen verankert, nach Möglichkeit in Kooperation mit Sportvereinen
- Mit der so genannten HzE Strategiekarte werden Hilfen zur Erziehung zukünftig stärker mit Blick auf die sozialräumlichen Gegebenheiten entwickelt. Individuelle Unterstützung kann so im Kontext von struktureller Verankerung im nahen Umfeld von Familien nachhaltiger wirksam werden.
- Die bestehenden Angebote zu gesunder Ernährung werden um ein Projekt zum gemeinsamen Kochen und Essen in einer Kinder- und Jugendeinrichtung erweitert.
Familien stärken
- Eltern-Kind-Gruppen werden derzeit über Projektmittel im Übergang von der Familie in die Kita und im Rahmen des Angebots der Familienkitas weiter ausgebaut.
- Beratungsangebote, insbesondere Erziehungsberatung, und Angebote der Familienbildung werden zusammen mit den Bildungsträgern und Verbänden sozialräumlich bedarfsgerecht weiter entwickelt.
- Das Netzwerk Eltern und Kinder in der Gartenstadt soll erhalten und weiter unterstützt werden.
- Das Eltern-Kind-Kompetenzzentrum in der Gartenstadt wird weitergeführt und Eltern in ihren Erziehungsaufgaben gestärkt.
- Im Rahmen der kommunalen Planungsverfahren werden Bedarfe und Interessen von Familien eingebracht, um die Ausgestaltung einer kinder- und familienfreundlichen Umgebung, zuhause und im Wohnumfeld, zu stärken.
- Mit dem weiteren Ausbau des Kita-Angebots wird neben der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder auch eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.
- Zusätzlich zum Angebot auf www.lu4u.de wird eine Familienseite auf der Homepage der Stadt Ludwigshafen www.ludwigshafen.de eingerichtet.
Bildungsteilhabe verbessern
- Die Nachmittagsbetreuung von Schulkindern soll sozialräumlich bedarfsgerecht in Kooperation unterschiedlicher Anbieter gesichert werden. Dabei werden auch kooperative Angebote weiter ausgebaut.
- Der Ausbau der Ganztagsschulen wird weiter unterstützt.
- Übergänge im Bildungssystem werden anschlussfähig ausgestaltet, um Bildungswege zu sichern.
- Das Angebot an Schulsozialarbeit wird weiter ausgebaut, strukturell abgesichert und auf Unterstützung gelingender Schulabschlüsse ausgerichtet. Schulbegleitende Angebote zur Förderung und Integration, sozialpädagogisch orientierte Lernförderung, Herausbildung individueller Stärken und Potenziale unterstützen diesen Prozess zusätzlich.
- Ein kontinuierliches Sprachförderangebot entlang der Bildungskette wird in Kooperation mit Bildungs- und Weiterbildungsträgern aufgebaut.
- Zur verbesserten Integration ist ein gelingender Übergang von der Schule in Ausbildung eine wichtige Voraussetzung. Im Rahmen des Bundesprogramms “Kommunale Koordinierung von Bildungsangeboten für Neuzugewanderte” arbeitet die Stadt Ludwigshafen in Kooperation mit beteiligten Partnern im Übergangssystem an einem nachhaltigen Übergangskonzept mit geeigneten Unterstützungsangeboten.
Integration erleichtern
- Das sozialraumbezogene Angebot der offenen Kinder- und Jugendarbeit wird erhalten, die Förderung der Jugendverbände im Stadtjugendring sichergestellt. Mit den vielseitigen Angeboten der offenen und verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit werden bedarfsgerecht Angebote vorgehalten von Freizeiten über sozialpädagogisch orientierte Lernförderung bis zu Sozio-Kulturprojekten und anderem mehr. Die Angebote werden migrationssensibel und bewusst auf Ausgleich von Benachteiligung kontinuierlich weiter entwickelt.
- Die Beteiligungsmöglichkeiten an kommunalen und politischen Gestaltungsprozessen werden gestärkt.
- Die Integration in Ausbildung wird verstärkt unterstützt. Die Arbeit der bestehenden rechtskreisübergreifenden Jugendberufsagentur wird kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt.
- Ein Bericht zu Lebenslagen, Teilhabe und Integration junger Menschen wird konzipiert.
Nachhaltiges Konzept
Die fachliche und öffentliche Diskussion des Berichts geht nach der Vorstellung im Jugendhilfeausschuss auf unterschiedlichen Ebenen weiter. Damit soll das Thema nachhaltig in der Stadtgesellschaft verankert werden und die Wirkung der Maßnahmen überprüft werden.
Bürgerinnen und Bürger sollen über eine Familienseite auf www.ludwigshafen.de erreicht werden. Außerdem sollen die konkreten Ansätze des Konzeptes in einem Flyer verständlich zusammengefasst werden. Zudem sind unter anderem Dialogforen mit Mitarbeitenden aus der Praxis, also aus Einrichtungen und Institutionen ebenso geplant, wie ein Fachtag. Über eine Evaluation wird die Wirkung der angedachten Maßnahmen im Hinblick auf Entwicklungs- und Teilhabechancen ermittelt. Dazu wird die Berichterstattung in die politischen Gremien verstetigt.
Zum Hintergrund
Die Betrachtung der Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen und die tägliche Erfahrung von Mangelsituationen unterschiedlicher Art von Kindern, die Jugendhilfeeinrichtungen besuchen, bilden den Ausgangspunkt zur Erarbeitung des vorgelegten Handlungskonzepts zur Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut. Der Jugendhilfeausschuss hat die Verwal-tung auf Antrag des Stadtjugendrings auf seiner Sitzung am 1. Oktober 2015 mit der Erarbeitung des Konzepts beauftragt.
Neben einer fundierten Ermittlung der aktuellen Situation von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in benachteiligten Lebenslagen, sollten vor allem Handlungsmöglichkeiten identifiziert werden, die wirksam Benachteiligungen ausgleichen können. Dazu ist eine Befragung unter Fachkräften und Einrichtungen durchgeführt worden. Die Ergebnisse sind in die Darstellung relevanter Handlungsfelder zur Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut eingeflossen. Als Leitfaden zur Weiterentwicklung des Angebotsspektrums der Jugendhilfe mit dem Ziel, Benachteiligungen auszugleichen, sind Handlungsoptionen abschließend vier Strategien zur Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut zugeordnet worden.
Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen
Mit dem vorgelegten Rahmenkonzept “Kinder, Jugendliche und ihre Eltern stärken – Strategien zur Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut” ist ein wichtiger Baustein zu einem stadtweiten Handlungskonzept entstanden, der sich insbesondere mit Unterstützungsmöglichkeiten für ein gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen befasst. Dieser Baustein kann um weitere Module aus anderen kommunalen Handlungsfeldern, die mit Armutsprävention befasst sind, und um rechtskreisübergreifende Aufgaben ergänzt werden, die nur in Kooperation wirksam gestaltet werden können.
In Deutschland gilt als armutsgefährdet, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens verfügt oder auf staatliche Grundsicherung angewiesen ist. Besonders betroffen sind Kinder mit alleinerziehenden Eltern, Kinder mit mehreren Geschwistern und Kinder mit geringqualifizierten Eltern oder aus Elternhäusern mit Migrationsbiografie. Das Rahmenkonzept zur Vermeidung von Kinder- und Jugendarmut ist erarbeitet worden als Leitfaden zur nachhaltigen Verbesserung der aktuell sehr unterschiedlichen Lebenssituation von jungen Menschen in Ludwigshafen.
Ein Blick auf die soziodemografischen Daten
Das zeigt ein Spaziergang durch die Stadt oder ein Blick in soziodemografische Daten wie Bildungsteilhabe und Übergänge im Bildungssystem, Bezug von Grundsicherungsleistungen und Bedarfsgemeinschaften, Haushaltstypen und Geschwisteranzahl, Jugendarbeitslosigkeit und Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund, die regelmäßig fortgeschrieben werden. In Ludwigshafen bezieht im Jahr 2016 ungefähr jedes vierte Kind unter 15 Jahren rund 25 Prozent) Sozialgeld und lebt in einer Bedarfsgemeinschaft. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beläuft sich diese Quote im Bezugsjahr 2016 bundesweit auf 14,2 Prozent und in Rheinland-Pfalz auf 11,3 Prozent.
Schaut man sich die Lebenssituation junger Menschen in Ludwigshafen detailliert auf der Ebene sozialräumlicher Quartiere an, werden weitere Unterschiede erkennbar: Im Bezugsjahr 2016 lag der Anteil von Grundsicherung beziehenden Kindern unter 15 Jahren in den Stadtteilen und ausgewählten Quartieren zwischen 5,3 Prozent (niedrigster Wert) und 41,9 Prozent (höchster Wert). Somit gibt es Stadtteile oder Quartiere, in denen junge Menschen nur selten unter materiellen Einschränkungen aufwachsen und andere, in denen fast jedes zweite Kind davon betroffen ist.
Aus der Armutsforschung der vergangenen Jahre ist bekannt, dass materielle Einschränkungen gerade für Kinder und Jugendliche besonders nachteilige Auswirkungen haben, weil sie in der Regel mit weiteren Benachteiligungen verknüpft auftreten wie eingeschränkte Bildungsteilhabe, erschwerte soziale Integration sowie einem erhöhten Gesundheitsrisiko. Diese Benachteiligungen wirken sich auf ihre Entwicklungschancen aus und bestimmen langfristig ihre Lebensperspektiven und ihre gesellschaftliche Teilhabe. Mit dem Rahmenkonzept soll eine bewusste Ausrichtung der Jugendhilfe auf Ausgleich von Benachteiligungen erreicht und mit einer sozialräumlich bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Angebote der Jugendhilfe unterstützt werden.
Gesetzlicher Rahmen
Zentrale Aufgabe der Jugendhilfe ist es, das in Paragraf 1 des achten Teils des Sozialgesetzbuches, SGB VIII niedergelegte Recht eines jeden jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit einzulösen, unabhängig von seiner Herkunft, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner sozialen Lage, seines Geschlechts, seiner Religionszugehörigkeit und seiner persönlichen Disposition. Junge Menschen sollen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung gefördert und Benachteiligungen vermieden oder abgebaut werden.
Außerdem soll Jugendhilfe dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen (SGB VIII, §1 Recht auf Erziehung). Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen auf besondere Unterstützung angewiesen sind, sollen sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre soziale Integration fördern und ihre Teilhabe an Bildung und Ausbildung ermöglichen (SGB VIII, §13 Jugendsozialarbeit). Zudem sind unterschiedliche Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und Gleichberechtigung zu fördern (SGB VIII, §9).”