Rhein-Neckar/Heidelberg, 08. September 2015. (red/pro) Vergangene Woche war die angeblich nur drei Tage dauernde „Beschäftigung eines mutmaßlichen Neonazis“ in der Flüchtlingsunterkunft Patrick Henry Village ein Aufreger. Nach uns vorliegenden Informationen geht es in der völlig überbelegten Unterkunft drunter und drüber. Diebstähle, gewalttätige Übergriffe, rechtsradikale Symbole und versuchte sexuelle Übergriffe sind nach uns vorliegenden Unterlagen dokumentiert. Und nein – wir reden nicht über Flüchtlinge als Täter, sondern über den Sicherheitsdienst.
Von Hardy Prothmann
Die uns detailliert vorliegenden Informationen sind ein Protokoll des Chaos. Im Zentrum der Klagen steht der vom Regierungspräsidium Karlsruhe beauftragte „Sicherheitsdienst“.
Unsere Quellen sind seriös. Selbstverständlich ziehen wir jede Information trotzdem in Zweifel und konfrontieren die möglicherweise Verantwortlichen mit den Vorwürfen, um deren „Sicht“ zu erfragen.
Seit Monaten Rechtsradikale im Sicherheitsdienst?
Sollten sich die Informationen bestätigen, gibt es keineswegs das Problem eines nur für „drei Tage beschäftigten Neonazis“ im Patrick Henry Village. Nach unseren Informationen hat es massive Provokationen des „Sicherheitspersonals“ gegenüber Flüchtlingen gegeben und schon vor Monaten war klar, dass es unter den „Sicherheitskräften“ rechtsradikal eingestellte Personen gibt.
Abhilfe wurde nicht geschaffen. Insbesondere das Regierungspräsidium Karlsruhe kann nach unseren Informationen nicht zurückweisen, nicht über problematische Verhältnisse informiert worden zu sein.
European Homecare ist Betreiber – nicht Sicherheitsdienstleister
Betreiber der Flüchtlingsunterkunft Patrick Henry Village ist das Essener Unternehmen European Homecare – allerdings nicht verantwortlich für die Sicherheitsdienstleistungen. Die werden vom Regierungspräsidium Karlsruhe und somit vom Land Baden-Württemberg vergeben.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist nach uns vorliegenden Informationen mindestens seit Dezember 2014 über massive Probleme über eine ordentliche Ausführung der Sicherheitsdienstleistungen informiert. Bis heute ist nach unserer Kenntnis vom Regierungspräsidium diese Situation aber niemals aktiv öffentlich thematisiert worden.
Massive Vorwürfe
Die Vorwürfe, die uns vorliegen, sind derart massiv, dass sie nur in aufwändiger Arbeit dargestellt werden können. Um in Details zu gehen, müssen wir aus rechtlichen Gründen weitere Recherchen anstellen, fordern aber gleichzeitig andere journalistische Redaktionen auf, hier Mithilfe zur Aufklärung zu leisten.
Es soll Übergriffe gegeben haben, mehrfach wird „ungebührliches Verhalten“ angemahnt, mehrfach, dass die Anzahl der vereinbarten Sicherheitskräfte massiv unterschritten worden ist, mehrfach, dass Sicherheitskräfte rechtsradikale Symbole getragen haben, mehrfach, dass es zu nicht hinnehmbaren Äußerungen gekommen ist:
Die Assis fressen unsere Steuergelder weg.
Oder auch als Antwort auf einen „körperlichen Einsatz“:
Ich darf ihnen sogar mehr antun.
Gott mit uns – rechtsradikale Symboliken und null Reaktion
Nach den uns vorliegenden Protokollen weiß das Regierungspräsidium Karlsruhe von unhaltbaren Zuständen – zweifelhaft ist, ob und wie die Behörde darauf reagiert hat.
So ist dokumentiert, dass spätestens seit dem 07. Januar 2015 bekannt ist, dass ein Security-Mitarbeiter einen Schal trug, auf dem „Gott mit uns“ stand. Ein Spruch, der im zweiten Weltkrieg auf den Gürtelspangen der Wehrmacht prangte und heute nachweislich ein Symbol der rechten Szene ist – insbesondere aus Zwickau. Ausgerechnet Zwickau, Herkunft der rechtsextremistischen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund.
Weiter wird aus den uns vorliegenden Unterlagen darüber berichtet, dass „die Security“ sich vor den Asylsuchenden beim Essen bedient hat. Mitarbeiter des Betreibers European Homecare konnten nach den uns vorliegenden Informationen Zimmervisiten nicht ausführen, weil das Wachpersonal nicht zur Verfügung stand. Dokumentiert sind „Pausen“ der Security, Fotos, auf denen man knapp ein Dutzend Personen des Wachpersonals sieht, die „abhängen“ und keinen Dienst tun. 30 Personen sollen eigentlich ständig im Einsatz sein – nach unseren Informationen wird diese Zahl meist nicht erreicht.
Im PHV sind seit Monaten weit mehr als 2.000 Personen untergebracht – hier muss man auch die Frage stellen, ob 30 Sicherheitsmitarbeiter nur eine „Verwaltungsvorschrift“ auf dem Papier erfüllen. Leidtragende sind die Flüchtlinge vor Ort und Polizei sowie Rettungskräfte – massive und häufige Einsätze zehren an der Kapazität und den Nerven.
Problemlager PHV
Stattdessen gibt es Hinweise auf „schlafende“ Securities oder einfach mal abwesende, die Bank- oder Post-Geschäfte „machen mussten“.
Das Patrick Henry Village ist ein absolutes Problemlager, in dem häufig Konflikte auftreten, die massiv Polizei- und Rettungskräfte binden.
Die Polizei ist massiv gefordert und die Großeinsätze gehen an unsere Kapazitätsgrenzen,
sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle.
Zum aktuellen „Nazi-Problem“ sagt er:
Wir haben aufgrund einer eigenen Kontrolle festgestellt, dass die betreffende Person nicht geeignet ist, im Wachdienst in einer Asylunterkunft zu arbeiten.
Auf Nachfrage, wie oft diese Kontrollen durchgeführt werden und zum Thema „nur-drei-Tage-war-diese-Person-im Dienst“ und was wäre, wenn die Kontrolle erst später ausgeführt worden wäre:
Wir hier im Polizeipräsidium Mannheim machen diese Kontrollen regelmäßig zu verschiedenen Zeiten, aber nicht täglich. Möglicherweise hätte diese Person auch länger beschäftigt sein können, also in einem Zeitraum von der einen zu anderen Kontrolle.
Die Kontrollen erfolgen „regelmäßig“ – also im Abstand von einigen Wochen. Gleichzeitig verweist der engagierte Pressesprecher darauf, dass es keine Verpflichtung der Polizei gäbe, diese Kontrollen durchzuführen, man diese aber verantwortlich vornehme. Ist das woanders auch so?
Ob die Polizei „von sich aus“ tätig wurde, darf hinterfragt werden, weil fast zeitgleich Informationen der Antifa öffentlich wurden. Möglicherweise muss man auch die Frage stellen, ob es „Lecks“ bei der Polizei gibt oder die Antifa der Polizei zuarbeitet. Beides ist möglich.
Offensichtlich ist, dass das Antifa-Netzwerk teils sehr detaillierte Informationen hat, auch wenn diese teils „problematisch“ eingeordnet werden. Offensichtlich ist auch, dass das Polizeipräsidium Mannheim schnell reagiert – fraglich ist aber auch, ob man nur reagiert oder auch agiert. Tatsächlich proaktive Kontrollen sind uns bislang nicht tatsächlich bekannt.
Kontrolle durch das Regierungspräsidium? Kaum Anzeichen dafür
Nach den uns vorliegenden Informationen gibt es seit Ende vergangenen Jahres Hinweise auf rechtsradikale Mitarbeiter im Sicherheitsdienst – aber keine konzertierte Aktion der Polizei. Und schon gar keine nachvollziehbare Kontrolle des Regierungspräsidiums. Und noch weniger eine kritische Haltung des Innenministeriums.
Damit muss die Frage gestellt werden, ob das „von oben“ nicht „gewünscht“ wird. „Oben“ sind das Innenministerium und die Landesregierung. Darunter folgt das Regierungspräsidium. Darunter das Polizeipräsidium. Darunter der Betreiber European Homecare und der Sicherheitsdienst, den das Land auswählt und damit verantwortlich ist, sich aber nicht verantwortlich zeigt. Bis heute fehlt eine klare Antwort, wie der Neonazi auch nur drei Tage beschäftigt werden konnte.
Die Stadt Heidelberg hat übrigens überhaupt kein Eisen im Feuer und ist außen vor – wie alle Gemeinden, in denen Landeserstaufnahmeeinrichtungen und deren Ableger installiert sind.
Wir verfolgen seit langem kritisch die teils chaotischen Zustände im PHV mit der Recherchethese, dass „irgendetwas nicht stimmen kann“. Bislang wurden uns Fragen bei allen Behörden „abgebügelt“. Noch nie gehört, weiß man nichts drüber, kann nicht sein.
Die uns vorliegenden Informationen beweisen, dass mindestens das Regierungspräsidium seit Monaten teils detaillierte Informationen über unhaltbare Zustände im PHV vorliegen hat.
Informationen, dass das Regierungspräsidium verantwortlich, entschieden und unzweifelhaft reagiert hätte, liegen uns aktuell nicht vor.
Nach der Auswertung der Informationen bleibt eine Aussage für uns zentral, zu Protokoll gegeben von einer Mitarbeiter von European Homecare:
Ich fühle mich hier nicht mehr sicher.
Nach allem, was uns vorliegt, gilt das für alle Personen im PHV. Für die Menschen, die dort arbeiten, um Flüchtlingen zu helfen, aber vor allem für die Flüchtlinge.
Sehr problematisch sehen wir die Information, dass offenbar auch politisch motivierte Personen aus kurdischen oder radikalmuslimischen Verhältnissen Zugang auf das Gelände und Kontakt mit den Flüchtlingen haben.
Gegenüber all den problematischen Verhältnissen verwundert es niemanden, dass offenbar der Alkolika-Transfer ins Lager trotz Lagerordnung das geringste der Probleme ist, aber möglicherweise Auslöser für sehr viele Probleme.
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