Rhein-Neckar, 08. Mai 2018. (red/pro) Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist eigentlich schon Ende Mai 2016 in Kraft getreten – bis zum 25. Mai gilt eine Übergangsfrist. Ab dann gelten sehr viel höhere Datenschutzstandards, aber vor allem Datenschutzrechte an die sich alle zu halten haben: Privatleute, Vereine, Verbände, Parteien, Behörden und Unternehmen, eben alle, die Daten erheben. Jeder muss sich mit dem Thema befassen, denn es drohen bei Verstößen drakonische Strafen.
Von Hardy Prothmann
Geht es nach Umfragen von Branchenverbänden, kommen auf 30-50 Prozent der Unternehmen Probleme zu, tatsächlich dürften es weit mehr sein, weil insbesondere kleinere Betriebe überhaupt nicht in Verbänden organisiert sind.
Alle sind von DSGVO betroffen
Und auch auf unsere Leserschaft kommen Probleme zu, die vielen noch nicht bewusst sind. Ein Beispiel: Sie haben ein Smartphone mit Fotofunktion oder eine Digitalkamera. Wenn Sie ab dem 25. Mai auf den Auslöser drücken und Menschen (natürliche Person) fotografieren, haben Sie eine Datenerhebung vorgenommen, für die Sie eigentlich vorher (!) von allen (!) aufgenommenen Personen eine Erlaubnis benötigen. (Ausgenommen sind analoge Kameras, weil die keine Daten erheben, sondern nur einen Film belichten.) Freundlich in die Kamera grinsen ist keine Erlaubnis. Im Zweifel kann jeder die Löschung (auch später) verlangen und im Zweifel klagen.
Es gibt Ausnahmen – beispielsweise im familiären Bereich. Erhebt jemand rein privat Daten oder nur für familiäre Zwecke, fällt man nicht unter die DSGVO. Solche Aufnahmen sind gestattet – aber was, wenn man als Familie einen Ausflug macht, ein “Selfie” anfertigt, auf dem noch andere Menschen zu sehen sind? Oder bei einem Konzert ein Bild von Freunden macht, die alle einverstanden sind, aber weitere Personen aufnimmt? Das ist ein Verstoß gegen die DSGVO. Oder das Foto von einem Turnierspiel der F-Jugend. Verstoß 1 ist jede Aufnahme, Verstoß 2 könnte sein, weil die Fotos veröffentlicht werden, beispielsweise auf der Homepage oder in sozialen Netzwerken. Und was, wenn das Datenverarbeitungsgerät – in diesem Fall das Smartphone – auch geschäftlich genutzt wird? Im Zweifel handelt es sich möglicherweise um eine geschäftliche Datenverarbeitung. Und jede natürliche Person kann gegen diese “Datenerhebung” vorgehen – auch juristisch und auch, wenn sie gar nicht zu erkennen ist, weil das Gesicht abgewandt ist.
Horrende Bußgelder drohen
Es drohen bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweiten Umsatz (was durchaus mehr sein kann) als Strafe. Bei der Höhe der Strafen kommt auf den Umfang an und Prozesse kosten immer Geld und Nerven.
Betroffen sind auch Vereine oder Parteien – wurden früher bei Veranstaltungen selbstverständlich Gruppenfotos erstellt, so stellt dies künftig ein rechtliches Risiko dar. Es ist dabei vollkommen unerheblich, ob es sich um gewerbliche oder ehrenamtliche Datenverarbeitung handelt – der Sportverein ist also genau betroffen wie die Freiwillige Feuerwehr oder der Förderverein einer Schule. Die DSGVO gilt für alle personenbezogenen Daten, also auch Mitgliederverzeichnisse, Rechnungsdaten – eben alle Daten, die beispielsweise Namen, Adresse, Geburtsdatum, Ausweisnummern oder Ähnliches enthalten.
Unternehmen und andere Arbeitgeber müssen ab zehn Personen, die mit diesen Daten arbeiten, beispielsweise einen Datenschutzbeauftragten benennen. Wer Daten verarbeitet, muss eine Liste dieser Daten und deren Verwendung führen.
Was darf Journalismus künftig?
Auch innerhalb der Medienbranche sorgt die DSGVO für Sorgen – dürfen Fotografen künftig beispielsweise noch Konzertbesucher fotografieren? Vermutlich dürfen sie das – rechtlich ist das aber unsicher. Gilt das Kunsturheberrecht (KUG) von 1907 weiter oder nicht? Die Bundesregierung hätte durch nationale Gesetzgebung Ausnahmen und Spezifizierungen regeln können, ist aber untätig geblieben. Zur Freude von Rechtsanwälten, denn es wird mit Sicherheit Klagen geben. Diese dauern aber regelmäßig ihre Zeit und solange keine Urteile vorliegen, bleibt die Rechtsunsicherheit.
Die Recherche und Verarbeitung von Daten ist in vielen Branchen Standard – insbesondere bei Medien. In Artikel 85 der DSGVO heißt es (siehe Link unten):
(1) Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang.
Genau dies “in Einklang bringen” hat bislang nicht stattgefunden. Rechtsanwalt Thomas Stadler kritisiert zu Recht die Sachlage (siehe Link unten) – denn es ist bislang völlig unklar, wie das Recht auf persönliche Meinungsfreiheit und die DSGVO sich verhalten. Darf man in sozialen Netzwerken noch personenbezogene Daten verwenden? Schon die Namensnennung ist eine Verwendung von Daten natürlicher Personen.
Grundsätzlich gilt: Datenschutz ist eine wichtige Aufgabe und insofern ist eine an moderne Datenerhebung angepasste Gesetzgebung wichtig und richtig. Tatsächlich ist die DSGVO teils so uneindeutig, dass sich daraus eine erhebliche Rechtsunsicherheit ergibt – die jeden treffen kann. Daten dürfen natürlich weiterhin verarbeitet werden – wie, regelt Artikel 6 (siehe Link unten):
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Für Medien und Journalisten ist e) maßgeblich, was die Berichterstattung angeht. Die Kölner Kanzlei WBS (Link siehe unten) schreibt:
Die Gerichte haben bisher gesagt: Für die Veröffentlichung und Zurschaustellung von Personenbildnissen haben die §§ 22, 23 KUG Vorrang vor dem BDSG. Ob das auch für das Anfertigen von Fotos gilt, ist nicht abschließend geklärt, es wird jedoch von den meisten Juristen angenommen.
Wir haben aktuell unsere Datenschutzerklärung überarbeitet. Klar ist, dass personenbezogene Daten wesentlich für unsere Arbeit sind. Wir behandeln diese seit jeher sehr sensibel und nutzen beispielsweise keine Datenerhebung, um diese an Dritte zu verkaufen – im Gegensatz zu anderen Medien.
Unsere Arbeit kostet Geld und mit Ihrem Zugang über Steady geben Sie uns Geld – dafür erhalten Sie auch mehr als andere. Beispielsweise Links und zusätzliche Informationen.
Übersicht der Artikel und Erwägungsgründe